28.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 31 / Tagesordnungspunkt 7

Annika KloseSPD - Mindestlohn - geringfügige Beschäftigung

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Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer/-innen! Ich würde mal vermuten, dass die meisten Frauen in diesem Land folgende Sätze schon einmal gehört haben und sehr gut kennen: „Mach dich nicht abhängig!“ oder „Pass bloß auf, dass du auf eigenen Beinen stehen kannst!“ Zumindest bei mir waren das Sätze, die meine Mutter und meine Großmutter immer wieder zu mir gesagt haben. Als Teenager war ich davon natürlich genervt, aber heute ist mir die bittere Realität hinter diesen Sätzen sehr bewusst.

Nach wie vor besteht bei den Löhnen eine Lohnlücke von 18 Prozent zwischen Männern und Frauen. Das bedeutet, dass Frauen oft von ihrer Arbeit nicht leben können. Teilzeit und prekäre Beschäftigung betreffen ebenfalls vor allem Frauen. Entsprechend sind es vor allem Frauen, die von Altersarmut betroffen sind. Unser ökonomisches System und vor allem unser Lohngefüge drängt Frauen daher nach wie vor in die ökonomische Abhängigkeit von ihren Partnern und Partnerinnen. Das damit verbundene Machtgefälle und Missbrauchspotenzial muss ich an dieser Stelle wohl kaum weiter ausführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg hin zu einer echten Gleichstellung von Frauen kann nicht länger sein, junge Frauen zur Vorsicht zu mahnen, sondern er muss darin liegen, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit Frauen endlich auch ökonomisch auf ihren eigenen Beinen stehen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP])

Die Maßnahmen in diesem Gesetz sind dafür ein sehr wichtiger Schritt. Der Mindestlohn von 12 Euro kommt vor allem Frauen zugute, da ihre Löhne und Gehälter im Schnitt niedriger sind. Der Mindestlohn von 12 Euro bringt uns ein ganzes Stück näher zu einer Lohnuntergrenze, die eine Rente oberhalb der Grundsicherung ermöglicht und somit Altersarmut vorbeugt. Von diesem Mindestlohn von 12 Euro profitieren 20 Prozent aller erwerbstätigen Frauen in Deutschland – eine traurig hohe Zahl, die uns aber noch einmal sehr eindrücklich zeigt, wie wichtig dieser Schritt ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Teil dieses Gesetzespakets ist aber auch die Ausweitung der Einkommensgrenze für Minijobs auf 520 Euro. Nun ist es kein Geheimnis – das haben wir bereits gehört –, dass wir Sozialdemokratinnen und ‑demokraten diese Ausweitung nicht unbedingt gebraucht hätten. Unter zwei Prämissen, die im Koalitionsvertrag festgehalten wurden, gehen wir diesen Schritt jedoch mit: Erstens dürfen Minijobs keine reguläre Beschäftigung ersetzen. Zweitens dürfen Minijobs nicht länger zur Teilzeitfalle für Frauen werden.

Für uns als Ampelkoalition ist klar, dass vor allem sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gestärkt werden muss.

(Beifall bei der SPD – Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Mit dieser Gesetzesreform bauen wir daher eine Brücke von Minijobs in die Sozialversicherungspflicht. Wir schaffen die harte Abbruchkante bei der Überschreitung der Minijobgrenze ab.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke? Ihre Redezeit wird angehalten, und Sie haben für die Beantwortung auch noch zusätzliche Redezeit.

Ja, gerne.

Vielen Dank, liebe Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich möchte nur kurz nachhaken, weil Sie gesagt hatten, es sei eine Prämisse, dass letztendlich keine regulären Jobs ersetzt werden, und Sie fragen, was Sie zu der ifo-Studie sagen, die letzte Woche veröffentlicht worden ist. Der ifo-Forscher Maximilian Blömer wird dazu in einem Zeitungsbericht wie folgt zitiert:

Als Folge der Reform dürften vor allem Männer ihre Arbeitszeit erhöhen, während viele Frauen „ihre Arbeitszeit verringern und noch häufiger in Teilzeit arbeiten“

werden.

Die „Teilzeitfalle, von der vor allem Frauen als Zweitverdienerinnen betroffen sind“, drohe sich zu verschärfen.

Was sagen Sie denn zu dieser Aussage angesichts Ihrer Prämisse?

Vielen Dank, Frau Kollegin, für diese Frage. Ich denke, dass Frauen durch die neue Regelung, die wir im Übergangsbereich schaffen – ehemals als Midijobs bekannt –,

(Bernd Rützel [SPD]: Genau! Sehr gut!)

eben doch den Weg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in diesem Gesetzentwurf jetzt ja vorgesehen, dass die harte Abbruchkante, die bisher bestand, also dass man, wenn man über 450 Euro bzw. künftig 520 Euro verdient hat, in die volle Sozialversicherungspflicht fiel und von daher über 100 Euro mehr verdienen musste, um am Ende überhaupt mehr Netto vom Brutto zu haben, abgeschafft wird, indem nun die Sozialversicherungsbeiträge zunächst dadurch geschmeidig ansteigen, dass der Arbeitgeberanteil sinkt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Genau das führt doch dazu, dass eine Brücke gebaut wird von den Minijobs hin in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Von daher glaube ich, dass dieses Instrument, das die Bundesregierung vorgeschlagen hat und das wir gerne unterstützen, der richtige Weg ist, um den Weg heraus aus dem Minijob zu finden. – Das sage ich auf Ihre Frage. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Carl-Julius Cronenberg [FDP])

Es ist also richtig, dass es diese Brücke gibt; denn es ist unser Ziel, dass insbesondere Frauen mehr als zehn Stunden in der Woche arbeiten und damit eine eigenständige ökonomische Absicherung erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für eine echte ökonomische Gleichstellung von Frauen ist noch viel zu tun. Insbesondere ist eine zügige Abschaffung der Steuerklasse V zu wünschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem kann ich voller Überzeugung sagen: Der Tag, an dem wir dieses Gesetzespaket beschließen, ist ein guter Tag für die Frauen in diesem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535622
Wahlperiode 20
Sitzung 31
Tagesordnungspunkt Mindestlohn - geringfügige Beschäftigung
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