Helge LindhSPD - Deutsche Welle - Aufgabenplanung 2022 bis 2025
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Minuten läuft auf Rossija Odin – also auf einem der russischen Staatssender – ein Beitrag, in dem die Botschaft vermittelt wird, dass Deutschland den Willen bekundet hätte, 88 Panzer an die Ukraine zu schicken, und damit ganz klar der Weg zum Neonationalsozialismus beschritten würde, weil, abgeleitet aus der Numerologie, die 88 ein Verweis wäre auf Adolf Hitler, auf das 8. Kapitel und auf einen Absatz mit 88 Wörtern in „Mein Kampf“.
Das läuft gerade im russischen Staatsfernsehen. Wenn der Wahnsinn zur normalen Lesart wird, dann brauchen wir umso mehr die Stimme der Vernunft, den Text der Vernunft und die Sprache der Vernunft. Und diese Stimme, diese Sprache, dieser Text der Vernunft ist die Deutsche Welle. Diese Stimme der Vernunft sitzt auch oben auf der Tribüne, und zwar in Form einer Delegation unter Leitung von Peter Limbourg. Danke Ihnen allen, dass Sie die Stimme der Vernunft sind. Wir brauchen Sie dringender denn je!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Oft ist es ja so, dass man etwas, das selbstverständlich ist, nicht zu wertschätzen weiß, und erst, wenn es gefährdet ist, wenn es angegriffen wird, wenn wir den Gegensatz sehen, erkennen wir den Wert. Wir haben den Wert der Deutschen Welle schon lange erkannt, aber jetzt ist er uns umso bewusster geworden. Und spätestens in dem Moment, in dem durch die Verbote in Russland, durch Sanktionen, durch radikale Zensurmaßnahmen die Deutsche Welle und ihre Verkündung der vielfältigen nüchternen, journalistisch geprägten Wahrheit angegriffen wurden, die Deutsche Welle aber Wege gefunden hat, sich diesem Angriff nicht einfach zu beugen, da wurde uns auch klar, was wir an ihr haben.
Es gibt von Petrarca – wir führen heute eine Kulturdebatte, deshalb machen wir auch noch lateinisches Programm – die wunderbare Arbeit „De remediis utriusque fortunae“ – „Über Heilmittel gegen beide Arten des Glücks“, also Glück und Unglück. Und als solches werte ich auch ein Medium wie die Deutsche Welle. Sie ist ein Heilmittel gegen das vermeintliche Glück der Diktatur mit einfachen Wahrheiten, mit klarer propagandistischer Linie, und sie ist zugleich auch ein Heilmittel gegen das vermeintliche Unglück der Demokratie mit Kompromissen, mit Vielfalt von Meinungen, mit dem mühsamen Diskutieren, das wir auch hier im Parlament erleben. Genau so ein solches Heilmittel ist die Deutsche Welle, und wir brauchen solche Heilmittel mehr denn je.
Die Deutsche Welle ist auch so etwas wie eine genuine Waffe der wehrhaften Demokratie gegen eine systematische Politik der Desinformation. Wir unterschätzen hybride Kriegsführung, und wir unterschätzen oft auch die systematisch betriebenen Formen der Verunsicherung, der Desinformation, die jeden Tag unser Land erreichen – nicht nur im Krieg, sondern schon lange vorher. Deshalb ist es, so glaube ich, richtig, festzuhalten, dass die Deutsche Welle die Antithese ist zu Sputnik, zu Russia Today oder zu Rossija Odin. Wir brauchen diese Antithese. Das verdient übrigens auch Applaus.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Gleichzeitig erwähnen wir bei der Aufgabenbeschreibung vom Auslandssender – aber letztlich ist es ein globales Medienunternehmen – Deutsche Welle immer die Vermittlung deutscher Werte, die Vermittlung deutscher Kultur, die Vermittlung deutscher Demokratie. Das Besondere ist aber – und das müssen wir uns jedes Mal deutlich machen –, dass in den vergangenen Jahrhunderten oft das Prinzip lautete, dass am deutschen Wesen die Welt genesen sollte, und dass das deutsche Auftreten ein solches der Arroganz war. Jetzt aber wird die Deutsche Welle anders wahrgenommen, und das bestätigen mir zahlreiche Menschen: ukrainischsprachige, russischsprachige, in Russland, Belarus, Ukraine, aber auch in Europa, in Deutschland. Jetzt wird diese Form der Kulturmittlung als eine solche der Pluralität, Diversität und der Demokratie verstanden. Und das ist etwas, worauf wir stolz sein können – denke ich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
So ist im Übrigen auch das schnell aufgebaute Videoformat auf Youtube „DW Russian“ extrem erfolgreich; man könnte sagen: ein Kracher. Die Aufrufzahlen sind immens. Es funktioniert ausgezeichnet. Und weil das so ist, ist es unsere Aufgabe als Parlamentarierinnen und Parlamentarier, unsere Wertschätzung nicht nur in netten Wortbeiträgen oder in ordentlichen Anträgen, sondern letztlich auch mit Geld auszudrücken. Deshalb wird im Ergänzungshaushalt auch die Unterstützung der Deutschen Welle enthalten sein. Sie ist notwendig gerade für die Bereiche russisch- und ukrainischsprachige Beiträge, Social Media und Stärkung der Redaktion. Aber wir brauchen auch – dieses Commitment müssen wir alle miteinander eingehen, denke ich; einige werden es nicht wollen, aber die können wir in dem Zusammenhang ignorieren – eine strukturelle, kontinuierliche Steigerung der Budgets für die Deutsche Welle. Nur so ist sie konkurrenzfähig, und nur so können wir auch mit BBC World und den anderen Stimmen der Freiheit und der Demokratie mithalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN und des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU])
Die Deutsche Welle ist natürlich Teil der Gesellschaft. Das Thema „Antisemitismus in der Redaktion“ wurde angesprochen. Das Entscheidende ist aber der Moment danach. Gefragt ist jetzt – da sind wir gewiss anstrengend und fordernd, aber dann auch fördernd – Konfliktmanagement und neben dem alleinigen Aspekt Antisemitismus der Umgang mit Diversität; das ist keine triviale Aufgabe. Eine partizipative Unternehmenskultur bedeutet auch gutes Konfliktmanagement, Diversitätsmanagement. Das ist Teil der Aufgabenplanung und muss es auch sein. Wir werden das begleiten, betrachten, aber auch unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Freiheit und Demokratie in der Information. Wir wollen vor allem eines, und das ist ja das kluge Motto der Deutschen Welle: freie Information für freie Entscheidung. Wir wollen nicht Sender und Medien, –
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.
– die Menschen vorschreiben, was sie zu denken haben, sondern wir wollen mündige Bürgerinnen und Bürger. Das gelingt der Deutschen Welle ziemlich gut, wie Bergische sagen würden, zumindest nicht schlecht. Dafür danke ich Ihnen. Wir haben unsere Arbeit zu tun, und wir werden sie tun.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Wort erhält für die AfD-Fraktion Martin Renner.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535728 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Deutsche Welle - Aufgabenplanung 2022 bis 2025 |