Christoph de VriesCDU/CSU - Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es ganz bemerkenswert, dass wir heute über Rückführungen diskutieren, aber ich bisher in fast keiner Rede etwas zu Rückführungen gehört habe, außer in der meines geschätzten Kollegen Josef Oster.
Herr Lindh, man hat gemerkt: Der Grat zwischen Philosophie und Sinnlosigkeit ist manchmal ein schmaler.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Das muss ich an der Stelle durchaus sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Bei den Grünen habe ich festgestellt, dass die eigenen Statistiken valider sind als alle öffentlichen Statistiken der Bundesrepublik Deutschland. Auch das konnte ich heute mitnehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht meine Statistik! Mir müssen Sie nichts von der Statistik erzählen! Ich bin Volkswirtin!)
Herr Baumann, dass nun ausgerechnet Ihre Partei den Krieg gegen die Ukraine zum Anlass nimmt, hier Abschiebungen zu forcieren, ist mehr als zynisch. Ihre Partei ist mit Putin und seiner Propaganda in Deutschland erst groß geworden.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Und mit der SPD groß geworden! Mit Merkel!)
Das hier zum Anlass zu nehmen, ist wirklich absurd. Da haben Sie einen Riesennachholbedarf in Sachen Glaubwürdigkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen über das Thema Rückführung debattieren; denn es ist doch völlig klar, dass das trotz vieler Anstrengungen, die auch wir unternommen haben, bis heute in Deutschland nicht zufriedenstellend gelingt. Es gibt rechtliche Hindernisse, es gibt tatsächliche Hindernisse, die wir in Deutschland haben. Aber es gibt auch ganz andere Ursachen. Damit meine ich vor allen Dingen den mangelnden politischen Willen mancher Landesregierung, deren Farben uns hier nur allzu gut bekannt sind.
Wir können über die Zahlen gerne streiten. Aber lassen Sie mich nur mal das Beispiel Bremen – Rot-Rot-Grün – nennen. Dort wurden im letzten Jahr 0,63 Prozent der gesamten ausreisepflichtigen Personen abgeschoben. Nicht einmal 1 Prozent! In diesem Zusammenhang kann man auch nicht unerwähnt lassen, dass die Grünen die Ausweitung der Zahl sicherer Herkunftsstaaten seit Jahren im Bundesrat mit ihrer Stimme, die sie dort haben, blockieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Neben Parteien wie Grüne und Linke sind es aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen, die regelmäßig rechtsstaatliches Handeln, das teilweise durch alle gerichtlichen Instanzen bestätigt wurde, gezielt medial anprangern und versuchen, es als inhuman zu desavouieren.
(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kirche meinen Sie, oder?)
Lassen Sie mich deshalb in aller Deutlichkeit sagen: Wir leben immer noch in einem Rechtsstaat. Das darf ich auch Ihnen als Vertreter der Grünen gerne einmal sagen.
Für uns als CDU/CSU ist eines ganz klar: Die konsequente rechtsstaatliche Rückführung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern ist ein integraler Bestandteil eines funktionierenden Asylsystems in Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb bekennen wir uns ausdrücklich zum geschützten Recht auf Asyl. Aber jeder, der Abschiebungen ausreisepflichtiger Personen behindert, immer neue Abschiebehindernisse aufbaut oder im Einzelfall Stimmung dagegen macht, muss sich auch immer darüber im Klaren sein, dass er damit die Funktionsfähigkeit und Akzeptanz unseres Asylsystems in Deutschland beschädigt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die AfD fordert eine nationale Kraftanstrengung zur Abschiebung; es ist angesprochen worden. Das ist in der Sache nicht falsch, und einige Forderungen sind auch berechtigt.
(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Stimmen Sie jetzt der AfD zu?)
Aber Ihre Forderungen sind an vielen Stellen unsauber, und es gibt einen grundsätzlichen Punkt, den wir als Union auch aus unserem europäischen Grundverständnis heraus entschieden ablehnen. Sie fordern zum Beispiel die Bundesregierung auf, die Zahl der Abschiebehaftplätze zu erhöhen und Abschiebungen durch die Bundespolizei vornehmen zu lassen. Das sind alles Aufgaben, die eindeutig in die Zuständigkeit der Länder gehören. Insofern haben Sie Ihre Forderungen an dieser Stelle falsch adressiert. Aber der ganz entscheidende Punkt ist folgender: Eine der größten europäischen Errungenschaften ist die Freizügigkeit in Europa, der ungehinderte Verkehr zwischen den europäischen Ländern, das Zusammenwachsen der grenznahen Regionen. Wir wollen diese großartige Errungenschaft nicht aufgeben.
(Beatrix von Storch [AfD]: Koste es, was es wolle!)
Deswegen lehnen wir diese Forderung ab. Etwas anderes ist es, wenn wir temporäre, gezielte Kontrollen vornehmen, wenn es Krisensituationen erfordern, so wie wir es auch schon gemacht haben.
Doch zurück zur Sache und zur Bundesregierung, die am Zuge ist. Es ist angesprochen worden: Sie haben großspurig eine Rückführungsoffensive angekündigt. Dass Ihre Bundesregierung nach fünf Monaten im Amt noch nicht eine einzige konkrete Maßnahme ergriffen hat, ist bezeichnend.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Genau!)
Der Sonderbevollmächtigte für den Abschluss von Migrationsabkommen ist erwähnt worden. Die Wahrheit ist doch – das ist auch heute in den Reden deutlich geworden –: Diese Koalition möchte am liebsten niemanden aus Deutschland abschieben. – Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da applaudiert Ihnen die AfD! Gucken Sie mal nach ganz rechts, wer für Sie klatscht! – Zuruf des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])
Dabei würde eine Abschiebeoffensive durchaus zur Entlastung der Lage beitragen, um Frauen und Kindern aus der Ukraine in der jetzigen Situation zu helfen, meine Damen und Herren.
Sie verfolgen ein anderes Modell. Sie wollen die Zahl der freiwilligen Ausreisen erhöhen; das kann ja auch ein Ansatz sein. Das waren im letzten Jahr immerhin 21 000 Personen. Aber da frage ich mich: Warum sind die Mittel im Haushaltsplan dieses Jahres dann nicht mal erhöht worden? Auch da ist vonseiten der Bundesinnenministerin nichts passiert.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir in einer anderen Krise stecken!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der „Focus“ hat im Innenministerium einmal angefragt, was im Rahmen dieser Rückkehrinitiative bisher unternommen wurde. Die einzige Auskunft ist dort gewesen – ich zitiere –: „Die nähere Ausgestaltung … ist Gegenstand von Beratungen innerhalb der Bundesregierung.“ Da kann man nur sagen: Frau Bundesministerin Faeser – sie ist inzwischen leider nicht mehr hier –, zeigen Sie endlich mal Initiative, und packen Sie dieses Thema an! Es ist dringend überfällig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich bitte, bei der Vorbereitung der noch zu haltenden Reden Zitate und Ähnliches in die Redezeit einzupreisen. Ansonsten reden Sie nämlich irgendwann auf Kosten Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die in der Redeliste noch vorgesehen sind, und dann muss ich deren Redezeit kürzen.
Das Wort hat die Kollegin Gülistan Yüksel für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535635 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen |