Silke LaunertCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, also die finanziellen Mittel, die der Haushalt für das Arbeitsministerium vorsieht. Ich will das betonen, weil in so einer Debatte immer ein bisschen in Vergessenheit gerät, was eigentlich der Tagesordnungspunkt ist. Deshalb sollten wir vielleicht noch ein bisschen mehr zum Haushalt sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das gilt natürlich insbesondere für mich als die zuständige Haushälterin für diesen Bereich.
Ich weiß, dass es nicht gerne gehört wird, wenn jemand mit Zahlen kommt, wo man doch nur Gutes tun will. Aber ich sage Ihnen eins: Es hängt zusammen. Man kann nur Gutes tun, wenn man vorher auch vernünftig, langfristig, gut plant und mit dem Geld sinnvoll umgeht. – Das weiß jede Familie, und das gilt auch für den Staat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Beim Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales handelt es sich um den größten Einzelhaushalt; er umfasst über 160 Milliarden Euro. Der vorliegende Haushaltsentwurf wurde uns erst Anfang letzter Woche zugeschickt; es ist der zweite Entwurf dieses Einzelplans. Es kamen noch Veränderungen, weil die Coronamaßnahmen teurer werden und jetzt auch noch der Krieg hinzukommt. Der Haushalt ist deswegen eigentlich schon nicht mehr haltbar; diese 160 Milliarden Euro – das kann man schon jetzt ablesen – werden nicht ansatzweise das sein, was letztlich verabschiedet werden wird.
Warum ist das so? Von den großen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg ist schon gesprochen worden. Die Verteuerungen bei Öl und Gas werden für die Betriebe zu erheblichen Nachteilen führen und Kurzarbeit erforderlich machen. Das wird dazu führen, dass der Staat die Bundesagentur für Arbeit durch Zuschüsse unterstützen muss. Daneben werden Kosten durch mehr Arbeitslosigkeit entstehen. Im Rahmen der Flüchtlingswelle brauchen wir erhebliche Steigerungen bei den Sprachschulungen. Langfristig werden auch im Sozialbereich Kosten entstehen; am Anfang übernehmen diese Kosten ja noch die Kommunen. Das heißt, es ist absehbar – das sind Riesenbeträge –, dass ein Ergänzungshaushalt, den wir nicht kennen, kommen muss. Ich hoffe, wir sehen ihn bald. Das zeigt, mit welcher Farce wir es hier zu tun haben.
Aber das reicht nicht, es geht weiter: Gestern, einen Tag vor der Debatte, hören wir dann von dem Maßnahmenpaket.
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich begrüße das Paket in der Sache. Es ist gut, dass endlich was passiert. Seit Wochen, ja seit Monaten wird dafür gekämpft. Und nun kommt endlich was.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ist doch super!)
Allerdings ist es uns gegenüber schon eine Frechheit, wenn Sie damit einen Tag vor der Debatte kommen. Wir reden also über einen in dreifacher Hinsicht völlig überholten Haushalt von 160 Milliarden Euro, der nicht mehr ansatzweise das widerspiegelt, um was es in Wahrheit geht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dieser Haushalt hat mit den Grundsätzen, wie man sich fair verhält, eigentlich nichts mehr zu tun. Das wundert mich besonders bei der FDP. Nicht nur, dass bei dem rückständigen, schon in dreifacher Hinsicht überholten Haushalt etwa 100 Milliarden Euro auf Kredit vorgesehen waren, es kommen noch 100 Milliarden Euro zusätzlich, und das, obwohl man vorher schon 60 Milliarden Euro an der Schuldenbremse vorbeigemogelt hat, indem man sie in den Energie- und Klimafonds umgeleitet hat – nicht nur das, nein, Sie machen solche Spielchen auch noch kurz vor Schluss.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn jetzt, Frau Launert?)
Wir wissen überhaupt nicht richtig, worüber wir reden.
Von der FDP haben wir uns hier vier Jahre lang Vorträge anhören müssen über Haushaltswahrheit und ‑klarheit und Generationengerechtigkeit.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Jetzt wird es umgesetzt!)
Ist das alles jetzt vergessen? Der Wahlkampf, wie ist er geführt worden? Alles vergessen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielleicht wollen Sie mal hören, was in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag steht – was haben wir denn da? –:
Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent … dauerhaft sichern.
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie wissen es selbst, es war klar geregelt. Jetzt wollen Sie § 287a SGB VI von heute auf morgen, schnell, schnell abschaffen, 500 Millionen, die jedes Jahr, von 2022 bis 2025, als Sonderzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung fließen sollten.
(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Da regen sich Ihre eigenen DGB-Vorstände auf. Das ist ein unglaublicher Griff in die Rentenkasse!
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Diese Summe hat man einfach, von heute auf morgen, eingespart. Diese halbe Milliarde – über vier Jahre 2 Milliarden – war ein wertvoller Beitrag zur Stabilisierung der Beiträge. Jetzt ist das einfach rausgeflogen. Dazu findet sich hier im Entwurf – nichts.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Noch einmal der Koalitionsvertrag – wortwörtlich –:
Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen.
Stammt der Koalitionsvertrag nicht vom Dezember? Also, im Dezember hat man versprochen, 2022 für einen Kapitalstock – es geht um die Ergänzung der aktienunterstützten Rente – 10 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln zuzuführen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie sagen? – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist die Aussage?)
Was finden wir im Entwurf? Nichts. Nichts. Wieder mal nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was wir hier erleben, ist wirklich alles andere als eine klare, wahre, seriöse, generationengerechte Haushaltsplanung – es ist ein Desaster. Und es wird so weitergehen. Herr Lindner hat sich noch über Herrn Scholz lustig gemacht – jetzt ist er selber der Schuldenkönig. Aber es wird uns auch noch in Europa teuer zu stehen kommen, wenn wir selbst nicht mal ansatzweise die Kriterien erfüllen, die wir eigentlich wieder in Kraft setzen wollen.
Meine Oma, eine sehr lebenserfahrene – leider auch kriegserfahrene – Frau, hat gesagt: Ich habe nicht immer alles verstanden, und nicht jeder Wunsch von mir ist erfüllt worden; aber unter den Schwarzen ist es uns immer besser gegangen.
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und sie hat noch etwas gesagt: Die Linken versprechen alles und halten – nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Eine kluge Frau! – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurdistan ist diese Rede!)
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Rasha Nasr.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534948 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |