06.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 27 / Zusatzpunkt 1

Christine Lambrecht - Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilder, die uns aus der Ukraine erreichen, sind schrecklich. Sie zeigen brutalste Gräueltaten, die an Zivilisten begangen werden. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wenn wir ehrlich sind, dann ist dieser Angriffskrieg, dieser brutale Angriffskrieg, schon ein Verbrechen, aber das, was wir da gesehen haben, was wir da sehen müssen, ist eine Entmenschlichung, die alle Grenzen überschritten hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Klar ist: Putin nimmt diese grauenvollen, grausamen Taten in Kauf. Aber es wäre zu kurz gesprungen, wenn wir das alles nur auf Putin reduzieren würden. Es sind nämlich nicht nur seine Taten; sondern jeder Kommandant, der so etwas befehligt, jeder Soldat, der so eine Tat ausführt oder geschehen lässt, machen sich mindestens genauso schuldig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Und alle müssen sich fragen lassen: Ist das das Russland, für das ihr die Uniform tragt, für das ihr stehen wollt? Ist das das Russland, für das ihr kämpft? Die internationale Gemeinschaft muss klar antworten: Jede Tat muss schonungslos verfolgt werden, und es muss alles dafür getan werden – alles –, dass wirklich jeder einzelne Kriegsverbrecher auch seine entsprechende harte Strafe bekommt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

Aber wir sehen in den Straßen von Butscha mehr als nur Leichen. Wir sehen im grellen Licht die Grausamkeit des Systems Putin. Es ist ein System, dem alle Mittel recht sind, um seine Interessen durchzusetzen, ein System, das nationalistischem Großmachtswahn alles unterordnet, das keine Grenzen kennt und keine Hemmungen, ein System, das Recht und Menschlichkeit mit Füßen tritt. Und deswegen darf dieses System nicht gewinnen; es darf sich nicht durchsetzen.

Wer so handelt wie Putin, dem ist es egal, ob die Leichen auf den Straßen von Butscha oder die Leichen auf den Straßen von Tiflis, Vilnius oder Berlin sind. Daher müssen wir die Ukraine in ihrem Kampf gegen das System Putin stützen, sie unterstützen, wo wir nur können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann machen Sie es endlich!)

Dabei geht es nicht darum, Schlagzeilen zu produzieren oder sich moralisch zu erleichtern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nein, es geht darum, ganz konkret zu helfen, ganz konkret zu unterstützen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann macht es mal!)

Denn wir können diesen Krieg, sosehr es schmerzt, nicht mit einem Schlag beenden. Aber wir können die russische Fähigkeit zur Kriegsführung schwächen.

Wir haben bereits beispiellos harte Sanktionen erlassen, Sanktionen, die Russland an den Rand eines Staatsbankrotts gebracht haben und die zunehmend ihre volle Wirkung entfalten. Jetzt werden wir noch einmal entschlossen und gezielt nachlegen und dabei dann auch den Import von Energieträgern im Blick haben. Ganz aktuell ist das vorgeschlagene Importverbot für russische Kohle dabei ein ganz wichtiger Baustein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Olav Gutting [CDU/CSU]: Das hat aber nicht Deutschland vorgeschlagen!)

Meine Damen und Herren, wir haben die Ukraine bereits in großem Umfang auch mit Waffen beliefert, unterstützt, und wir arbeiten jeden Tag mit Hochdruck daran, weitere Waffen liefern zu können. Dafür sind wir im ständigen Austausch mit der ukrainischen Regierung, mit unseren Alliierten und Partnern und auch mit der Rüstungsindustrie.

Wenn wir über die Art und Anzahl der gelieferten Waffen aber nicht öffentlich reden, dann hat das einen guten Grund: Die Ukraine hat ausdrücklich darum gebeten, und wir halten uns daran. Es geht aus militärischer Sicht nämlich darum, dass Russland im Unklaren über die Typen und Mengen der gelieferten Waffen ist und sich nicht darauf einstellen kann; der Feind hört nämlich mit. Deswegen ist es wichtig, dass wir handeln, aber nicht darüber reden, weil das das Ziel gefährden würde, nämlich die Ukraine zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Bürokratische Hürden! – Stephan Brandner [AfD]: Ausrede!)

– Herr Wadephul, das ist keine bürokratische Hürde.

In diesem Zusammenhang ist eines ganz wichtig: Die NATO und Deutschland dürfen nicht riskieren, selbst zur Kriegspartei zu werden. Denn das ist für ganz, ganz viele Menschen momentan eine große Sorge: Wie geht das weiter? Wie wirkt sich das aus? Was bedeutet das auch für uns? Wie entwickelt sich diese Spirale? Das kann man nicht einfach als bürokratische Hürde abtun. Nein, dieser Verantwortung müssen wir nachkommen.

Wir sind uns mit unseren Verbündeten in der NATO, mit unseren Partnern in der Europäischen Union sehr einig, dass wir diese Grenze nicht überschreiten wollen und auch nicht überschreiten werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU])

Wir müssen verhindern, dass es in Europa einen Flächenbrand mit allen sich daraus ergebenden schrecklichen Konsequenzen gibt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, das System Putin darf nicht gewinnen, darf sich nicht durchsetzen; denn sonst können wir alle nicht mehr sicher sein, und daher müssen wir auch in Deutschland lernen, sehr viel wehrhafter zu sein – sehr viel wehrhafter zu sein. Dieser Gedanke steht hinter der sicherheitspolitischen Zeitenwende, die der Bundeskanzler verkündet hat. Dieser Gedanke steht hinter dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Wenn wir heute in unsere Streitkräfte investieren – da geht es nämlich darum, unsere Werte von Recht und Menschlichkeit gegen das System Putin zu verteidigen –, dann geht es darum, uns und unsere Verbündeten gegen militärische Erpressung und Gewalt abzusichern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht der Kollege Jürgen Braun.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535070
Wahlperiode 20
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha
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