Fritz GüntzlerCDU/CSU - Steuerentlastungsgesetz 2022
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren Zuhörer! Wir sind froh, dass wir heute über ein Steuerentlastungsgesetz debattieren können. Die Notwendigkeit dafür hat der Bundesfinanzminister ja eben dargestellt. Aber, Herr Bundesfinanzminister, in einem Punkt würde ich Sie korrigieren wollen. Sie haben gerade davon gesprochen, es gebe eine gefühlte Inflation.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt beides! – Markus Herbrand [FDP]: EZB!)
Ich glaube, wenn Sie mal mit den Menschen auf der Straße sprechen, werden Sie merken, dass es keine gefühlte Inflation ist, sondern dass die Inflation bei den Menschen angekommen ist. Deshalb müssen wir reagieren.
(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat der Kollege Güntzler recht! – Markus Herbrand [FDP]: Schauen Sie sich die EZB an! Die sagt das auch!)
Wir hatten eine Inflation von 4,9 Prozent im Januar, 5,1 Prozent im Februar und 7,3 Prozent im März. Das ifo-Institut geht davon aus, dass die Inflationsrate in diesem Jahr bei zwischen 5 und 6 Prozent liegen wird. Das ist die höchste Inflation seit 40 Jahren. Es ist die verdammte Pflicht der Regierung, hierauf zu reagieren. Dafür sollten Sie sich nicht ständig selber loben, sondern das ist eine Selbstverständlichkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Von daher sind wir grundsätzlich froh, dass Sie einen Entwurf eingebracht haben, der heute auf der Tagesordnung steht. Sie blasen ihn jetzt hier rhetorisch ein bisschen auf; denn wenn wir uns angucken, was wirklich unternommen wird, sehen wir, dass es wenig ist, was da passiert ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Wir sind auch überrascht, Herr Minister. Am 16. Februar haben Sie an dieser Stelle bei der Befragung der Bundesregierung gesagt, man könne Freibeträge und Tarife nicht unterjährig anpassen, weil das für die Finanzverwaltung zu viel Aufwand bedeuten würde. Jetzt machen Sie das. Das ist ja gut so; Sie haben anscheinend einen Erkenntnisgewinn, und es ist für einen Minister auch gut, wenn er Erkenntnisse aufnimmt. Wir haben damals schon gesagt: Natürlich können wir den Tarif im laufenden Jahr anpassen, natürlich können wir den Grundfreibetrag anpassen. Von daher ist es gut, dass wir jetzt auf dem Weg sind, aber es ist noch zu wenig.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Das haben wir auch gesagt!)
Das Thema „kalte Progression“ haben Sie aber nach wie vor nicht aufgegriffen. Sie erhöhen den Grundfreibetrag um 363 Euro auf 10 347 Euro. Laut Gesetzesbegründung – das kann man nachlesen – unterstellen Sie dabei eine Inflation für das Jahr 2022 von 3 Prozent. Wie ich Ihnen geschildert habe, liegen wir bei einer Inflation von 5 bis 6 Prozent. Von daher ist die Maßnahme an sich richtig, aber nicht ausreichend, meine Damen und Herren. Sie müssen noch eine Schippe drauflegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie selber waren es, die gesagt haben, als Sie noch in der Opposition waren, der Staat dürfe nicht von den heimlichen Steuererhöhungen profitieren. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, darauf zu reagieren.
(Stephan Brandner [AfD]: Die hatten Sie 16 Jahre lang!)
Meine Bitte, Herr Bundesfinanzminister, ist: Sie haben die Möglichkeit, in der Ampelkoalition darauf zu reagieren. Das wäre, glaube ich, gut. Von daher sollten Sie auch überlegen, ob Sie nicht den Progressionsbericht vorziehen – darüber haben wir in der Befragung umfassend diskutiert –, damit wir die kalte Progression tatsächlich absenken können. Wir könnten dann die Tarifeckwerte anpassen, das Kindergeld anpassen, den Kinderfreibetrag anpassen. Sie haben hier lediglich eine Maßnahme herausgesucht.
In dem Zusammenhang wäre es auch gut, wenn wir zwar nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetz, aber dann gemeinsam – alle drei Ampelkoalitionäre wie auch wir haben das im Wahlprogramm stehen gehabt – über den Einkommensteuertarif diskutieren würden, darüber, den Mittelstandsbauch abzubauen. Wir sollten eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen, weil das sehr teuer sein wird, und gemeinsam eine Lösung finden, wie wir tatsächlich zu einer Entlastung der Bezieher mittlerer und unterer Einkommen in Deutschland kommen können. Wir als Union sind dabei, gerne mit Vorschlägen und in der Diskussion, und tragen das dann auch gerne mit, meine Damen und Herren.
(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Dann haben Sie herausgestellt, dass der Arbeitnehmerpauschbetrag um 20 Prozent auf 1 200 Euro erhöht wird. Das kann man begrüßen, insbesondere dann, wenn man dadurch einen Vorteil hat. Sie haben aber in Ihrer Rede ausgeführt, Herr Bundesfinanzminister, dass Sie nur Maßnahmen angehen wollen, die zielgerichtet wirken. Die einfache Erhöhung des Pauschbetrages ist keine zielgerichtete Maßnahme. Der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine hat in seiner Stellungnahme geschrieben:
Von der Anhebung profitieren jedoch hauptsächlich Arbeitnehmer, die überhaupt keine oder nur geringe beruflich veranlasste Aufwendungen haben, sowie diejenigen, deren Aufwendungen vom Arbeitgeber erstattet werden.
Dafür geben Sie 1 Milliarde Euro aus, ohne dass das zielgerichtet ist. Es gibt andere Dinge, die wir machen müssen, die wichtiger sind, die zielgerichtet gemacht werden könnten. Von daher ist das beim Werbungskostenpauschbetrag eher eine Werbeveranstaltung, die Sie hier durchführen, meine Damen und Herren.
Dann zur Entfernungspauschale. Da sage ich selbstkritisch: Auch wir haben von 38 Cent gesprochen. Das war in einer Situation, als noch nicht unbedingt erkennbar war, wie sehr die Spritpreise steigen.
(Stephan Brandner [AfD]: Die AfD wusste das vorher!)
Das sind pro Entfernungskilometer 3 Cent, pro gefahrenem Kilometer 1,5 Cent. Durchschnittlich hat man, wenn ich ein Dieselauto nehme – wenn man das noch fahren darf –, einen Verbrauch von 7 Litern auf 100 Kilometer. Wenn Sie beim Diesel eine Steigerung von 80 Cent unterstellen, dann sind Sie pro gefahrenem Kilometer bei einer zusätzlichen Belastung, die eher bei 5 bis 6 Cent liegt. Sie erhöhen hier aber nur um 3 Cent, und das lediglich über den Werbungskostenabzug. Das ist zu wenig, Herr Minister. Hier müssen wir noch gemeinsam eine Schippe drauflegen, damit wir tatsächlich zu einer Entlastung kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Ein genereller Fehler, an dem wir mitgewirkt haben – ich finde, das kann man ruhig sagen –, ist, dass wir eine Zweiklassengesellschaft bei den Pendlern haben. Ich glaube, es ist nicht mehr zu rechtfertigen, dass wir eine Erhöhung der Entfernungspauschale erst ab dem 21. Kilometer haben. Für jeden Kilometer muss die höhere Entfernungspauschale gelten. Das sollten wir in diesem Gesetzgebungsvorhaben vielleicht noch angehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gäbe noch viel zu sagen. Ich hätte auch gerne noch etwas zu unserem Antrag gesagt, den wir parallel eingebracht haben.
(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Aber wir haben heute ja noch die Gelegenheit, im Zusammenhang mit dem Corona-Steuerhilfegesetz diese Debatte zu führen. Und Herr Kollege Dürr, wenn Sie so eine Angriffsfläche bieten, dann muss ich mich erst einmal an Ihnen abarbeiten, bevor ich unseren guten Antrag darstelle.
(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Aber Sie haben ja die Möglichkeit, im Rahmen der Beratung diesen Gesetzentwurf weiter zu verbessern. Wir als Union, als konstruktive Opposition stehen Ihnen gerne zur Seite
(Katja Mast [SPD]: Oh!)
und helfen Ihnen dabei, ein vernünftiges Gesetz daraus zu machen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Michael Schrodi.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535355 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Steuerentlastungsgesetz 2022 |