Rainer KellerSPD - Forcierung der Klimaanpassung
Herr Präsident, vielen Dank. Der Rainer reicht. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gefreut, dass der vorliegende Antrag von der CDU/CSU eingebracht wurde; denn die Klimaanpassung ist wirklich ein extrem wichtiges Thema, dem wir uns in diesem Hause widmen müssen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Wir haben Wahlen, in NRW und in Schleswig-Holstein, und just in diesem Augenblick kommt dieser Antrag aufs Tapet. Das finde ich sehr spannend. Gehen wir jedoch mal weiter vor.
„Die Kinder von heute werden zwei- bis siebenmal mehr Extreme erleben als ihre Großeltern“ – so lautet der Titel einer Mitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung vom September 2021. Anlass für die Veröffentlichung war eine Studie zu zukünftigen Extremwetterereignissen in der Fachzeitschrift „Science“. Die Ergebnisse dieser Studie lassen die beteiligten Forscherinnen und Forscher zu einem eindeutigen Schluss kommen: Die Menschen, die heute unter 40 Jahre alt sind, werden aufgrund von Dürren, Überschwemmungen, Ernteausfällen ein Leben führen, welches man nur noch als beispiellos bezeichnen kann.
Die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, sind immens. Dennoch dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen die uns zur Verfügung stehenden Mittel und Instrumente nach Möglichkeit entschieden nutzen. Im Koalitionsvertrag haben wir zahlreiche Maßnahmen vereinbart, damit wir bei der Klimaanpassung entscheidende Schritte vorankommen. Den Veränderungen müssen wir zielgerichtet begegnen – wohlgemerkt: zielgerichtet. Dazu benötigt es an vielen Stellen einen regelrechten Umbau des Landes, damit die nächsten Generationen besser mit den sicherlich auftretenden Extremwetterereignissen umgehen können.
(Beifall bei der SPD)
Ein Projekt aus meiner nordrhein-westfälischen Heimat zeigt, wie solche Maßnahmen aussehen können. Dort ist es über viele Jahre hinweg entlang der Lippe, einem Zufluss zum Rhein, gelungen, den Flusslauf weitestgehend auf seinen natürlichen Zustand zurückzuführen. Die renaturierten Auen und Ufer tragen nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern sie bieten auch natürliche Überschwemmungsflächen und sorgen damit für einen effektiven Hochwasserschutz. Dieses auf regionaler und kommunaler Ebene realisierte Programm ist somit eine Win-win-Situation für alle Beteiligten und eben auch die Natur. Davon brauchen wir in diesem unserem Land deutlich mehr.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
Wie man jedoch Klimaanpassung nicht angehen sollte, zeigt sich leider auch in NRW.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit dem 2021 verabschiedeten Klimaanpassungsgesetz hat die dortige Landesregierung eine Hülle ohne Substanz und ohne Leben geschaffen.
(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Die Kommunen werden seitdem nicht mehr in die konkreten Maßnahmen eingebunden. Ebenso wurden keine zusätzlichen Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Da frage ich mich schon, wie das eigentlich gehen soll. Das wird so nicht funktionieren.
Darüber hinaus wurden mit dem Gesetz die Ergebnisse und Erkenntnisse des Klimaschutzplans NRW vollständig ignoriert. Diese Erfahrungen wären aber eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche und wirkungsvolle Klimaanpassung gewesen; denn die 66 darin vereinbarten Maßnahmen waren das Ergebnis eines intensiven Dialogs aller gesellschaftlichen Gruppen in NRW. Hier wurden von der CDU Chancen vertan, ganz eindeutig.
Es wird einmal mehr deutlich, dass Ihr vorgelegter Antrag nicht Ihrem Handeln entspricht; denn dort, wo Sie noch Regierungsverantwortung tragen, gelingt es Ihnen nämlich nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Daher ist es gut, dass Sie im Bund bereits in der Opposition sind und diese Rolle bald auch wieder in NRW einnehmen werden.
(Lachen der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
Klimaanpassung hat jedoch nicht nur etwas mit notwendigen baulichen oder Renaturierungsmaßnahmen zu tun. Vielmehr ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Der richtige Umgang mit Klimafolgen und den daraus entstehenden akuten Notsituationen rettet Leben und schützt Infrastruktur. Wir haben die Beispiele alle noch im Kopf: letztes Jahr an der Ahr und in Nordrhein-Westfalen in der Eifel. Wenn man dann weiter zurückschaut: 70 Prozent der Naturkatastrophen der letzten zehn Jahre sind laut einer Studie des Internationalen Roten Kreuzes auf den Klimawandel zurückzuführen. Das sind erschreckende Zahlen, meine Damen und Herren. Dies sehe ich auch bestätigt durch meine Erfahrungen als ehemaliger Katastrophenschutzbeauftragter: Wir sind immer mehr mit solchen Situationen konfrontiert.
Extremwetterereignissen, die durch den menschengemachten Klimawandel verursacht werden, begegnen wir immer mehr in der Gefahrenabwehr; und dem müssen wir entgegentreten.
(Beifall der Abg. Carsten Träger [SPD] und Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Hier, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, müssen wir deutlich besser werden, um Menschen und Natur den Schutz zu gewähren, den sie verdienen. Staatliches Handeln muss an vielen Stellen deutlich besser werden; und dafür stehen wir hier.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jetzt sei mir noch ein letzter Satz gegönnt, aber das wird nicht mehr funktionieren bei nur noch zwei Sekunden.
(Zuruf von der AfD: Dann sagen Sie doch noch den Satz!)
Einen letzten Satz haben Sie noch.
Einen letzten Satz habe ich noch. – Wir müssen auch zusehen – und das ist enorm wichtig –, dass wir die Länder mit an Bord holen. Denn gerade die Forcierung im Bereich des Katastrophenschutzes, die Sie in Ihrem Antrag auch formuliert haben, ist Sache der Länder.
Das war der letzte Satz.
Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Keller. – Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von meiner Seite.
Wir fahren fort in der Debatte, und der nächste Redner ist Andreas Bleck, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 20 |
Session | 31 |
Agenda Item | Forcierung der Klimaanpassung |