06.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 27 / Zusatzpunkt 1

Michelle MünteferingSPD - Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Eltern wollten schon immer ein Haus kaufen in Butscha, weil es so nah dran ist an Kiew, man mit dem Auto in die Hauptstadt pendeln kann wie viele Diplomaten und manche Abgeordnete, Butscha, unser Tor in die Hauptstadt, es war eine schöne Stadt, erzählte mir gestern eine junge Ukrainerin. Das Leid, den Schrecken, all das kann sie kaum fassen. Sie sieht die Bilder von Herne aus, meiner Heimatstadt im Ruhrgebiet, wo sie einen sicheren Ort gefunden hat. Der Preis dafür: alleine gehen, die Familie dem Schicksal überlassen. Das Schicksal ist die russische Aggression, Putins völkerrechtswidriger Krieg. Es ist richtig, dass heute angesichts der Ereignisse der letzten Tage noch einmal ganz deutlich wird: Wir hier stehen an der Seite der Ukraine.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Krieg bringt Tod, er kennt keine Gewinner. Krieg ist das Unmenschlichste, das Menschen geschaffen haben. Trotz aller Bemühungen, ihn Regeln zu unterwerfen, in Völkerrecht, Kriegsrecht einzubetten, ihn zu erklären, zu zügeln, zu bändigen, ihn in Grenzen zu halten, ihn auf militärische Kräfte zu beschränken: Sein Schrecken bleibt. In Butscha sehen wir auf grausamste Art und Weise, was Kriege niemals dürfen: Vergehen an Frauen, Kindern, Alten, Kranken – gefangen, gefoltert, vergewaltigt, getötet. Sie gehören zur Zivilgesellschaft. Präsident Putin, verbieten Sie Ihren Soldaten diese Gräueltaten klar und öffentlich noch heute! Lassen Sie Waffen schweigen, beenden Sie den Krieg, ziehen Sie alle Ihre Truppen aus der Ukraine ab! Wenn Sie kein Mitleid aufbringen können, dann haben Sie vielleicht ein letztes bisschen Ehrgefühl, nicht unter den schlimmsten Verbrechern der Menschheit in die Geschichtsbücher einzugehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns gilt: Wir müssen noch mehr tun. Denn wer nach Butscha schaut, muss auch in andere Städte schauen, nach Irpin oder Hostomel, Städte, in denen früher viele Menschen lebten, die in Kiew arbeiteten. Viele Städte und ihre Bewohner im Nordwesten von Kiew haben unter den Verbrechen der russischen Armee gelitten, die auf ihrem Weg eine Spur der Verwüstung hinterlässt. Human Rights Watch warnt, dass es ähnliche Gewaltexzesse in anderen Städten gibt. Die Gräueltaten müssen aufgeklärt werden; sie brauchen eine klare Antwort.

Ich bin unserem Bundeskanzler Olaf Scholz, der übrigens heute hier ist und sich erklärt hat und uns zuhört,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

dankbar, dass er deutlich gemacht hat: Wir schauen nicht tatenlos zu, wir helfen. – Es ist richtig, dass die EU weitere Sanktionen verhängen will und dass Angehörige der russischen Botschaft, die bei uns gegen uns gearbeitet haben, zu unerwünschten Personen erklärt worden sind. Es braucht aber mehr – einiges ist angesprochen worden –: Internationale Organisationen brauchen Zugang zu den entsprechenden Gebieten, um die Gräueltaten unabhängig zu dokumentieren. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Bundesregierung sollte auch den Internationalen Strafgerichtshof finanziell stärken. Wir müssen in der EU eigene Kapazitäten schaffen, um zu helfen, diese Verbrechen aufzuklären. Die Oligarchen müssen auf allen Wegen, die es ihnen ermöglichen, die Sanktionen zu umgehen – über Scheinfirmen und Ähnliches –, gestoppt werden. Und wir müssen europäisch koordinieren, wie wir aus den russischen Energieimporten aussteigen. Wir müssen weg von russischer Energie aus Kohle, Öl und Gas. Das gelingt nur stufenweise; aber wir müssen unabhängig werden, so schnell es irgend geht.

Nicht zuletzt muss sich die Ukraine wehren und verteidigen können. Ich habe in der Geheimschutzstelle in die Listen der Waffenlieferungen Einsicht genommen, und ich kann sagen: Das ist eine deutliche Entwicklung in den letzten Wochen, echte Unterstützung. Das ist gut, und das ist richtig. Danke dafür!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich würde mir wünschen, dass eine Übersicht weiterer Hilfsleistungen aus anderen Häusern für die Abgeordneten in voller Transparenz koordiniert zur Verfügung gestellt werden; denn das brauchen wir auch als Grundlage für unsere Diskussion hier.

Klar ist: Die Ukraine braucht für ihre Verteidigung weitere Waffenlieferungen, Waffen, die schnell verfügbar, schnell einsetzbar sind. Wir werden uns jetzt mit unseren Partnern darauf einstellen müssen, der Ukraine nicht nur den Arm, sondern auch den Rücken zu stärken. Die Ukraine braucht unsere Solidarität, aber in Zukunft auch alle Kraft zur Selbstverteidigung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat Thomas Erndl, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535078
Wahlperiode 20
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Massaker der russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten in Butscha
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta