Dorothee BärCDU/CSU - Masterplan Hilfe für ukrainische Frauen, Kinder und Jugendliche
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit sechs Wochen herrscht Krieg in Europa. Ein Krieg, der nahezu – ich sage „nahezu“ auch wegen des heutigen Tages – alles überlagert, ein Krieg, der unvorstellbares Leid über das ukrainische Volk bringt, ein Krieg, der seit sechs Wochen Flucht und Vertreibung für die Menschen in der Ukraine bedeutet.
In Deutschland sind bis heute rund 310 000 ukrainische Flüchtlinge angekommen; das ist zumindest die vom Bundesinnenministerium veröffentlichte Zahl. Weil es kein einheitliches Registrierungsverfahren gibt, ist allerdings von einer erheblichen Untererfassung auszugehen. Es wird nicht systematisch registriert, die Verteilung wird nicht koordiniert, und die Teilhabe wird nicht organisiert. Das heißt, Fakt ist: Wir wissen es eigentlich nicht ganz genau. Das, meine Damen und Herren, geht einfach nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wissen, dass rund 85 Prozent der Schutzsuchenden Frauen sind, Kinder sind, Jugendliche sind. Natürlich ist es mehr als ein Zeichen unserer Solidarität, dass wir uns um die bei uns ankommenden Frauen und Kinder kümmern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist unsere moralische Verantwortung, ihnen Schutz zu gewähren und aber auch Integration zu ermöglichen. Die Hilfsbereitschaft ist großartig; das wird jeder von uns in seinem eigenen Wahlkreis spüren. Unser Ehrenamt und unsere Freiwilligendienste leisten wirklich Übermenschliches vor Ort in den Kommunen.
Aber – ich sage es ganz deutlich an die Bundesregierung –: Darauf dürfen Sie sich nicht ausruhen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Machen wir auch nicht!)
Wir müssen nach vorne schauen. Man hat das Gefühl, dass Sie, statt einen langfristigen Plan zu verfolgen, manchmal nicht mal von Tag zu Tag denken, weil immer noch nichts vorbereitet ist. Sie ducken sich weg. Sie lassen geschehen, statt zu gestalten. Wo ist denn der eigentliche Krisenstab? Wo ist denn ein Ukrainekabinett?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben in den letzten Jahren immer zu allem ein Kabinett gehabt, wenn es irgendwo gehakt hat: Es gab ein Brexitkabinett, es gab ein Klimakabinett. Jetzt gibt es kein Ukrainekabinett. Wo ist denn der Flüchtlingsgipfel? Fehlanzeige! Wo sind denn die von der Polizei geforderten Schutzzonen an den Bahnhöfen? Nichts zu sehen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wo ist denn ein Masterplan der Bundesregierung? Es kann doch nicht sein, dass wir als CDU/CSU-Fraktion Ihnen den Masterplan vorlegen müssen, weil Sie keinen eigenen hinbekommen. Das kann doch nicht funktionieren. Eine systematische Registrierung und Personenfeststellung der Ankommenden an den Bahnhöfen
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
oder von denen, die Geflüchtete aufnehmen, finden nicht statt. Herr Scholz, Ihre Ministerinnen Faeser und Spiegel bekommen weder Registrierung, Schutz noch Integration auf die Reihe. Machen Sie es endlich zur Chefsache!
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir schlagen Ihnen heute 13 Maßnahmen vor – das sollte leicht zu überblicken sein –; denn für uns ist ein gut organisierter Staat die Grundlage dafür, dass Hilfe, Sicherheit, Integration auch für unsere ukrainischen Frauen und Kinder gelingen. Es wäre Aufgabe der Bundesregierung, hier tätig zu werden.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Statt zu handeln, verweisen Sie immer auf Nichtzuständigkeiten. Dabei wäre es wichtig, dass Sie jetzt endlich mal beginnen, sich zu kümmern. Was ist denn mit den Sprach- und Integrationskursen, die ganz notwendig sind? Die sind haushalterisch nicht hinterlegt. Was ist denn damit, dass ukrainische Berufsabschlüsse anerkannt werden? Wie wäre es denn, wenn Sie auch endlich mal – wenn Sie unserem Masterplan schon nicht zustimmen – einen eigenen Masterplan auflegen würden? Das wäre Ihre Aufgabe. Das wäre ein Zeichen, dass Sie sich endlich aktiv für den Schutz, für die Verteilung, für die Fürsorge, für die Integration der ukrainischen Frauen und Kinder einsetzen.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben diesen Masterplan. Wenn Sie sich jetzt die einzelnen Punkte anschauen, dann möchte ich Ihnen einfach zurufen, dass es ein Leichtes wäre, mal zuzugeben, dass aus der Opposition heraus auch gute Vorschläge kommen. An dieser Stelle würden Sie sich nichts abbrechen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wie wäre es, wenn Sie vor allem denjenigen Schutz bieten, die hier traumatisiert ankommen? Wir haben hier seit dem 24. Februar traumatisierte Frauen und Kinder, die natürlich integriert werden müssen, die natürlich die Sprache erlernen müssen, aber mit deren Traumata auch umgegangen werden muss.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wo ist denn ein längst überfälliges Unterstützungsprogramm zur Bewältigung psychosozialer Belastungen? Auch da Fehlanzeige! Sie reden, aber Sie handeln nicht. Ich weiß langsam nicht mehr, warum Sie alle drei eigentlich überhaupt regieren wollten. Das weiß überhaupt niemand mehr in diesem Lande.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Außer Reden nichts gewesen!
Was soll man davon halten, dass auch die Bundesfamilienministerin sechs Wochen nach Kriegsbeginn nur warme Worte übrig hat, aber auch nicht zum Handeln kommt?
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist doch Quatsch!)
Wo ist denn die tägliche Einbindung des BMFSFJ in einen Krisengipfel im Kanzleramt? Die findet einfach nicht statt. Nur einmal in der Woche miteinander telefonieren reicht halt einfach nicht. Deswegen sage ich Ihnen: Werden Sie jetzt endlich Ihrer Aufgabe gerecht!
(Zuruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe gestern mit der Kollegin Lindholz und unserem Fraktionsvorsitzenden ein sehr beeindruckendes Gespräch mit ukrainischen Frauen aus unterschiedlichen NGOs, mit ehemaligen Abgeordneten gehabt, die um nichts sehnlicher bitten als darum – wenn sie schon den Frieden in Europa verteidigen –, dass wir wenigstens hier unsere Hausaufgaben machen. Wir haben es zugesagt. Bitte machen Sie das auch.
(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Immerhin will die CSU keine Obergrenzen mehr!)
Die nächste Rednerin in der Debatte: Ulrike Bahr, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535178 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 28 |
Tagesordnungspunkt | Masterplan Hilfe für ukrainische Frauen, Kinder und Jugendliche |