Renata AltFDP - Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha
Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 6. März besetzten die russischen Truppen das Dorf Worsel, circa 50 Kilometer nordwestlich von Kiew. Sie warfen eine Nebelkerze in den Keller eines Gebäudes, in dem mehrere Zivilisten Schutz vor dem schweren Beschuss suchten. Als eine Frau und ein 14‑jähriges Mädchen aus dem Keller herauskamen, schossen die russischen Soldaten auf die beiden. Das Kind starb auf der Stelle, die Frau erlag ihren Verletzungen zwei Tage später. – Das ist nur einer von mehreren Dutzend Berichten von Augenzeugen, die Human Rights Watch inzwischen in der Ukraine sammeln konnte.
Meine Damen und Herren, die Bilder aus Butscha und anderen Vororten von Chernihiv, Charkiw und Kiew sind eine Zäsur. Nach dem, was dort passiert ist, wird es kein Zurück mehr zum business as usual mit Putins Russland geben.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Kriegsverbrechen der russischen Armee müssen geahndet werden. Wir haben weggeschaut, als Grosny dem Erdboden gleichgemacht wurde. Wir haben weggeschaut, als Zivilisten im syrischen Ost-Ghuta massakriert wurden. Viel schlimmer noch: Ab dem ersten Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine gab es Berichte von Kriegsverbrechen, von zerstörter ziviler Infrastruktur, von beschossenen humanitären Konvois, vom Bombardement der Geburtsklinik in Mariupol. Nach Butscha muss entschlossen gehandelt werden. Wir müssen jetzt eine totale wirtschaftliche Isolation Russlands anstreben.
Es geht aber nicht nur darum, den Druck auf das russische Regime zu erhöhen. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Verbrechen, die schon jetzt von Menschenrechtlern genannt werden, umfassen Vergewaltigungen, willkürliche Hinrichtungen, Gewalt gegen Zivilisten, Plünderungen und Folter. Je mehr ukrainische Orte befreit werden, desto mehr Bilder wie die aus Butscha sind leider zu erwarten. Russische Entscheidungsträger und Offiziere, die diese Gräueltaten zugelassen oder angeordnet haben, haben das Kriegsrecht mit Füßen getreten. Sie haben das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen, aber auch das internationale Besatzungsrecht aufs Gröbste verletzt.
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für diese Gräueltaten erfordert Beweise, die den Standards von fairen Gerichtsverfahren standhalten. Die Ukraine kann zu einem Wendepunkt in der Dokumentation von Kriegsverbrechen werden. Es gibt kaum einen Krieg, bei dem Beweise von Kriegsverbrechen so früh gesammelt und so genau dokumentiert wurden. Die mutigen ukrainischen Beamten und lokalen zivilgesellschaftlichen Gruppen, die in belagerten Städten und Ortschaften tätig sind, riskieren ihr Leben, um diesen Krieg jetzt zu dokumentieren. Sie haben Menschenrechtsorganisationen und Open-Source-Forscher an ihrer Seite. Ihnen allen gebührt unser größter Respekt.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Uns allen muss klar sein: Jede Journalistin, jeder Kameramann vor Ort riskiert sein Leben. Unsere Aufgabe ist jetzt, beim Festhalten der Beweise zu helfen. Deutschland sollte die Kommissionen und NGOs beim Sammeln der Daten unterstützen. Den Open-Source- und Digitalforensikern müssen wir Plattformen geben, damit sie bei den Untersuchungen ihre Erfahrungen aus früheren Konflikten austauschen können. Internationale Ermittler müssen darin geschult werden, wie Open-Source-Beweise eingesetzt werden können. Technische Ausrüstung, Satellitenbilder, digitale Infrastruktur – wir müssen helfen, wo es nur geht.
Meine Damen und Herren, Butscha ist ein Wendepunkt. Jetzt müssen wir parallel zu allen Sanktionen, zu jeglichem Druck, alles dafür tun, dass russische Soldaten bald vor nationalen und internationalen Gerichten stehen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich erteile das Wort Michelle Müntefering, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535077 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha |