06.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 5

Klaus WienerCDU/CSU - Steuerliche Entlastung für Bürger und Mittelstand

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Gottschalk, zu Beginn kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen: Sie sagten, dass Sie seit neun Jahren Inflation prognostizieren. Das erinnert mich an die goldene Regel aller Prognostiker: Sie nennen eine Größe oder einen Zeitpunkt, nie beides; irgendwann haben sie dann automatisch recht. – So ist es dann jetzt wohl gekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt aber zum eigentlichen Thema. Wir haben es hier mit einer Reihe von Anträgen zu tun, in denen es eigentlich um Inflation und um Entlastung geht. Steuerliche Entlastungen sehe ich grundsätzlich eigentlich sehr positiv; denn unsere Staatsquote ist mit 50 Prozent viel zu hoch.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Ah! Wer hat es gemacht?)

Gleiches gilt für die Belastung gerade der mittleren Einkommen durch Steuern und Abgaben. Sie alle kennen den Steuerkeil. Nach Belgien sind wir das Land, das im ganzen OECD-Bereich am zweithöchsten besteuert.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Gute Bilanz!)

Wenn ich die Pläne der Ampel sehe – wenn ich das hier mal sagen darf – und den Koalitionsvertrag lese, habe ich auch keine Hoffnung, dass sich daran bald irgendwas zum Besseren ändern wird.

Richtig ist auch: Das Entlastungspaket der Regierung hat viele Unzulänglichkeiten. Entlastungen für das verarbeitende Gewerbe? Fehlanzeige. Die Energiepauschale ist ein bürokratisches Monster, und sie unterliegt der Einkommensteuer. Der Familienbonus in Höhe von 100 Euro pro Kind wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet.

(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sozial ausgewogen!)

Damit macht die Ampel übrigens viele Kinder zu Kindern zweiter Klasse, weil ihre Eltern weniger von diesem Bonus haben werden.

(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! Ehrlich!)

Und schließlich: Das Programm ist auch nur auf drei Monate angelegt. Ich glaube, niemand hier geht davon aus, dass in drei Monaten die Situation entspannt ist. Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon, was wir hier vor uns haben.

Dennoch: Die vorliegenden Anträge der AfD weisen in die falsche Richtung, und zwar aus mehreren Gründen. Die Neuverschuldung in Deutschland ist bereits extrem hoch. In diesem Jahr sind es 250 Milliarden Euro neue Schulden. Das sind 250 000 Millionen Euro, um das noch mal plastischer zu machen. Da müssen wir auch aufpassen, denke ich, dass die Tragfähigkeit der Staatsschulden erhalten bleibt, gerade in einer Situation wie dieser, in der wir erleben, dass die Zinsen steigen, und zwar nicht durch die EZB – leider, muss man sagen –, sondern die Kapitalmarktzinsen im Zehnjahressegment. Das ist jetzt fast 1 Prozentpunkt mehr, und ich glaube, das ist nicht das Ende der Fahnenstange.

Was ist stattdessen erforderlich? Wir brauchen passgenaue Entlastungen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Gewerbepreis für Diesel oder mit einem Industriestromtarif? Das frage ich bewusst auch die Bundesregierung. Deutsche Unternehmen sind im internationalen Wettbewerb benachteiligt, und in der aktuellen Situation lässt die Ampel sie komplett im Regen stehen. Wir brauchen passgenaue Entlastungen. Die Zeit des finanzpolitischen „Wumms“ – so hat es ja mal der ehemalige Finanzminister genannt – ist auf jeden Fall vorbei, wenn es diese Zeit überhaupt jemals gegeben hat. Fiskalpolitik mit der Gießkanne ist immer falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gilt übrigens auch für die Forderung der AfD, den Dieselpreis pauschal um 1 Euro zu senken. Das ist weit über alles hinaus, was man sich erlauben kann.

Was Ihren Gesetzentwurf zu den Wettbewerbsbeschränkungen angeht, nur so viel: Es ist richtig, zum Funktionieren einer Marktwirtschaft gehört möglichst vollständiger Wettbewerb. Dazu gehört auch Markttransparenz. Daraus abzuleiten, dass es zu Preisabsprachen kommt, weist allerdings in die Irre. Vielleicht müssen wir einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass der Benzinpreis vor allem wegen der geopolitischen Lage so hoch ist und auch wegen des sehr schwachen Euro. Stünde der noch da, wo er 2008 war, dann wäre der Ölpreis in Euro gerechnet um ein Drittel niedriger.

Abschließend ein paar weitere Beobachtungen zu Ihren Anträgen. Sie wollen die CO2-Abgabe komplett abschaffen. Das wäre falsch. Ich sage Ihnen, dass der auf Prinzipien der Marktwirtschaft beruhende Emissionszertifikatehandel genau das richtige Instrument ist, um den Klimawandel zu bekämpfen. Sie sprechen in Ihrem Antrag auch – und hier zitiere ich – von den „schweren ökonomischen Verfehlungen“ der letzten Jahre. Diese Auffassung teile ich schon gar nicht, sonst wäre Deutschland wohl kaum vom kranken Mann Europas im Jahr 2005 zur stärksten Volkswirtschaft Europas avanciert. Was allerdings jetzt nach 2021 passiert, das werden wir sehen.

Und vor allem: Wohlstand entsteht nicht dadurch, dass wir – hier zitiere ich wieder aus Ihrem Antrag – jederzeit einfach verfügbare und kostengünstige Energie für jedermann haben. Energie ist eine knappe Ressource. Das war auch vor dem Russland- und Ukrainekrieg schon so. Stattdessen entsteht Wohlstand, wenn wir es schaffen, mit knappen Ressourcen effizient umzugehen. So wird da ein Schuh draus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unterm Strich: Man merkt an Ihren Anträgen, dass es Ihnen weniger um die Sache geht. Vielmehr nutzen Sie den Inflationsschub, den wir leider erleben, um Ihre ganz grundsätzliche Ablehnung der Wirtschafts- und Klimapolitik der letzten Jahre zu Papier zu bringen. Und da gehen wir nicht mit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wiener. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Sebastian Schäfer, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535121
Wahlperiode 20
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Steuerliche Entlastung für Bürger und Mittelstand
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