Hans-Jürgen ThiesCDU/CSU - Ukrainehilfe, Nahrungsmittelversorgung weltweit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Felser, ich glaube, Sie haben in Ihrer Rede schon selbst die Antwort darauf gegeben, weshalb wir als Union auch in Sachfragen mit Ihnen von der AfD nicht zusammenarbeiten können und werden. Das nur in Replik zu Ihnen.
(Peter Felser [AfD]: Was war das?)
Frau Kollegin Künast, ich muss sagen: Ich bin nicht nur irritiert, ich bin auch ein Stück weit betroffen von Ihren Ausführungen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oah!)
– Ja, das muss ich ganz deutlich sagen: Sie sagen: Das Hungerproblem ist nicht neu auf dieser Welt. – Damit haben Sie völlig recht. Aber das Hungerproblem wird doch massiv verstärkt durch die jetzige Ukrainekrise.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie sagen, die Freigabe von ökologischen Vorrangflächen würde doch nur im einstelligen Prozentbereich oder sogar nur im Null-Komma-und-Prozent-Bereich die Produktion erhöhen und steigern. Aber wenn es uns auf diese Art und Weise gelingt, auch nur 1 Million Menschen weltweit zusätzlich vor Hungersnot zu bewahren, dann ist das ein Wert an sich und ein Erfolg. Es ist zynisch, wenn Sie das so lapidar infrage stellen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Das muss ich noch mal ganz deutlich sagen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1 Million? Was rechnen Sie denn da?)
– Kommen Sie wieder etwas runter.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja mal antworten!)
Neue Zeiten erfordern neue Entscheidungen.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Wir haben im letzten Jahr die GAP aus voller Überzeugung mitbeschlossen, und wir wollen an dem ökologischen Umbau, wir wollen an den agrar- und klimapolitischen Zielen auch grundsätzlich festhalten. Das will ich hier an dieser Stelle deutlich sagen, um diese Auffassung, die Union wäre verhaftet in den Entscheidungen der 70er-Jahre, mal zurechtzurücken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nein, wir stehen zu diesen Zielen. Nur, wir müssen doch in der gegenwärtigen Krisensituation die Prioritäten anders setzen. Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
(Zuruf der Abg. Deborah Düring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Jetzt geht es darum, Hunger zu stillen, mehr Getreide zu produzieren, um auch ausgleichend auf die rasant steigenden Getreidepreise zu reagieren.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn jetzt?)
Durch den Krieg in der Ukraine ist auch für die heimische Landwirtschaft eine völlig neue Gefechtslage entstanden. Wir brauchen jetzt kurzfristige Lösungen. Die EU-Kommission hat es vorgemacht und die GAP-Richtlinien gelockert. Aber, Herr Bundesminister Özdemir, Ihnen fällt nicht viel mehr ein als die zusätzliche Beweidung von Vorrangflächen. Das halten wir für deutlich zu wenig. Wir als Union hatten gehofft, Sie würden Maßnahmen nennen, die schon angeschoben worden sind.
Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ihre doch sehr seichten Ausführungen in der letzten Haushaltsdebatte vor 14 Tagen haben uns sehr enttäuscht. Das waren kurzfristige Ankündigungen; notwendige Hilfen sollten auf den Weg gebracht werden. Bisher haben wir davon noch nichts gesehen. Sie haben Programme erwähnt. Aber wo sind diese Programme? Wo werden sie umgesetzt? Jetzt geht es wirklich darum, die Ernährungssicherheit in unserem Lande, aber auch weltweit zu sichern. Eile ist geboten. Hungerbekämpfung muss aktuell Vorrang haben vor Klimaschutz. Ich sage: aktuell und temporär.
Und was können wir kurzfristig tun? Wir brauchen einen Ernährungsgipfel mit allen denkbaren Akteuren, angesiedelt im Bundeslandwirtschaftsministerium als zuständigem Fachressort. Da darf nicht nur schön geredet werden, da muss auch gehandelt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen zunächst eine Bestandsaufnahme: Bei welchen Nahrungsmitteln gibt es Versorgungsengpässe? Wie ist es um die Lieferketten bestellt? Wie sieht es mit Preissteigerungen aus, und zwar nicht nur bei Getreide, bei Lebensmitteln, sondern zum Beispiel auch bei den Energiekosten? Das Ganze muss dann auch noch unter dem sozialökonomischen Aspekt betrachtet werden; das kommt mir in der Diskussion bisweilen etwas zu kurz.
Wir müssen auch überlegen, ob wir nicht die EU-Agrarreform um mindestens ein Jahr verschieben.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Mindestens“! Jetzt sind wir schon bei „mindestens“!)
Wir können jetzt nicht an Flächen- und Produktionsstilllegungen wie zu Friedenszeiten festhalten. Wir brauchen jetzt nicht weniger, wir brauchen jetzt mehr an Produktion, und das gilt sowohl für die Futtermittel- als auch für die Lebensmittelproduktion.
Unser Antrag enthält dringliche agrarpolitische, handelspolitische und auch entwicklungspolitische Forderungen an die Bundesregierung, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Herr Bundesminister Özdemir, bitte heben Sie sich positiv von den handlungsschwachen Kabinettskolleginnen Faeser und Lambrecht ab!
(Zurufe von der SPD: Oah!)
Werden Sie jetzt aktiv – zügig und ergebnisorientiert!
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Souverän geht anders!)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Manuel Gava.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535378 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Ukrainehilfe, Nahrungsmittelversorgung weltweit |