Andrew UllmannFDP - Impfpflicht gegen SARS-CoV-2
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel unseres Gesetzentwurfes ist ganz klar: Wir wollen Vorsorge treffen. Wir wollen keinen dritten Coronawinter erleben, wie wir ihn letztes und vorletztes Jahr erlebt haben. Wir wollen endlich frei sein, wobei wir auch unser Gesundheitssystem schützen. Lieber Wolfgang, es geht hier nicht um Selbstschutz, sondern um Fremdschutz. Wir wollen unser Gesundheitssystem vor Überlastungen schützen. Das funktioniert nur mit einer guten Immunisierung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, wir stehen vor einem Entscheidungsdilemma. Eine Vorhersage, wie die Welle im Winter aussehen wird, können wir seriös nicht treffen. Wir wissen: Die Welle kommt. Aber die Qualität dieser Welle kennen wir nicht.
(Zuruf von der AfD: Dann können wir es lassen!)
Das ist ähnlich wie bei einer Wettervorhersage. Aber dass sie kommen wird, ist klar. Wir brauchen auch bessere Datengrundlagen, keine Frage. Diese werden wir auch bekommen. Wir werden uns darüber entsprechend berichten lassen. Aber was sollen wir jetzt machen, um den nächsten Winter nicht in einer Katastrophe enden zu lassen? Sollen wir nichts machen? Stand der Dinge heute ist das sicherlich eine Möglichkeit. Das wäre aber ein Pokerspiel. Wir haben es letztes Jahr bereits erlebt. Nichts zu machen, hat dazu geführt, dass wir wieder einen Coronawinter hatten, und den wollen wir nicht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir wollen auch nicht aus dem Bauch heraus irgendeine Entscheidung treffen, weil es sich gut anfühlt. Nein, wir wollen ein wissenschaftlich fundiertes Gegenmittel einbringen, und dieses Gegenmittel soll ganz klar bewirken, die Impflücke zu schließen; denn nur so kommen wir durch den nächsten Winter.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP])
Es stellt sich dann aber die Frage: Wie? Gut reden brachte bislang wenig. Impfpflicht, ja; dann müssen wir aber natürlich prüfen, inwieweit auch mildere Mittel möglich sind. Das ist eine professionelle ärztliche Aufklärung der Ungeimpften.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Aber Sie fordern das Gegenteil!)
Die Bürgerinnen und Bürger sind aufklärungswillig und auch vernünftig. So können wir unsere Impfquoten erhöhen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf aus unserer Gruppe hatte dies zum Inhalt. Aber wir waren die kleinste Gruppe. Wir hatten keine Mehrheit, und wir haben sie auch nicht. Wir haben wiederholt versucht, Kontakte herzustellen. Das hat leider nicht funktioniert. Aber die Mehrheit der Antragstellerinnen und Antragsteller unserer Gruppe wollte heute nicht mit leeren Händen dastehen. Wir waren kompromissbereit. Wir haben einen Kompromiss gesucht und sind auf die Gruppe der Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht zugegangen. Wir als Gruppe der Befürworter der Aufklärungspflicht haben einen Kompromiss gefunden. In Teilen ist er natürlich schmerzhaft, weil wir unsere Idee immer noch für die bessere halten. Aber wir können heute Nachmittag nicht ohne irgendetwas dastehen.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Dann stimmen Sie mit Nein! Es geht hier nicht um Gesichtswahrung!)
Deswegen möchte ich der Verhandlungsgruppe und auch den Kolleginnen und Kollegen unserer ursprünglichen Gruppe Danke sagen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Ullmann, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder ‑frage aus der AfD-Fraktion?
Das ist durchaus therapeutisch; dann kühlen sie sich runter. Ich lasse das mal zu.
Welcher Kollege von Ihnen beiden war es denn? – Sie haben das Wort.
Ich möchte Ihnen als 72‑Jähriger, der sich nicht hat impfen lassen und bis heute durch die sogenannte Pandemie gekommen ist, ohne groß irgendetwas zu haben, sagen: Ich hatte vor drei Wochen nicht für zwei, sondern für drei Tage diese Omikron-Variante, war dann wieder heile und konnte mich in Sachsen-Anhalt testen lassen, und die Sache war erledigt. Ich war nicht krank. Aber ich habe Leute gesehen, die nach der Impfung zitternd so dastanden, die wochenlang behandelt werden mussten. Nehmen Sie zur Kenntnis, wie viele Menschen es gibt, die vor dieser Impfung Angst haben, weil diese Impfung auch viele Menschen krank macht!
Es gibt Gutachten, die besagen, dass 0,4 Prozent der Leute, die geimpft werden – 0,4 Prozent! –, sogar mit dem Tode bedroht sind. Wie können Sie da überhaupt noch über eine allgemeine Impfpflicht, über einen solchen Grundrechtseingriff sprechen? Ich fordere Sie auf, davon Abstand zu nehmen und klipp und klar zu regeln, dass Deutschland ein freiheitliches Land ist, dass wir ein Rechtsstaat sind. Eine Krankenhausüberbelastung hat es überhaupt nicht gegeben.
Entschuldigen Sie bitte, dass ich so heftig werde; aber ich mache mir Sorgen. Die Impfung kann nämlich auch mich umbringen, wenn ich sie bekommen muss.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Ich werde mich auf keinen Fall impfen lassen. Das sage ich Ihnen. Da zahle ich lieber ein Bußgeld. Schluss, aus! Hören Sie auf damit! Lassen Sie die Menschen in Freiheit leben!
(Beifall bei der AfD – Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Aufstehen! Und lassen Sie die Maske auf! – Weiterer Zuruf von der SPD: Stammtischniveau!)
Kollege, bleiben Sie bitte stehen. – Danke.
Sie dürfen sich auch hinsetzen; denn Sie waren jetzt sehr erregt. Da ist das vielleicht besser.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, Sie haben einige wichtige Punkte eingebracht. Ich will mal konstruktiv an die Sache herangehen.
Sie haben Ihre eigene Beobachtung mit Ihrem Körper gemacht. So läuft klinische Wissenschaft leider nicht.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Ich freue mich für Sie, dass Sie in Ihrem Alter, mit 72, eine Covid-Infektion so gut überstanden haben. Wir wissen – das gibt auch die Wissenschaft her –: 80 Prozent der Menschen haben einen sehr milden Verlauf. Und das ist auch gut so.
Man spielt durchaus Roulette oder Poker, wenn es darum geht, sich impfen zu lassen oder nicht. Aber eine Sache muss man klar sagen: Wir haben jetzt keine allgemeine Impfpflicht in unserem Kompromiss stehen, sondern eine Impfpflicht ab 60 mit Scharfstellung ab Oktober.
(Thomas Seitz [AfD]: Lügner! Glatt gelogen! – Gegenruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP]: Der Kollege hat doch gefragt! Haben Sie doch mal ein bisschen Anstand!)
– Darf ich mal zu Ende sprechen? Ich habe ihn ja auch ausreden lassen.
(Zuruf von der SPD: Das fällt ihnen aber schwer!)
Somit haben Sie und auch wir die Möglichkeit, zu sagen: Wenn die Coronakrise so weiterläuft wie bisher – auch die WHO sagt ja, es könnte milder werden, wir könnten einen endemischen Verlauf haben –, dann setzen wir die Impfpflicht wieder aus. – Wir sind doch hier im Bundestag da, um darüber zu entscheiden. Das ist doch kein Problem. Wir können das jederzeit entscheiden. Aber wir müssen uns vorbereiten, damit dieser Winter nicht zur Katastrophe wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Einen Moment, ich bin noch nicht fertig. – Sie haben auch gesagt: Die Leute haben Angst vor der Impfung. – Das ist genau der Punkt. Die Leute, die Angst und Sorge vor der Impfung haben, nehme ich als Arzt sehr ernst. Sie müssen aufgeklärt werden, aber nicht durch irgendwelche Threema-Gruppen oder Facebook-Gruppen oder SMS, die man bekommt, oder durch Telegram-Gruppennachrichten von der AfD, sondern durch eine professionelle ärztliche Aufklärung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
So funktioniert Medizin, und so kommen wir hier auch weiter. Aber einfach zu behaupten, dass die Impfung unsere Freiheit zerstört, ist wirklich zu kurz gesprungen und ein bisschen blind.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
In der Menschheitsgeschichte war es bisher immer so: Eine Pandemie endet dann, wenn eine Bevölkerung immunisiert ist. Die Immunisierung war in der Menschheitsgeschichte immer mit Tod und Krankheit verbunden. Wir haben jetzt erstmalig in der Menschheitsgeschichte die Möglichkeit, mit einer Impfung diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Sie wissen, dass das nicht stimmt! Keine Herdenimmunität durch die Impfung! Sie wissen, dass das falsch ist!)
Aber Sie setzen auf Ihre Freiheit und sagen: Das ist meine Freiheit; ich halte nichts von gesellschaftlicher Verantwortung. – Wenn Sie von Freiheit sprechen, müssen Sie auch von qualitativer Freiheit sprechen, nicht von einer Sammlung irgendwelcher Freiheiten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU und des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])
In unserem Gesetzentwurf – und den biete ich jetzt an – steht tatsächlich die Aufklärungspflicht an erster Stelle. Ich bin sehr dankbar, dass die Gruppe uns da entgegengekommen ist. Die Impfpflicht sehen wir für die besonders vulnerablen Personen ab 60 Jahren vor, mit Scharfstellung im Oktober. Der Bundestag erhält regelmäßig wissenschaftliche Berichte über den Stand der Pandemie, global wie national, und hat somit auch die Möglichkeit der Aussetzung oder Erweiterung der Impfpflicht. Das ist Weitsicht. Mit Weitsicht kommen wir vor die Welle.
Liebe Unionskolleginnen und ‑kollegen, es gibt keine Blaupause in der Pandemiebekämpfung. Nur gemeinsam können wir diese Pandemie bekämpfen. Reißen Sie die Mauer des Parteistolzes ein, und lassen Sie Ihr Gewissen sprechen! Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot an Sie alle.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535140 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 28 |
Tagesordnungspunkt | Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 |