07.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 28 / Tagesordnungspunkt 8

Nadine SchönCDU/CSU - Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 84 Prozent der Beschäftigten in der IT‑Branche in Deutschland sind Männer. 84 Prozent! Gerade einmal zwei von zehn Start-ups werden von Frauen gegründet. Selbst wenn der Zugang gelingt, verlassen mehr als 50 Prozent der Frauen die Digitalbranche wieder, im Topmanagement findet man auch in diesem Bereich nur sehr wenige Frauen. Nur 13 Prozent der Informatikprofessuren an deutschen Universitäten sind mit Frauen besetzt.

(Martin Reichardt [AfD]: Da brauchen wir wohl dringend eine Quote!)

Das sind erschreckende Zahlen, die im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung gut aufgearbeitet sind.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wären Quoten ja ganz gut!)

Diese Zahlen machen deutlich: Geschlechtergerechtigkeit, Chancengerechtigkeit ist in der Digitalbranche ein Problem, und zwar ein gewaltiges. Und das hat Konsequenzen.

Das hat wirtschaftliche Konsequenzen. Wir alle wissen: Diversität ist ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg; das haben zahlreiche Studien bewiesen. Und egal in welches Unternehmen ich komme, Thema Nummer eins ist der Fachkräftemangel. Vor allem im innovativen Mittelstand und bei Start-ups sagt man mir, dass man gerade im digitalen Bereich viel zu wenige Fachkräfte findet. Da frage ich mich schon, wie wir uns den Luxus erlauben können, auf die Hälfte der Bevölkerung nahezu zu verzichten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist aber auch gesellschaftlich ein Problem. Durch die Digitalisierung ändert sich unser ganzes Leben. Da kann es uns doch nicht egal sein, dass die Frauen daran so wenig beteiligt sind. Auch das arbeitet der Gleichstellungsbericht gut auf, vor allem, was es heißt, wenn KI-Systeme aus Daten lernen, die einen Bias haben, was dazu führt, dass Ungerechtigkeiten aus der Vergangenheit auch auf die Zukunft übertragen werden. Der Gleichstellungsbericht bringt da sehr plastische, sehr gute Beispiele. Deshalb bedanke ich mich ganz herzlich bei Professor Dr. Yollu-Tok und ihrer Kommission für die wichtige Arbeit, dass sie dieses Thema so umfassend aufgearbeitet haben.

Ich will einige Anmerkungen machen, die mir wichtig sind. Ich finde es schade, dass der Bericht so wenig darauf eingeht, welche Chancen Digitalisierung für Emanzipation, für Gleichberechtigung, für Partizipation hat. Digitalisierung kann auch ein Treiber dafür sein, wenn man es richtig macht, wenn man die Weichen richtig stellt. Das kommt in meinen Augen in diesem Bericht ein bisschen zu kurz.

Mehr Geschlechtergerechtigkeit in der digitalen Welt ist nicht nur eine politische Aufgabe, es ist eine gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik. Aus diesem Grund haben wir vor anderthalb Jahren die Initiative „#SheTransformsIT“ gegründet mit Kolleginnen von allen demokratischen Fraktionen, mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Dieser Initiative können sich alle anschließen, haben sich auch schon viele tolle Menschen angeschlossen, Männer wie Frauen, die sagen: Den Zustand, den wir jetzt haben, können wir nicht so belassen, wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass es besser wird. – Auf diese gemeinsamen Initiativen müssen wir auch in Zukunft setzen. Ich ermuntere alle, sich dem anzuschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus diesem Grund haben wir auch die Bundesstiftung Gleichstellung ins Leben gerufen, die ganz explizit den gesetzlichen Auftrag hat, die digitalen Entwicklungen in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sich die derzeitige Situation verbessert. Deshalb sage ich: Es hilft nicht, wenn wir mit dem Finger aufeinander zeigen, wir müssen das Thema gemeinsam angehen.

Das gemeinsam anzugehen, heißt aber, nicht nur weitere Regulierungen, Gesetze und Vorschriften zu schaffen, sondern auch als Gesetzgeber kritisch zu hinterfragen, ob wir nicht auch Gesetze haben, die in der digitalen Welt an Bedeutung verloren haben oder sogar kontraproduktiv sind. Ich nenne beispielsweise das Mutterschutzgesetz. Das Mutterschutzgesetz sieht beispielsweise vor, dass werdende oder stillende Mütter nach 20 Uhr nicht mehr arbeiten dürfen oder nur bis 22 Uhr mit Genehmigung der Behörde. Das passt überhaupt nicht zur Lebensrealität einer Frau in der digitalen Branche, die, wenn sie schwanger ist, vielleicht eher morgens oder mittags ihre Auszeit braucht, die aber abends sehr gut am PC arbeiten kann. Flexibilität ist in diesem Fall förderlich, und wir behindern sie durch unsere Regulierung, die gut gemeint war, aber aus einer Zeit kam, in der wir eher die Fabrikarbeiterinnen im Blick hatten, und die zu manchen Sachen einfach nicht mehr passt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen den Blick weiten. Wir müssen in allen Ländern auf digitale Bildung setzen, damit wir die Mädchen wie die Jungs gleichermaßen schon früh für die tollen Möglichkeiten der Digitalisierung begeistern und sie dann automatisch Lust haben, in diesem Bereich tätig zu sein. Wir setzen dabei auf tolle Projekte – die Initiative YouCodeGirls ist genannt worden –, auf viele MINT-Initiativen aus dem Bildungs- und Forschungsministerium und auf die vielen Organisationen, die sich genau um diese Themen verdient machen, gerade auch Start-ups und Initiativen wie die Hacker School beispielsweise.

Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen Finanzierung bekommen, wenn sie den Mut haben, zu gründen. Das ist bisher nicht der Fall; auch das zeigt der Bericht.

Vor allem müssen wir Vorbilder schaffen. Janina Kugel hat einmal gesagt: „Wenn wir erfolgreichen Frauen mehr Sichtbarkeit verleihen, sehen Mädchen, dass ihnen alle Berufe offenstehen.“ Das gilt ganz besonders für den Digitalbereich. Deshalb haben alle eine Verantwortung, auch auf den Podien, in den Kongressen, im Bundestag, in der Politik und in der Wirtschaft für Sichtbarkeit zu sorgen, und dabei können alle mithelfen.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die nächste Rednerin in dieser Debatte ist Josephine Ortleb für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535207
Wahlperiode 20
Sitzung 28
Tagesordnungspunkt Gleichstellungsbericht der Bundesregierung
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