06.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 27 / Zusatzpunkt 1

Michael RothSPD - Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha

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Vielen Dank. – Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Butscha wird sich sicherlich tief in das kollektive Gedächtnis nicht nur der Ukrainerinnen und Ukrainer, sondern von uns allen, den Europäerinnen und Europäern, einbrennen. Aber vergessen wir nicht: Butscha steht nicht für sich allein. Butscha hat eine Vorgeschichte. Es ist Aleppo, es ist Grosny, es sind viele andere Orte, wo Putin mit aller Brutalität gezeigt hat, wozu er bereit und imstande ist, um seine Interessen knallhart entmenschlicht durchzusetzen. Wir erleben derzeit auch in der Ukraine an viel zu vielen Orten, dass tagtäglich Zivilistinnen und Zivilisten einen furchtbaren Tod sterben. Aber dieser Angriffskrieg auf die Ukraine war von Anfang an verbrecherisch, frevelhaft, verwerflich und grausam.

(Beifall der Abg. Linda Teuteberg [FDP])

Es ist sehr bitter, dies sagen zu müssen: Es ist nicht nur Putins Krieg. Viele Russinnen und Russen unterstützen Putin – und das sagt er ja selbst so – in seinem Kampf um die Befreiung der Ukraine vom Faschismus. Wie furchtbar und wie schlimm muss das vor allem auch in unseren Ohren klingen! Das wird bittere Konsequenzen haben; denn niemand kann sich darauf einstellen, dass dieses furchtbare Regime unter Führung von Putin so schnell aus den Angeln gehoben werden wird. Wir werden uns vermutlich noch auf absehbare Zeit mit diesem Regime auseinanderzusetzen haben, und es wird darum gehen, ob die Europäische Union, die Demokratien, die liberalen Gesellschaften diese Macht einzuhegen in der Lage sind.

Über die Zukunft Europas wird in diesen Tagen, Wochen und Monaten nicht in Berlin, nicht in Paris, nicht in Rom, nicht in Stockholm, sondern in Mariupol, in Charkiw und in Butscha entschieden. Wenn Russland diesen furchtbaren Krieg gewinnen sollte, dann drohen weitere militärische Konflikte: in Moldau, in Georgien, möglicherweise auch in anderen Staaten des östlichen Europas. Das zieht sich bis in den westlichen Balkan, wo wir derzeit Sezessionsbestrebungen in Bosnien-Herzegowina erleben, die aktiv und völlig unmoralisch, kalt und brutal von Putin unterstützt werden.

Frieden und Sicherheit in ganz Europa, auch unsere eigene Sicherheit in Deutschland, sind nur dann möglich, wenn die Ukraine frei und souverän bleibt. Putin hat diesen Krieg zwar moralisch, wirtschaftlich und politisch längst verloren, aber er muss und er wird ihn auch militärisch verlieren. Und das wird maßgeblich davon abhängen, wie wir die Ukraine in diesen dramatischen Zeiten unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Genau!)

Aus fast allen Fraktionen gehen derzeit Abgeordnete unserer Regierung auf die Nerven. Wir sind ungeduldig. Wir fragen uns tagtäglich, in jeder Stunde: Was können wir noch mehr tun? Wo müssen wir noch aktiver werden? Wo können wir noch mehr humanitäre Hilfe leisten? Wo können wir noch mehr für den Schutz der Ukrainerinnen und Ukrainer tun? Ja, wo können wir auch noch mehr militärische Unterstützung leisten? Dabei geht es um alle Waffen, die die Ukraine benötigt, die schnell und sicher geliefert werden können und die eben auch leicht bedienbar sind, damit sich die Ukraine zu verteidigen vermag. Jeden Tag, den die Ukraine länger frei und souverän bleibt, werden die Chancen für eine Lösung am Verhandlungstisch wahrscheinlicher. Nur aus einer Position der Stärke und der Wehrhaftigkeit heraus hat die Ukraine eine Chance, zu überleben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es mag ein schwacher Trost sein, aber ich will es trotzdem wenigstens einmal gesagt haben: Was uns gemeinsam gelungen ist, ist, dass die Europäische Union und die NATO geschlossen und entschlossen zusammenstehen. So viel Teamgeist hat es vermutlich schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten in diesem vereinten Europa nicht mehr gegeben. Machen wir etwas daraus!

Vor allem muss das jetzt auch für die weiteren Sanktionen gelten. Wir müssen uns auch hierbei fragen: Was können wir tun, um noch mehr Druck auf Russland, auf Putin, auf die Oligarchen auszuüben? Ich finde, es ist die Pflicht der Bundesregierung, alle Maßnahmen auf soziale, wirtschaftliche und politische Folgen hin zu überprüfen. Das wird uns bisweilen in ein furchtbares moralisches Dilemma bringen; aber es muss klar sein, dass wir am Ende zu weitreichenden Entscheidungen bereit sind. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes allerdings mitnehmen. Nur ein starkes Deutschland kann Europa bei dieser Bewährungsprobe helfen, und nur ein starkes Deutschland ist im Übrigen auch gut für die Ukraine.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Roth.

Denn nur so können wir die Solidarität ausüben, um die wir immer wieder gebeten werden. Wir sollten die ausgestreckte Hand der Ukrainerinnen und Ukrainer in größter Not annehmen. Das ist unsere Pflicht, und das ist unsere Schuldigkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die nächste Rednerin in der Debatte ist Patricia Lips, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535074
Wahlperiode 20
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha
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