Jens BeeckFDP - Vereinbarte Debatte zum 30. Jahrestag des Kriegsbeginns in Bosnien-Herzegowina
Hochverehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Exzellenz, schön, dass Sie heute bei uns sind! Ich hoffe, Sie nehmen aus dieser Debatte mit, dass wir uns hier sehr ernsthaft mit Ihrer Geschichte, aber auch mit Ihren aktuellen Herausforderungen befassen, und dass Sie Deutschland weiterhin an Ihrer Seite wissen auf dem Weg in unsere Gemeinschaft.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Allein dass sich in dieser Woche zum 30. Mal der Beginn des Bosnien-Krieges jährt, ist, zusammen mit dem Gedenken an das Massaker von Srebrenica, hinreichender Anlass für diese Debatte. Allerdings kommt man in diesen Tagen – der Kollege Beyer hat auch schon darauf hingewiesen – nicht umhin, Parallelen zu den aktuellen Ereignissen und zu dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt hier im Plenum zu ziehen, Parallelen zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.
Auch das ist schon genannt worden: Vor zwei Wochen ist der Botschafter Russlands in Bosnien-Herzegowina gefragt worden, ob denn Bosnien-Herzegowina sich eigentlich der NATO oder der EU anschließen könne, und die Antwort war: Ja, das entscheide jeder für sich selbst; aber wie wir reagieren könnten, sehe man im Grunde derzeit. – Das ist, Herr Kollege Beyer, natürlich eine Drohung gegen die Menschen in Bosnien-Herzegowina. Es ist auch eine Drohung gegen unsere westliche Weltordnung und gegen die Eigenständigkeit und Souveränität jedes Staates. Dem werden wir uns mit aller Härte entgegenstellen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir beobachten diese dreisten und unverhohlenen Methoden Russlands auf dem Balkan schon länger. Wir wissen um die Verwicklung Russlands 2018 beim Namensreferendum in Nordmazedonien; wir wissen um Verwicklungen beim Putschversuch in Montenegro 2016. Wir werden dies auch in der aktuellen Situation nicht länger hinnehmen, sondern dem aktiv entgegenarbeiten.
Bosnien-Herzegowina hat eine glaubhafte Perspektive in der Europäischen Union und auch in der NATO verdient, setzt wichtige Voraussetzungen des Membership Action Plan um und hat auch bei Defender Europe 2021 gerade erst bewiesen, dass die Zusammenarbeit mit der NATO hervorragend funktioniert. Es geht Russland vor allem darum, die EU-Integration zu verhindern. Aber diese Aktionen werden den Weg Bosnien-Herzegowinas in die europäische Gemeinschaft nur verzögern, sie werden sie nicht aufhalten können; dafür werden wir hier in diesem Hause nach unseren Kräften mit sorgen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist im Übrigen auch das richtige Ziel für die Menschen in Ihrem Land, Frau Botschafterin; denn – das muss man in diesen Zeiten immer wieder unterstreichen – sie streben zu Recht nach Souveränität, nach Freiheit, nach Menschenrechten, nach Demokratie. Das – das Glück für den Einzelnen in einem souveränen Staat – ist genau das, was Putin nicht bieten kann. Er kann immer nur Vorteile für einzelne Autokraten bieten. Leider – das ist angesprochen worden – ist mit Milorad Dodik auch in Ihrem aktuellen Dreier-Präsidialgremium ein solcher vorhanden. Wir stehen an Ihrer Seite, nicht an seiner, um das auch deutlich zu sagen. Wenn dieser Herr Dodik gegenüber unserer Außenministerin Baerbock bei den angesprochenen Besuchen behauptet, dass er an der Sezession des Landes nicht arbeite, gleichzeitig aber illegale Strukturen aufbaut, dann bin ich Ihnen, Frau Schulze, sehr dankbar, dass Sie daraus die richtigen Konsequenzen ziehen und dass Sie sehr deutlich machen, an welcher Stelle die Bundesregierung, an welcher Stelle Deutschland seine Prioritäten setzt: dass wir diejenigen unterstützen, die für Menschenrechte, für Zusammenarbeit, für freiheitliche Werte und Demokratie stehen, und dass diejenigen – das gehört dann auch dazu –, die sich davon abwenden, unsere Unterstützung – jedenfalls in dem Maße wie früher – nicht mehr bekommen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die westliche Staatengemeinschaft – mehr noch: die große Gemeinschaft derjenigen, die für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in der Welt auf der Basis von Respekt und Zusammenarbeit einstehen – auf der Basis der regelbasierten Ordnung der Vereinten Nationen, der auch wir uns verschrieben haben, darf sich nicht ausbremsen lassen von diesen einzelnen Aktionen, die allerdings in der Welt immer stärker um sich greifen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, in diesen Zeiten diejenigen zusammenzuführen, die unsere Werte teilen, die unsere außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen ebenfalls teilen, und sich auch denen entgegenzustellen, die das ausdrücklich nicht tun; das ist die Kehrseite der Medaille.
Als internationale Gemeinschaft müssen wir – das hat Christian Schmidt in seinem Brief an uns alle deutlich gemacht – Bosnien-Herzegowina weiter unterstützen. Es ist noch ein Stück Weg zu gehen. Und wir müssen auch den Hohen Repräsentanten selbst bei seinen Aufgaben so handfest unterstützen, wie er sich das wünscht. Aber wir sind uns, glaube ich, in diesem Hause einig darin, dass wir das tun wollen, und ich bin davon überzeugt: Das ist der richtige Weg für unser Handeln auf dem Balkan, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, mit der wir vielfältige Wurzeln haben. Wir stehen an der Seite der Menschen in Bosnien-Herzegowina, weil sie das wollen und weil wir auch wollen, dass sie zu uns kommen. Auf diesem Weg werden wir gemeinsam weiterarbeiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der nächste Redner ist Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535088 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum 30. Jahrestag des Kriegsbeginns in Bosnien-Herzegowina |