07.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 28 / Tagesordnungspunkt 11

Christine Lambrecht - Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es fällt schwer, dieser Tage an etwas anderes zu denken oder über etwas anderes zu sprechen als den brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die Bilder von den schrecklichen Verbrechen an Zivilistinnen und Zivilisten in den Vororten von Kiew machen fassungslos und – ich kann nachvollziehen – manchen auch richtig wütend. Russland überschreitet alle Grenzen, begeht Kriegsverbrechen, bringt furchtbares Leid über die Menschen.

Wenn wir an all die Gefallenen und Ermordeten denken, die Verwundeten, die Traumatisierten, die Vertriebenen und Geflüchteten, wenn wir an all die Menschen denken, die unter diesem furchtbaren Krieg leiden, dann ist es kaum auszuhalten, dann ist es kaum möglich, ruhig und besonnen zu bleiben. Aber genau das, Ruhe und Besonnenheit, wird jetzt von uns verlangt; denn wir brauchen auf diese Grausamkeiten eine wirkungsvolle Antwort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Einzige, womit wir den Menschen in der Ukraine wenigstens ein Stück weit helfen können, ist ein sehr wohl entschlossenes, dabei aber besonnenes und planvolles Vorgehen, und genau so halten wir es in der Bundesregierung.

Meine Damen und Herren, wir dürfen, auch wenn das angesichts dieses verbrecherischen Krieges schwerfällt, nicht vergessen: Es gibt viele weitere Brandherde auf dieser Welt. Einer dieser Brandherde steht heute auf der Tagesordnung, nämlich Libyen. Nach Jahren des Bürgerkriegs herrscht dort mittlerweile ein brüchiger Waffenstillstand. Doch der Einheitsprozess ist ins Stocken geraten. Die für Dezember geplanten Wahlen eines landesweiten Parlaments wurden wegen Uneinigkeiten abgesagt. Es droht eine erneute Spaltung des Landes. Ein Wiederaufflammen des Konflikts muss unbedingt verhindert werden im Sinne des Friedens in Libyen, der Menschen in Libyen, im Sinne der Stabilität in der gesamten Region – denn dieser Konflikt strahlt bis in den Sahel – und nicht zuletzt auch im Sinne der Sicherheit Deutschlands und Europas. Libyen darf kein sicherer Hafen für Terroristen und Menschenschmuggler sein!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dazu gilt es, das Waffenembargo durchzusetzen, das die UN gegen Libyen verhängt haben, und die illegalen Ölexporte zu erschweren, mit denen sich die Konfliktparteien finanzieren. Außerdem ist es wichtig, dem Menschenschmuggel entgegenzuwirken, der von dort aus operiert und sich festgesetzt hat.

Genau diese Ziele verfolgen wir in der EU mit der Operation Irini, einer Aufklärungs- und Kontrollmission im zentralen Mittelmeer, deren Augen jedoch auch in die Luft und auf das Festland gerichtet sind. Unsere Bundeswehr unterstützt diese Operation mit bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten, mit einem Aufklärungsflugzeug und bis zu zwei Schiffen bzw. Booten – und das alles in einem Einsatzgebiet, das so groß ist wie ganz Deutschland. Heute ersuche ich Sie, dieses Mandat zu verlängern; denn unsere Bundeswehr leistet damit einen wertvollen Beitrag nicht nur für den Frieden und die Stabilität in der Region, sondern auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.

Wir haben dieses Mandat sorgfältig überprüft und auch angepasst. Die bisher vorgesehene, aber faktisch nie durchgeführte Ausbildung der libyschen Küstenwache und Marine haben wir gestrichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Libysche Einheiten haben sich wiederholt schwere Verfehlungen gegenüber Geflüchteten und Hilfsorganisationen zuschulden kommen lassen. Ihre Ausbildung ist mit unseren militärischen Grundsätzen und unseren Werten nicht vereinbar.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Nutzen unseres Einsatzes liegt anderswo, und das bildet dieses neue Mandat ab.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz über ein Mandat sprechen, das gar nicht auf der Tagesordnung steht, weil wir es beendet haben, nämlich Atalanta; hier hat unsere Marine großartige Arbeit geleistet im Mittelmeer; das haben wir dort gesehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht im Mittelmeer!)

– Seit 2008 ist unsere Marine am Horn von Afrika im Einsatz für die EU-Operation Atalanta, und zwar so erfolgreich, dass wir das Mandat jetzt endgültig beenden können. Die Piraterie ist zurückgedrängt, und alle Schiffe des Welternährungsprogramms, die es zu schützen galt, haben ihren Zielhafen erreicht. Deswegen kann ich nur sagen: Ein herzliches Dankeschön an alle Soldatinnen und Soldaten für diesen wertvollen Beitrag!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber es zeigt auch: Wir brauchen eine starke Marine, so, wie wir sie da erlebt haben, erst recht angesichts der russischen Bedrohung. Deswegen haben wir unsere Präsenz in der Ostsee noch einmal erhöht und müssen dort auch in Zukunft Stärke zeigen.

Umso wichtiger ist es, dass wir die Marine für diese großen Aufgaben auch gut ausrüsten. Unter dem Begriff „Zeitenwende“ hat der Bundeskanzler ein Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro angekündigt. Es ist wichtig, dass dieses nun auch schnell und nachhaltig aufgesetzt wird, und ich sage Ihnen: Ein Teil davon wird auch in diese wertvolle Arbeit der Marine fließen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Kollegin Annette Widmann-Mauz hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535252
Wahlperiode 20
Sitzung 28
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI
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