Gülistan YükselSPD - Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Von meiner langjährigen ehrenamtlichen Integrationsarbeit weiß ich, dass nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, bleiben kann. Ich weiß aber auch, dass es abgelehnte Asylbewerber gibt, die schon längst Teil unserer Gesellschaft sind. Immer wieder habe ich deshalb genau das getan, was die AfD mit ihrem Antrag zu verhindern trachtet: Ich habe Menschen, die hier zu Hause sind, geholfen, ein Bleiberecht zu bekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Von einem dieser Fälle möchte ich hier kurz berichten. Es geht um einen Jungen, der hier zur Schule gegangen ist. Nennen wir ihn Alexander; er hieß zwar anders, aber vielleicht fällt es der AfD ja leichter, bei einem deutschen Vornamen zuzuhören und vielleicht auch mitzufühlen. Alexanders Eltern waren nach Deutschland geflohen und hatten hier einen Duldungsstatus. Als Alex 18 Jahre alt wurde und kurz vor seinem Abitur stand, sollte er abgeschoben werden – in das Land seiner Eltern, getrennt von seinen Eltern und Geschwistern, weg von seinem vertrauten Umfeld, in ein Land, das ihm fremd war. Mit seiner Volljährigkeit gab ihm der Duldungsstatus seiner Eltern keinen Schutz mehr. Er galt plötzlich als abgelehnter Asylbewerber. Zusammen mit vielen Engagierten haben wir uns dafür eingesetzt, dass Alex in Deutschland sein Abitur machen konnte. Später hat er sogar Jura studiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, die AfD schreibt in ihrem Antrag, dass der deutschen Bevölkerung nicht vermittelbar sei, dass – so wörtlich – „dieser Personenkreis trotz der finalen Ablehnung des ihres Antrages in Deutschland verbleiben kann“. Das ist nicht nur falsches Deutsch, es ist vor allem inhaltlich falsch.
(Heiterkeit bei der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie haben falsch vorgelesen! Deshalb ist es falsch!)
– Gucken Sie mal in die Begründung Ihres Antrags; da steht es genau so drin. – Vielen Menschen ist nämlich schlichtweg nicht vermittelbar, warum gut integrierte Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, abgeschoben werden sollen. Auch die Menschen im Umfeld von Alex haben nicht verstanden, warum ein Junge, der hier groß geworden ist, kurz vor seinem Abitur Deutschland verlassen sollte.
Die AfD versucht immer wieder, den Eindruck zu erwecken, als würde sie für die Mehrheit der Deutschen sprechen. Das tun Sie eben nicht!
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Richtig!)
Vermutlich weiß sie das selbst nur zu gut und hat es in ihrem Antrag auch deshalb auf die Zivilgesellschaft abgesehen. NGOs, die sich gegen Abschiebungen engagieren, will sie kurzerhand von jedweder Förderung ausschließen. Das lassen wir nicht zu! Wir lassen auch nicht zu, dass Sie die Helferinnen und Helfer diskreditieren und mundtot machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Auch in diesem Antrag wird mal wieder von „tausenden Straftätern“ und einer „Nationalen Abschiebeoffensive“ fabuliert, um so „notwendigen Platz“ schaffen zu können. Solche Formulierungen sind menschenverachtend. Sie säen Hass und spalten unsere Gesellschaft. Und dem stellen wir uns entschieden entgegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, meine zu Anfang geschilderte Geschichte des 18-jährigen Alex ist längst kein Einzelfall. Kürzlich erschien in der „taz“ ein lesenswerter Artikel über eine Abschiebung von 17 Menschen in das Bürgerkriegsland Äthiopien. Darunter war nicht nur ein schwer kranker Menschenrechtsaktivist mit Schwerbehindertenausweis, sondern auch Abere, ein junger Mann, der seit Jahren hier gelebt, gearbeitet und Steuern gezahlt hat. Wer sich die Geschichten der Abgeschobenen anhört, wird nicht länger für Hass und Hetze empfänglich sein. Wer die aktuelle Abschiebepraxis kennt, wird verstehen, dass es vor allem eine Kraftanstrengung für ein humaneres und besseres Aufenthaltsrecht braucht.
Und genau das haben wir uns als Koalition vorgenommen. Menschen wie Abere und Alex sollen nicht abgeschoben werden. Deshalb ändern wir das Aufenthalts- und Bleiberecht. Wir werden nicht nur die Beschäftigungsduldung entfristen. Wir werden insbesondere auch Integrationsleistungen von Geduldeten würdigen, indem wir ihnen nach sechs bzw. Familien nach vier Jahren ein Bleiberecht eröffnen. Jugendlichen bis zum 27. Lebensjahr wollen wir schon nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland die Möglichkeit für ein Bleiberecht geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sosehr wir auf politischer Ebene pragmatische Regelungen für betroffene Menschen suchen und umsetzen, so wichtig bleibt das Engagement der Menschen vor Ort. Ob Mahnwache, Hilfsverein oder individuelle Unterstützung: Viele Menschen helfen Geflüchteten, auch und gerade in der Ausnahmesituation einer drohenden Abschiebung. – Herr Baumann, es wäre schön, wenn Sie zuhören würden. Sie quatschen die ganze Zeit. Sie haben den Antrag gestellt. Vielleicht hören Sie einfach mal zu.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin ich sehr dankbar. Dank der vielen Helferinnen und Helfer konnte Alex in Deutschland bleiben. Er und seine Familie sind nur ein Beispiel von vielen Geflüchteten, die heute Teil von Deutschland geworden sind. Deutschland ist ein vielfältiges Land, und das ist auch gut so.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Für die CDU/CSU hat nun der Kollege Alexander Hoffmann das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 31 |
Agenda Item | Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen |