Jan PlobnerSPD - Erhalt des Par. 219a StGB
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir reden heute dank der AfD schon wieder über die Bereitstellung von sachlichen Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen, und zwar – würde es tatsächlich nur um § 219a gehen – nur über die Bereitstellung von sachlichen Informationen. Denn das ist es, was mit der Streichung des § 219a im Strafgesetzbuch nun endlich ermöglicht werden wird.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Die AfD macht mit diesem Antrag, was sie eigentlich immer macht: Tatsachen verdrehen, Ängste schüren und aufhetzen.
(Beifall bei der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Aufhetzen? – Enrico Komning [AfD]: Seien Sie mal froh, dass Sie Ihre erste Rede haben!)
Lassen Sie mich das kurz deutlich machen: Mit dem immer noch gültigen Verbot der Bereitstellung von Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen wird das grundlegende Recht, frei über seinen eigenen Körper zu bestimmen, massiv eingeschränkt, ja ins Absurde geführt.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Das ist dummes Geschwätz!)
Nicht nur wird es Menschen, die sich ohnehin in einer schwierigen Situation befinden, nahezu unmöglich gemacht, sich über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Nein, der § 219a macht es auch immer schwerer, überhaupt Ärztinnen und Ärzte oder Kliniken zu finden, die ebensolche anbieten.
(Jörn König [AfD]: Drei Klicks! Das ist gar nicht schwer!)
Denn wenn Ärztinnen und Ärzte auch nur den Schwangerschaftsabbruch als Leistung in ihrem Profil aufnehmen, kann das bereits als Werbung gelten – Werbung, durch die sie eine strafrechtliche Verfolgung zu befürchten haben. Das hat zur Folge, dass es in bestimmten Städten und Regionen in diesem Land kaum oder gar nicht mehr möglich ist, Abbrüche durchzuführen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Alles Quatsch! Und Sie wissen das!)
Meine Kollegin Carmen Wegge, die wie ich aus Bayern stammt, hat vor einigen Wochen darauf hingewiesen: In vielen Städten in meinem Bundesland Bayern – in Augsburg, Würzburg, Regensburg oder Ingolstadt – gibt es keine Ärztinnen und Ärzte, keine Kliniken mehr, die Abbrüche anbieten. In ganz Bayern bieten nur neun Kliniken mit gynäkologischer Fachabteilung Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung an. Teilweise gibt es in einem Umkreis von über 100 Kilometern keine behandelnden Ärztinnen und Ärzte mehr. Das ist doch kein Zustand!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Damit wird Menschen, die oft sowieso unter enormer psychischer Belastung stehen, das Leben zusätzlich schwer gemacht. Das ist schlicht unerträglich, und genau deswegen handeln wir jetzt.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Das Absurde ist doch: Die gesellschaftliche Debatte dazu ist längst beendet. Kaum einer versteht mehr, was dieser Paragraf noch in unserem Strafgesetzbuch zu suchen hat. Indem wir ihn also streichen, passen wir das Recht schlicht und einfach der gesellschaftlichen Realität an. Vielleicht sollten Sie, liebe AfD – und in manchen Punkten leider auch Sie, liebe Union –, das auch mal versuchen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Stattdessen würfelt der AfD-Antrag natürlich wieder mal wild die Tatsachen durcheinander. Denn statt die völlig unstrittige Bereitstellung von sachlichen Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu unterstützen, wird hier ein Dammbruch vermutet oder der Untergang des Abendlandes – was auch immer genau das Problem dabei ist; ich weiß es nicht.
(Beatrix von Storch [AfD]: Die Menschenwürde! Artikel 1 Grundgesetz!)
Für mich heißt das schlicht und ergreifend: Es ist ein billiges, ein durchsichtiges Manöver.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Wenn Sie das, liebe AfD, schon aus der Ruhe bringt, dann wünsche ich Ihnen sehr starke Nerven; denn wir sind damit noch längst nicht fertig. Wir haben – zumindest in diesen vier Jahren – vor, gleichstellungs-, rechts- und gesellschaftspolitisch jede Menge durchzuführen. Wir werden für die Informationsfreiheit streiten. Wir werden das grundlegende Recht erkämpfen, frei über den eigenen Körper zu bestimmen.
(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])
Wir werden uns weiteren Diskriminierungen in den Weg stellen und sie vor allem wirksam bekämpfen. Und wir werden die Gleichstellung voranbringen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn Sie stattdessen einer antiquierten, rückschrittlichen und misogynen Vorstellung hinterherträumen möchten, sei Ihnen das gegönnt.
(Jörn König [AfD]: Traditionen sind die Lösung für Probleme, die Sie vergessen haben! Nichts antiquiert!)
Aber bitte verschonen Sie uns damit!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535548 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 30 |
Tagesordnungspunkt | Erhalt des Par. 219a StGB |