Sepp MüllerCDU/CSU - Impfpflicht gegen SARS-CoV-2
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele von uns eint das Ziel, dass wir im Herbst dieses Jahres keine Überlastung des Gesundheitssystems haben wollen. Ich appelliere insbesondere an diejenigen, die heute unentschlossen in diesem Parlament sitzen, insbesondere aus der Ampelkoalition, sich unserem Antrag anzuschließen.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Mast [SPD]: Er erklärt nichts!)
Unser Antrag bedeutet Vorsorge. Er sieht unter anderem drei Punkte vor. Wir möchten erstens ein Impfregister, um zu wissen, wer denn überhaupt in unserem Land geimpft ist.
(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir wollen zweitens im Zusammenhang mit der Einführung dieses Impfregisters die Menschen anschreiben und darüber informieren, welche Möglichkeiten sie haben, sich impfen zu lassen. Drittens wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass wir regelmäßig einen Bericht des Bundesgesundheitsministers hier im deutschen Parlament beraten. Wenn dieser Bericht ergeben sollte, dass eine tödlichere Variante kommt, die ansteckender ist, dann müssen wir natürlich eine Impfpflicht scharfschalten. Das ist Vorsorge, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bitte schließen Sie sich unserem Antrag an.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Müller, gestatten Sie eine Frage oder Zwischenbemerkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von Janosch Dahmen?
Ja.
Sie haben das Wort, Herr Dahmen.
Vielen Dank, Herr Kollege Müller, dass Sie die Frage zulassen. – Ich möchte Sie gerne fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass es in unserem Land erforderlich ist, dass ein Gesetz beschlossen werden muss, damit Regeln gelten, und es nicht ausreicht, einen Antrag hier im Parlament zu beschließen. Das ist der erste Teil meiner Frage.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Der zweite Teil meiner Frage: Ist Ihnen bewusst, dass die drei Wesensmerkmale Ihres Antrags, die Sie beschreiben – eine verbesserte Datengrundlage, ein regelmäßiger Bericht, eine Befassung des Bundestages, verbunden mit einem Mechanismus der Aktivierung weiterer Altersgruppen –, bereits Gegenstand eines Gesetzentwurfes sind, über den wir heute hier im Bundestag abstimmen?
Der dritte Teil meiner Frage: Wenn dem so sein sollte, was hindert Sie daran, diesen Wesensmerkmalen, die auch in Ihrem Antrag stehen, bis hin zum Alter von 60 Jahren, heute mit einer Unterstützung hier im Bundestag den Weg zu ebnen?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn das Wesen von Vorsorge besteht ja darin, dass man vorsorgt und nicht erst dann handelt, wenn der Schaden eingetreten ist. Also, die Feuerwehrwache baut man nicht erst, wenn es brennt, sondern im Vorfeld, damit die Feuerwehr vorbereitet ist.
(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])
Insofern: Warum treffen Sie heute nicht Vorsorge für den Herbst, indem Sie dem Gesetzesvorschlag zustimmen, der vorliegt und der mit Regeln dafür sorgt?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Danke, Herr Dahmen, für Ihre Frage; denn sie gibt mir die Möglichkeit, noch einmal die Unterschiede klarzumachen. Sie haben nämlich nicht die wesentlichen Bestandteile unseres Antrags aufgezählt, sondern haben sich weiteren Gesprächen, die wir angeboten haben, verwehrt, haben auf die Tube gedrückt
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und diese Abstimmung heute hier im Deutschen Bundestag erzwungen.
(Katja Mast [SPD]: Das ist unfassbar! – Weitere Zurufe von der SPD)
– Es wäre schön, wenn Sie mir, nachdem Sie mir eine Frage gestellt haben, bei der Beantwortung zuhören könnten.
Ich möchte Ihnen die beiden großen Unterschiede sagen. Sie möchten mit Ihrem Gesetz, in dem über Nacht die Altersgrenze von 18 Jahre auf 50 Jahre und dann auf 60 Jahre verändert wurde, eine Beratungspflicht einführen. Sie möchten diejenigen verpflichten, die noch nicht geimpft sind, sich beraten zu lassen. Während Ihre Ampelkoalition den Ländern die Finanzierung für die Impfzentren ab Mitte dieses Jahres streicht, wollen Sie, dass Ungeimpfte beraten werden sollen. Wo soll denn das geschehen?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da lautet Ihre Antwort – das haben Sie vorhin zugerufen –: bei Ärzten und Apothekern. Das kann man tun. Aber seien Sie dann doch so konsequent und zahlen Sie den Pflegebonus auch den Medizinischen Fachangestellten, die vor Ort gerade die Krankenhäuser vor Überlastung schützen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie wollen eine Beratungspflicht, die wir so nicht möchten, weil sie so nicht umsetzbar ist. Das sagen Ihnen nicht nur die Verantwortlichen der gesetzlichen Krankenversicherungen, sondern das sagen Ihnen auch alle kommunalen Spitzenverbände. Sie ist nicht umsetzbar. – Punkt Nummer eins.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Punkt Nummer zwei. Sie möchten heute eine Impfpflicht für alle ab 60 Jahre beschließen und im zweiten Schritt dann eine für die 18- bis 59‑Jährigen. Das unterscheidet uns sehr stark. Wir sagen: Eine Impfpflicht ist zum jetzigen Zeitpunkt weder verhältnismäßig noch geeignet noch angemessen. Und ich sage Ihnen auch, warum.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute weiß ich, welche Position Herr Merz hat!)
Wir sehen in der aktuellen Situation auf den Intensivstationen tatsächlich keine Überlastung durch Coronainfizierte. Wir sehen aber eine Überlastung im Gesundheitssystem durch coronainfiziertes medizinisches Personal. Deswegen werden selektive Eingriffe verschoben. Dieses medizinische Personal ist geimpft. Sie sehen also: Ihre Impfpflicht, die Sie beschließen wollen, dient nicht dem Schutz vor Überlastung des Gesundheitssystems, sondern wir brauchen dafür einen geeigneten Impfstoff, den wir dann einsetzen, wenn eine tödliche Variante kommt. Vor diesem Hintergrund halten wir an unserem Impfvorsorgeantrag fest, sehr geehrter Herr Dahmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Müller, bevor Sie weitermachen, nehmen Sie mal einen Schluck Wasser.
Danke. Ich brauche neues, bitte.
Das kriegen wir hin. – Es gibt noch einen Fragewunsch aus der SPD-Fraktion, von Rolf Mützenich.
Sehr gerne.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Gesprächsbereit sind wir!)
Herr Mützenich, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Müller, vielleicht können Sie verstehen, warum ich mich in dem Moment zu Wort gemeldet habe, als Sie hier behauptet haben, dass wir uns Gesprächen, die Sie uns bis zum Schluss angeboten haben, verwehrt haben. Ich möchte hier – und ich hoffe, mit Ihrem Einverständnis; Sie können ja auch gleich darauf antworten – darauf Bezug nehmen, dass wir mehrere fachpolitische Gespräche zwischen einzelnen Abgeordneten – unter anderem mit Ihnen – geführt haben und dass ich, nachdem uns die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zweimal gebeten haben, hier im Deutschen Bundestag eine Impfpflicht auf den Weg zu bringen, auch das Gespräch mit der Union gesucht und versucht habe, Kriterien zu finden, um einen Weg des Gemeinsamen hier im Deutschen Bundestag zu gehen.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zumindest heute hier in dieser Debatte einmal richtigstellen würden, dass bis zum Schluss versucht worden ist, diesen Weg zu gehen. Am Ende haben wir aber Kenntnis davon bekommen, dass der Erste Parlamentarische Geschäftsführer den Mitgliedern seiner Fraktion etwas zur Kenntnis gegeben hat, was offensichtlich darin besteht, uns diese Chance zu verbauen, was ich sehr bedauere.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das war gestern Abend!)
Herr Mützenich, es ist ein sehr schräges Bild, welches Sie hier zeichnen.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
Es ist ein sehr schräges Bild, auch weil wir in den Gesprächen Verschwiegenheit vereinbart haben.
(Widerspruch bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber eins kann man sagen – das kann der Kollege Wiese nachher sicherlich bestätigen –: Unsere Fraktion – ich war auch Verhandlungsführer – hat jedes Mal darauf hingewiesen, dass unsere Fraktionsgremien darüber erst beraten und wir dann weiter in das Verfahren gehen. Was hat Ihre Fraktion gemacht? Am Montagvormittag schickt Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender um 11.19 Uhr eine E-Mail an alle Abgeordneten und stellt uns vor vollendete Tatsachen. So geht man nicht miteinander um, wenn man eine Lösung des Problems möchte. – Punkt Nummer eins.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Punkt Nummer zwei, Herr Mützenich: Es ist ein sehr verschobenes Bild, welches Sie hier zeichnen, wenn Sie die 16 Ministerpräsidenten erwähnen und dann vergessen, den Halbsatz zu sagen, welche Kritik die Ministerpräsidenten an der bereits von uns mitgetragenen sektoralen Impfpflicht und deren Durchführung haben:
(Christian Dürr [FDP]: Das ist sehr widersprüchlich argumentiert! Das stimmt!)
dass die Kommunikation zwischen Bundesregierung, insbesondere des SPD-Bundesgesundheitsministers, und der Ministerpräsidenten überhaupt nicht klappt. Und die Kirsche auf die Sahne hat Karl Lauterbach mit der Rücknahme der Isolationszeiten gesetzt. Das ist ein kommunikatives Desaster. Diese Ampel ist in der Pandemiepolitik fertig!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Müller, Sie können wieder einen Schluck Wasser trinken. Ich frage Sie, ob Sie noch eine Zwischenfrage zulassen, und zwar von Frau Haßelmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wir haben ausreichend Redezeit. Ich denke, ich komme zum Schluss, damit wir auch die Argumente abwägen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sehr gut! – Katja Mast [SPD]: Schade!)
Sie können sich aber gerne zu einer Kurzintervention melden, Frau Kollegin. Aber lassen Sie uns die Argumente austauschen.
Dann lasse ich Ihre Redezeit jetzt wieder weiterlaufen, und wir fahren in der Debatte fort.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, bitte!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir ringen auch heute in diesem Parlament um den richtigen Weg. Wir haben viele ausgewogene Reden gehört; ein paar lasse ich mal außen vor. Darum möchte ich auch noch mal ausdrücklich für unseren Antrag werben. Vielleicht hätte die Kollegin Haßelmann die Frage gestellt, die die anderen Kollegen gestellt haben:
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie die Frage zulassen!)
Was passiert, wenn Sie später mit der Erstimpfung anfangen wollen? Auf diese Frage möchte ich gerne eingehen; das richtet sich gerade an die unentschlossenen Kollegen, die sich gerne unserem Antrag anschließen können.
(Saskia Esken [SPD]: Kolleginnen auch!)
– Kolleginnen selbstverständlich auch, Frau Esken. – Karl Lauterbach hat am 2. Januar dieses Jahres in einer Sonntagszeitung und am 13. Januar dieses Jahres hier im Parlament dafür geworben, dass die Erstimpfung gegen den tödlichen Verlauf schützt und somit gegen die Belegung der Intensivbetten.
(Beifall der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist auch die Antwort auf Ihre Frage – das richtet sich gerade an die Unentschlossenen –: Wenn Sie unserem Antrag folgen, wenn wir Vorsorge leisten und, wenn es eine tödlichere Variante gibt, die Impfpflicht nach Kohorten beschließen, dann reicht die Erstimpfung dazu aus, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Das ist geeignet, das ist angemessen, und das ist verhältnismäßig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun ist der Fokus heute auf dieses Parlament gerichtet. Viele möchten diese Debatte heute natürlich abschließen. Sie wollen eine Entscheidung, sie wollen vorankommen. Es kann aber am Ende sein, dass unser Antrag keine Mehrheit findet und wir deswegen hier im Parlament auch keine Mehrheit für unseren guten Vorsorgemechanismus sehen. Das wird uns aber nicht davon abhalten, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Mützenich, uns, wenn der Rauch verschwunden ist, die Türen offen sind – das geht ab morgen gerne weiter – und wir für Gespräche bereitstehen, gegen die Herbstwelle zu schützen.
(Beifall der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Das Impfregister ist wichtig, eine Dokumentation und ein Anschreiben derjenigen, die nicht geimpft sind, sind wichtig, und ein Vorsorgemechanismus für den Fall des Auftretens einer tödlicheren Variante ist wichtig, damit wir auch dann eine Impfpflicht beschließen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat das Wort zu einer Kurzintervention Frau Haßelmann.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535154 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 28 |
Tagesordnungspunkt | Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 |