Hermann-Josef TebrokeCDU/CSU - Steuerliche Entlastung für Bürger und Mittelstand
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Ausgangssituation: Wir befinden uns in Deutschland aktuell auch wirtschaftlich in einer sehr herausfordernden Lage. Die Coronakrise hat uns härter und länger erfasst, als viele das anfangs erwartet hatten. Im internationalen Vergleich allerdings hat Deutschland die Krise gleichwohl gut gemeistert; da stimme ich also einigen Vorrednern ausdrücklich nicht zu. Entsprechend günstig waren die Prognosen für die deutsche Wirtschaft zum Jahresende 2021. Der seinerzeit zu verzeichnende Preisanstieg war noch vergleichsweise gering und insbesondere auf Nachholeffekte auch auf dem Energiemarkt zurückzuführen.
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen allerdings erheblich verschlechtert, erkennbar auch an deutlichen Preissteigerungen. Nach vielen, vielen Jahren – allen Unkenrufen zum Trotz – mit niedrigen Inflationsraten von 1 bis 2 Prozent ist die Inflation in den letzten Monaten auf durchschnittlich 5 Prozent gestiegen, im März auf 7,3 Prozent, und wir befürchten, dass das Ende der Fahnenstange längst nicht erreicht ist. Das ist ein deutlicher Anstieg. Die Ursachen müssen wir im Einzelnen sorgfältig analysieren und – da stimme ich meinem Vorredner Herrn Zorn ausdrücklich zu – darauf die Maßnahmen basieren.
Ein wichtiger Punkt an dieser Stelle: Ein entscheidender Preistreiber ist sicherlich die Entwicklung an den Energiemärkten. Die Preise für Energieprodukte und auch für Kraftstoffe haben im Euroraum um etwa 40 Prozent zugelegt und Agrarprodukte in der Folge um 20 Prozent.
Auf der einen Seite werden einzelne Hersteller, auch Vermögende, möglicherweise von der Preissteigerung profitieren. Wo dies durch unzulässige Preisabsprachen oder andere unzulässige Methoden geschieht, ist dem mit Nachdruck, aber mit geeigneten Mitteln zu begegnen, Herr Gottschalk.
Auf der anderen Seite ergeben sich je nach Gewicht des individuellen Warenkorbes für viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen ganz unterschiedliche, zum Teil erhebliche, manchmal sogar existenzbedrohliche Belastungen aus dieser Inflation. Da – und da stimme ich auch dem mutmaßlichen Anliegen der Antragsteller zu – muss Politik handeln, aber zielgerichtet und effizient, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
So sehen wir auf der einen Seite völlig überzogene, unwirksame oder möglicherweise widerrechtliche Vorschläge, etwa wenn der Finanzminister zu einem Rechtsbruch durch eine unzulässige Aussetzung von Umsatzsteuer aufgefordert wird, mit der Rechtfertigung, dass ein anderer – etwa ein polnischer Finanzminister – das ja auch so mache. Hauptsache, es wird der Eindruck erweckt, die tun oder die fordern irgendetwas, egal wie sinnvoll und zulässig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auf der anderen Seite sehen wir Vorschläge, etwa der Ampelparteien, bei denen man noch nicht ganz sicher ist, ob der Ernst der Lage erkannt wird, wann denn die Instrumente, die angekündigt werden, endlich eingesetzt werden und ob die Wirkung der Instrumente tatsächlich zu Ende gedacht wird. Ich möchte nur auf die Idee einer Energiepreispauschale verweisen, die Rentnern, die steuerpflichtig sind, zugutekommt, aber den Rentnern, die weniger Geld haben und keine Steuern zahlen, nicht. Hier ist die Ampel sicherlich noch in Erklärungsnot. Wir haben als Union eine Große Anfrage vorbereitet, weil wir zu diesen und anderen Maßnahmen einiges zu klären haben.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spaniel aus der AfD-Fraktion?
Ja.
Vielen Dank, dass Sie das zulassen, Herr Kollege. – Sie fordern ja selber eine Spritpreissenkung um – ich zitiere – 40 Cent pro Liter. Sie haben hier mit den Methoden, die Sie vorschlagen, allerdings nicht aufzeigen können – oder wir haben es bisher noch nicht gehört –, wie Sie diese 40 Cent pro Liter realisieren wollen. Denn über die Energiesteuersenkung – und das wissen Sie sehr wohl – können Sie, wenn Sie das EU-rechtskonform machen, eben gerade nicht diese 40 Cent erreichen.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Ach! Auf einmal? – Tim Klüssendorf [SPD]: Seit wann redet ihr über EU-Recht?)
An dieser Stelle haben wir eben, wie gesagt, den Vorschlag aufgegriffen, den die Polen da gemacht haben, nämlich bei der Mehrwertsteuer eine temporäre Senkung vorzunehmen. Dass das eigentlich auch nicht zulässig ist, ist uns sehr wohl bekannt. Das sollte Ihnen aber auch bekannt sein.
Das Gleiche trifft ja auf die Energiesteuer zu, die Sie an dieser Stelle um 14 Cent reduzieren wollen. Wir wissen nicht, wo Sie Ihre 40 Cent herkriegen wollen. Das heißt, Sie kritisieren hier unseren Vorschlag, haben aber selber keine Lösung. Wie sieht die denn aus?
Vielen Dank, Herr Kollege, für die Rückfrage. – Wenn Sie unsere Anträge sehr sorgfältig gelesen haben – deswegen haben Sie sicherlich auch diese Frage gestellt –, haben Sie auch vernommen, dass wir von 40 Eurocent als Zielmarke sprechen und eine zulässige Absenkung der Energiesteuer und eine Reduzierung der Umsatzsteuer mit einbeziehen, vorausgesetzt, dass die EU-rechtlichen Vorgaben entsprechend geändert worden sind. Das ist ein entscheidender Punkt. Im Übrigen haben wir über eine Reduzierung auf den ermäßigten Steuersatz abgestellt. Sie dagegen, wenn ich Ihren Antrag richtig gelesen habe, wollen die Umsatzsteuer komplett aussetzen, ohne Bezugnahme auf eine Energiesteuerrichtlinie oder andere Bedingungen im EU-Rechtsrahmen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beides unzulässig!)
Wenn Sie, meine Damen und Herren, lieber Kollege, unsere Anträge genauer anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir schon lange das Thema sehr ernst genommen und uns beeilt haben, viele Anträge diesbezüglich zu stellen. Ich weise auf den Antrag aus dem Februar 2022 „Explosion bei den Energiepreisen bekämpfen“ oder den Antrag aus dem März 2022 „Für eine sichere, bezahlbare und souveräne Energieversorgung“ hin. Da werden Sie diese Ausführungen, die ich aus der Erinnerung zitiert habe, nachlesen können. Das gilt auch für den Antrag „Alleinerziehende in der aktuellen hohen Inflation nicht allein lassen“, den wir vorhin beraten haben.
Wir setzen bei den Ursachen der Preissteigerungen an und fordern deswegen eine Diversifizierung der Energieversorgung, Souveränität bei der Energieversorgung und den Ausbau der Kapazitäten der Erneuerbaren.
(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können Sie ja mithelfen! In NRW zum Beispiel!)
Wir zeigen auch auf, wie die Kostenexplosion bei den Energiepreisen abgefedert werden kann, etwa durch die Abschaffung der EEG-Umlage, die Erhöhung der Fernpendlerpauschale oder die Anpassung des Steuertarifs an die Inflation.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Ja, gerne!)
Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass die Ampelkoalition diese Vorschläge mittlerweile aufgegriffen hat. Viele andere finden Sie in diesen und anderen Anträgen, die wir wiederholt zur Beratung gestellt haben. Gerne kommen wir auf diese Vorschläge im Zuge der Beratung anderer Anträge zurück.
Meine Damen und Herren, Inflation ist normal und in Maßen auch gewünscht. Dann aber, wenn sie – wie aktuell – in einzelnen Bereichen zu hoch ausfällt und einzelne Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen zu sehr belastet, eventuell sogar existenzbedrohend wird, dann müssen wir als Politik handeln. Das tun wir. Wir haben viele konkrete Vorschläge unterbreitet. Wir sind gern bereit, mit Ihnen über unsere Vorschläge, aber auch über jeden anderen Vorschlag zu debattieren, wenn er gut und rechtlich zulässig ist. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nyke Slawik, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535116 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Steuerliche Entlastung für Bürger und Mittelstand |