08.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 29 / Tagesordnungspunkt 7

Manuel GavaSPD - Ukrainehilfe, Nahrungsmittelversorgung weltweit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Acht Jahre bleiben uns noch: Bis 2030 soll es auf der Welt keinen Hunger mehr geben. Das ist das zweite der 17 weltweiten Nachhaltigkeitsziele, auf die sich fast alle Staaten der Welt verständig haben. Selbst vor dem Einsetzen der weltweiten Coronapandemie war dies ein überaus ambitioniertes Ziel.

Der brutale Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine rückt dieses Ziel nicht nur in weite Ferne, er riskiert auch alles, was wir bislang erreicht haben. Die Ukraine und Russland sind die Kornkammern für einen Großteil der Welt, und das gilt insbesondere für den Globalen Süden. Auf Russland und die Ukraine entfallen etwa 12 Prozent aller weltweit gehandelten Kilokalorien. Wo Panzer rollen, können keine Traktoren fahren. Wo gekämpft wird, kann nicht gesät und geerntet werden. Diese Unterbrechung der globalen Versorgungskette trifft importabhängige Länder des Globalen Südens wie Somalia, den Libanon, Jemen unmittelbar und besonders hart. Die Preissteigerungen auf den Weltmärkten bedrohen in erster Linie die Ernährungssicherheit der Ärmsten der Armen.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns das Ziel gesetzt, Hunger zu bekämpfen und weltweite Ernährungssicherheit zu erreichen. Auch dieses Ziel und vor allem die für seine Erreichung notwendigen Mittel müssen im Lichte der aktuellen Geschehnisse neu bewertet werden. Ernährung ist ein existenzielles Menschenrecht, das nicht Profitinteressen überlassen werden darf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade laufen die Haushaltsberatungen über Mittel zur Förderung von Ernährungsprogrammen im Globalen Süden. Der Bundeskanzler sowie Ministerin Svenja Schulze haben bereits zugesichert, dass zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt werden; das ist aufgrund der humanitären Notlage auch genau richtig. Die angekündigten 430 Millionen Euro sind eine wichtige Antwort auf die akute Not, mit der wir uns im Moment konfrontiert sehen.

Ein entscheidender Faktor für die langfristige weltweite Ernährungssicherheit ist der Klimawandel; das wurde eben völlig richtig angesprochen. Wo Klimaschocks und Extremwetterereignisse wüten, ist der Hunger nicht weit. Die Produktivität von kleinbäuerlichen Familienbetrieben, die übrigens 80 Prozent der globalen Produktion ausmachen, hängt direkt von Umweltbedingungen wie dem Klima, der Wasserverfügbarkeit und der Fruchtbarkeit von Böden ab.

Mit etwas Verwunderung musste ich feststellen, dass Sie mit den bürokratischen Hemmnissen bei der Neuordnung der Weltwarenströme eigentlich die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards meinen. Ich versichere Ihnen an dieser Stelle, dass die Wahrung von Menschenrechten nicht der Grund für die aktuellen Herausforderungen entlang der globalen Lieferketten ist. Stattdessen werden die neuen EU-Rechtsvorschriften den ökologischen Wandel voranbringen, für Unternehmen Rechtssicherheit schaffen und für mehr Transparenz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern sorgen – und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Neben meiner Mitgliedschaft im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bin ich, genauso wie meine Vorrednerin Natalie Pawlik, auch Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Saisonarbeiter/-innen und Erntehelfer/-innen verrichten harte körperliche Arbeit unter sehr schwierigen Bedingungen und häufig zu niedrigen Löhnen. Dieser Zustand riskiert nicht nur die Sicherung ausreichender Arbeitskraft im Landwirtschaftssektor, sondern führt alle Argumente zugunsten der weltweiten Ernährungssicherung ad absurdum. Sozialstandards senken, um den Hunger zu bekämpfen, das ist eine mehr als fragwürdige Strategie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Problem der zu niedrigen Erzeugerpreise für Agrarprodukte und der Mangel an Beschäftigten in der Landwirtschaft darf und kann nicht gelöst werden, indem man Sozialstandards senkt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt Sozial- und Umweltstandards preiszugeben, brauchen wir jetzt kraftvolle Maßnahmen, so wie die bereits initiierten Nothilfefinanzierungen, und langfristige Lösungen für die strukturellen Probleme in der Landwirtschaft.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, in Ihrem Antrag stehen durchaus sinnvolle Dinge, gerade im Bereich der Finanzierung. Da kann man, denke ich, in einigen Bereichen mitgehen. Vieles davon bearbeitet allerdings die Bundesregierung schon, und einiges wurde bereits auf den Weg gebracht. Lassen Sie uns in dieser schwierigen Situation konstruktiv zusammenarbeiten. Auf alle 22 Punkte konnte ich in diesen fünf Minuten nicht eingehen. Ich hoffe aber, dass ich einiges angesprochen habe.

Mein Dank – das ist mir an dieser Stelle noch mal besonders wichtig – geht an die Ukrainerinnen und Ukrainer; generell natürlich an alle, aber anlässlich dieser Debatte ganz besonders an die Menschen, die dort in der Landwirtschaft und der Logistik arbeiten, die unter katastrophal schwierigen Umständen gerade einen wahnsinnigen Job machen und alles herausholen, was geht. Ich bin ihnen sehr dankbar; und meine Fraktion, die Koalitionsfraktionen und, ich glaube, das ganze Haus sendet ein ganz großes Zeichen der Solidarität in die Ukraine.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Ina Latendorf [DIE LINKE])

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich grüße Sie sehr herzlich an diesem Freitagvormittag.

Als nächster Redner erhält das Wort für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Bernd Schattner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535379
Wahlperiode 20
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Ukrainehilfe, Nahrungsmittelversorgung weltweit
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