Ann-Veruschka JurischFDP - Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich zitiere: „Wut, ich habe wirklich Wut gespürt, und auch Trauer. Diese Menschen, die Arbeit haben, hier Fuß gefasst haben und uns nicht zur Last fallen, die wieder wegschicken – unmöglich!“ und „Arbeitgeber brauchen doch ganz dringend solche Leute!“ Das sind Zitate aus meiner Heimatstadt Konstanz, als Ende 2019 ein junger Mann aus Nigeria in seine Heimat abgeschoben wurde. Er war bestens integriert und ein geschätzter Mitarbeiter bei einem Konstanzer Gastronomen. Es gab Demonstrationen in Konstanz gegen die Abschiebung, einen offenen Brief der Gemeinderatsfraktion an Bundeskanzlerin Merkel, eine Petition – alles ohne Erfolg. Es war am Ende eine Abschiebung, die uns als Gesellschaft nur geschadet und nichts genützt hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass es natürlich auch Fälle nicht glückender Integration von geflüchteten Menschen gibt, wie wir sie ebenfalls in meinem Wahlkreis vor Kurzem in nichtakzeptabler Form erlebt haben. Hier muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats konsequent reagiert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)
Aber kommen wir zum Anfang zurück. Es ist höchste Zeit, dass wir das uns hinterlassene Stückwerk von Frau Merkels Flüchtlings- und Einwanderungspolitik zu einem sinnhaften Ganzen bringen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Fangen Sie mal an damit!)
Es ist höchste Zeit, dass wir die Migrationspolitik vom Kopf auf die Füße stellen. Das beginnt damit, dass wir mit offenen Augen sehen, wer und was wir in Deutschland sind: Deutschland ist ein Einwanderungsland.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Noch hadern wir mit dieser Erkenntnis und gestalten viel zu wenig – genauso übrigens, wie wir uns bis vor Kurzem kollektiv der Erkenntnis verweigert haben, dass wir eine sicherheitspolitische Verantwortung in Europa haben. Machen wir die Augen auf für diese Realität: Deutschland ist ein Einwanderungsland,
(Zuruf von der AfD: Ohne Regeln!)
und das ist gut so.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unsere migrantischen Mitbürgerinnen und Mitbürger leisten einen wichtigen und großen Beitrag an die Stabilität und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Deutschland ist ein Einwanderungsland; lassen Sie uns das ambitioniert, strategisch und zukunftsorientiert gestalten.
Erstens. Räumen wir bei den Altfällen in der Duldung auf, und schaffen wir für gut integrierte, straffreie Migranten Rechtssicherheit im Sinne eines Chancenaufenthalts. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass es sich um die Regelung von Altfällen handelt, also für Menschen, die schon bei uns sind, um auch diesen gern bedienten Narrativen von Pull-Effekten gleich mal einen Riegel vorzuschieben.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Einer Stärkung der legalen Migration, vor allem auch der Migration in den Arbeitsmarkt, muss natürlich eine konsequente Reduktion illegaler Migration gegenüberstehen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aha!)
Wir benötigen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Schnellere Abschiebung!)
Dies geht Hand in Hand mit dem Abschluss von mehr Rückführungsabkommen, um das Ausreisen von Straftätern und Gefährdern auch umsetzen zu können. Der dazu nötige Sonderbevollmächtigte muss deswegen zügig ernannt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Drittens – und am Wichtigsten aus meiner Sicht –: Angesichts der demografischen Lage und 400 000 fehlender Arbeitskräfte jährlich müssen wir unser Land für eine gezielte, bedarfsorientierte Arbeitskräftemigration öffnen. Wer Einwanderungsland sagt, sollte sich auch für Arbeitskräftemigration starkmachen. Wir haben deshalb in unserem Koalitionsvertrag ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild zur Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt vereinbart.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das haben wir schon 2013 gefordert!)
Auch auf europäischer Ebene gibt es dazu seit ein paar Tagen übrigens ganz konkrete Vorschläge. Die Erleichterung von Arbeitsmigration sollten wir jetzt gerade auch mit Blick auf die letztlich ja auch nur geduldeten Kriegsvertriebenen aus der Ukraine sehr zügig umsetzen.
Wir alle sind gewählt worden, um die richtigen Entscheidungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu treffen. Dabei sind eine aktive und gestaltende Arbeitsmigrationspolitik und Asylpolitik ein zentraler Baustein. Lassen Sie uns das so schnell wie möglich umsetzen.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat der Kollege Michael Breilmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535640 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen |