06.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 3

Jasmina HostertSPD - Vereinbarte Debatte zum 30. Jahrestag des Kriegsbeginns in Bosnien-Herzegowina

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich weiß, dass sehr viele von ihnen zuschauen, sage ich heute auch: Liebe Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina! Dragi gradjani Bosne i Hercegovine! Es ist der 6. April 1992. Ich bin zu Hause in Sarajevo mit meinem Vater und meiner Oma. Es ist der Tag, an dem ein grausamer, nicht vorstellbarer Krieg in meiner Heimatstadt und in meinem Heimatland beginnt. Dieser 6. April vor 30 Jahren steht für eine Zeitenwende für mich persönlich, aber auch für alle Bosnierinnen und Bosnier. Vor 30 Jahren wurde Sarajevo eingekesselt. Vor 30 Jahren habe ich im Alter von neun Jahren meinen Arm durch einen Granatenangriff verloren. Ich habe mein geliebtes Zuhause und meine unbeschwerte Kindheit verloren.

Die Gelegenheit, heute hier dazu zu sprechen, ist eine sehr besondere für mich, Privileg und Verantwortung zugleich. Ich möchte sie nutzen, um ein Signal zu senden: Sicherheit und Stabilität in Bosnien und Herzegowina müssen bewahrt werden. Wir müssen jetzt unseren Blick auf dieses Land werfen und nicht erst dann, wenn es wieder zu spät ist!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Nicht erst seit dem Ukrainekrieg ist die Situation in meiner ersten Heimat angespannt; aber der Krieg in Europa verschärft die Lage. Und der Krieg in der Ukraine zeigt, wie schnell Tatsachen geschaffen werden: Wenn der erste Schuss fällt, hört der Krieg nicht so schnell wieder auf.

Die Bilder aus der Ukraine erinnern mich an meine eigenen Kriegserfahrungen: an die Angst, wenn Granaten fielen; an die Nächte, die wir in den Kellern verbrachten; an die Nahrungs- und Wasserknappheit, an zerstörte Fassaden, an verletzte Menschen. Nichts ist abscheulicher und brutaler als ein Krieg, und wir müssen alles dafür tun, dieses unermessliche Leid in der Ukraine zu beenden und Putins Krieg zu stoppen!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für ein friedliches Bosnien und Herzegowina brauchen wir gefestigte demokratische Strukturen. Eins möchte ich ganz klar sagen: Wir stellen uns entschieden gegen diejenigen, die die Integrität und Souveränität von Bosnien und Herzegowina infrage stellen und mit Abspaltungen drohen. Wir sehen euch, und wir beobachten die Lage sehr genau! Allen Nationalisten und Populisten muss klar sein, dass Sanktionen sie hart treffen können und wir bereit sind, diese einzusetzen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bosnien braucht auch endlich eine EU-Perspektive. Wir müssen ein klares Signal senden: Bosnien und Herzegowina, aber auch die ganze Region gehören zu uns, zu Europa! Viele Menschen setzen ihre Hoffnung in die EU. Europa ist nach wie vor der Leuchtturm für den Westbalkan.

Ich erinnere mich an meine Erlebnisse und sehe, wie heute in der Ukraine Mariupol und andere Städte eingekesselt werden; ich sehe, wie Erwachsene und auch Kinder schwer verletzt oder getötet werden. Ich sehe, wie Kriegsverbrechen begangen, Menschen einfach ausgelöscht werden – in Butscha heute genauso wie in Prijedor oder Srebrenica vor 30 Jahren. Wir müssen alles dafür tun, dass es auf dem Westbalkan keinen neuen Krieg gibt. Ich möchte, dass nie wieder ein Kind seinen Arm, seine Heimat oder seine Kindheit verlieren muss.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Dafür müssen Deutschland und die EU einstehen, mit einer starken Präsenz und einer starken Perspektive. Aber dafür müsst auch ihr, liebe Bosnierinnen und Bosnier, einstehen. Ihr habt es auch in der Hand! Lasst es nicht zu, dass euch Nationalisten in Bosniaken, Kroaten und Serben spalten. Schafft Perspektiven für eure Jugend, die massenweise das Land verlässt. Wählt progressive Parteien, die die Gesellschaft verbinden. Erhebt eure Stimme, und bringt euer Land, dieses wunderschöne Bosnien und Herzegowina, voran! Ihr könnt dabei auf unsere Unterstützung zählen. Racunajte na nas!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Hostert, dass Sie uns an Ihrem persönlichen Schicksal haben teilnehmen lassen. Ich habe gemerkt, dass die breite Mitte des Hauses dies goutiert hat. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Der nächste Redner in der Debatte ist Michael Brand, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535097
Wahlperiode 20
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum 30. Jahrestag des Kriegsbeginns in Bosnien-Herzegowina
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