Eva Högl - Jahresbericht 2021 der Wehrbeauftragten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der entsetzliche Krieg in der Ukraine verändert alles. Für die Soldatinnen und Soldaten bedeutet das, dass es ernst werden kann, dass es schnell gehen muss und dass sie immer einsatzbereit sein müssen. Die Bündnis- und Landesverteidigung, die seit 2014 höchste Priorität hat, wird jetzt sehr konkret. Unsere Soldatinnen und Soldaten reagieren darauf mit hoher Professionalität und mit großer Ernsthaftigkeit. Zudem wird deutlich, wofür wir die Bundeswehr haben und warum wir sie brauchen: Unsere Soldatinnen und Soldaten verteidigen Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit. Deswegen sage ich ganz herzlich Danke schön an 184 000 Soldatinnen und Soldaten, die jeden Tag hochmotiviert, engagiert, pflichtbewusst ihren Dienst leisten.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Der Jahresbericht enthält immer das ganze Soldatenleben, von Ausbildung bis Zulagen. Ich habe im Jahresbericht 2021 auch neue Themen beschrieben, nämlich Klimawandel und Sport. Denn auch zum Thema Klimawandel kann die Bundeswehr eine ganze Menge beitragen; sie ist in einigen Bereichen auch Vorreiterin. Und das Thema Sport beschäftigt die Bundeswehr nicht nur im Jahr der Olympischen Spiele, sondern jeden Tag; und da gibt es noch viel zu tun.
Der Jahresbericht listet immer Mängel, Fehler, Versäumnisse auf. Im besten Fall ist er eine Grundlage für Verbesserungen, die das Ministerium und natürlich der Deutsche Bundestag auf den Weg bringen. Ich habe mir aber vorgenommen – das ist auch in diesem Jahresbericht wieder der Fall –, gute Beispiele aufzuzählen, Dinge zu erwähnen, auf die wir stolz sein können, die erreicht wurden und die auf gutem Weg sind.
Wir bearbeiten im Amt der Wehrbeauftragten im Jahr 4 000 Vorgänge. Im Jahr 2021 gab es 2 606 individuelle Eingaben von Soldatinnen und Soldaten. Ich habe 60 Truppenbesuche absolvieren können. Ich bin wirklich dankbar, dass ich trotz Corona viele Gespräche führen konnte und dass ich 2021 auch endlich, endlich, endlich in die Einsatzgebiete reisen konnte – nach Litauen, nach Mali und nach Niger.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und ich bin gerade erst in Jordanien und im Irak gewesen.
An dieser Stelle, liebe Abgeordnete, möchte ich ganz herzlich dem Amt der Wehrbeauftragten danken. 64 Kolleginnen und Kollegen bearbeiten die Anliegen der Soldatinnen und Soldaten mit Erfahrung, mit Sorgfalt, mit Engagement und mit viel Herzblut. Sechs der Kolleginnen und Kollegen sind heute hier. Ihnen danke ich stellvertretend sehr herzlich.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich habe gesagt: 2021 war das Jahr der Bundeswehr. Denn die Truppe hat gezeigt, was sie kann. Bei der Amtshilfe oder beim Ende des Afghanistan-Einsatzes: Die Bundeswehr war da, wo sie gebraucht wurde, professionell und zuverlässig.
Die Bundeswehr ist jetzt so gefordert wie nie. Deshalb brauchen unsere Soldatinnen und Soldaten beste Rahmenbedingungen. Das betrifft Material, Personal und Infrastruktur. Ich begrüße deshalb ausdrücklich das geplante 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen und die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Das sind in schweren Zeiten gute Nachrichten für die Bundeswehr.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Mittel sollen genutzt werden, um die volle Einsatzbereitschaft wiederherzustellen. Damit kann finanziert werden, was in der Bundeswehr dringend benötigt wird. Ich sage ganz deutlich: Priorität sollte vor allem die persönliche Ausstattung haben: Helme, Schutzwesten, Bekleidung, Rucksäcke. Ich freue mich deshalb, dass der Bundestag dafür 2,4 Milliarden Euro bereitstellt, damit mehr und schneller beschafft werden kann. Denn das Geld, liebe Abgeordnete, muss schnell und vollständig in der Truppe ankommen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dazu müssen auch die Prozesse beschleunigt werden. Auch die 100 Milliarden Euro können nicht in den hergebrachten Verfahren ausgegeben werden. Das Vergaberecht muss vereinfacht werden, und wir brauchen in der Bundeswehr weniger Bürokratie.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Serap Güler [CDU/CSU])
Beim Material ist noch einiges zu tun. Selbst in den Einsätzen ist nicht alles da, was Soldatinnen und Soldaten für ihren Auftrag brauchen. Das betrifft die Ausstattung genauso wie das große Gerät. Der Grundsatz „Train as you fight“ von Ausbildung über Übung bis zum Einsatz kann leider nicht gewährleistet werden. Wenn es im Jahr 2021 so war, dass das große Gerät zu 77 Prozent einsatzbereit war, ist das zwar über die Jahre eine kleine Verbesserung, reicht aber noch lange nicht aus und ist noch nicht genug.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Ja, Sie verschenken ja gerade alles!)
Beim Thema Personal möchte ich positiv hervorheben, dass es trotz Corona gelungen ist – das ist eine wirkliche Leistung der Bundeswehr –, den Personalbestand auf demselben Niveau zu halten: 183 695 Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2021, davon 23 606 Frauen; das sind 12,85 Prozent. Ich habe das Thema Frauen im Jahresbericht hervorgehoben, weil wir nämlich 2021 seit 20 Jahren Frauen in allen Teilen der Bundeswehr hatten. Das ist ein Erfolg!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich verbinde das mit der Forderung: Wir brauchen mehr Frauen in der Bundeswehr. 12,85 Prozent reichen noch nicht aus. Wir brauchen vor allem mehr Frauen in Führungspositionen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der gesamte Bereich „Personalgewinnung, Personalentwicklung, Personalbindung“ ist eine enorme Aufgabe für die Bundeswehr. Deswegen muss sie gute Angebote machen. Sie muss aber auch ein realistisches Bild zeigen; denn Soldat/Soldatin zu sein, ist kein normaler Job. Darauf muss die Personalgewinnung auch deutlich Rücksicht nehmen.
Mich beschäftigt sehr das Thema Infrastruktur. Wir haben bis 2034 einen Investitionsbedarf von 19 Milliarden Euro. Die Bauverwaltungen der Bundesländer schaffen alle zusammen pro Jahr Vorhaben im Umfang von 1 Milliarde Euro. Das heißt, wir haben einen gewaltigen Investitionsstau. Wenn ich in den Kasernen bin, dann sehe ich: Der Zustand der Unterkunftsgebäude, der Sportplätze, der Schwimmhallen, der Truppenküchen ist nicht akzeptabel. Da muss etwas passieren.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
2021 stand auch im Licht des Endes des Afghanistan-Einsatzes: fast 20 Jahre Afghanistan-Einsatz. 93 000 Soldatinnen und Soldaten waren dort im Einsatz. 59 haben ihr Leben verloren. Viele sind verwundet an Körper und Seele zurückgekommen. Dieser Einsatz hat die Bundeswehr verändert; und deswegen ist es so wichtig, dass er aufgearbeitet wird. Ich hoffe sehr, dass die Enquete-Kommission bald eingesetzt wird; denn die Soldatinnen und Soldaten erwarten, dass dieser Einsatz aufgearbeitet wird.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist auch wichtig für künftige und laufende Einsätze. Es muss klar sein: Mit welchen Zielen geht die Bundeswehr in die Einsätze, in welchen Teilen der Welt, mit welchen Partnern, mit welchen Mitteln, in welchem Umfang und zu welcher Dauer? Das wollen die Soldatinnen und Soldaten geklärt wissen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])
Ich habe mich seit Amtsantritt sehr intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus befasst. Rechtsextremismus ist eine Gefahr in unserer Gesellschaft und deswegen auch ein Thema in der Bundeswehr. Es gibt mehr Fälle von Rechtsextremismus. Ich will Ihnen aber ganz deutlich sagen: Es gibt eine gestiegene Sensibilität, und es gibt dadurch auch mehr Meldungen aus der Truppe. Ich beobachte ein konsequentes Vorgehen in der Bundeswehr. Ich habe auch gute Beispiele im Jahresbericht aufgeführt: Zum Beispiel nach den Vorgängen in Litauen oder den Ereignissen beim Wachbataillon ist zügig gehandelt worden. Ich will Ihnen auch sagen, dass ich der Auffassung bin, dass auch die Spezialkräfte des Heeres, das KSK in Calw, auf einem guten Weg sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Corona beschäftigt und belastet die Truppe; das stelle ich im Jahresbericht auch dar. Es hat die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr verzögert, auch die Vorbereitung der NRF-Kräfte. Deswegen ist es gut und richtig, dass die Amtshilfe jetzt beendet ist. Wir hatten 2021 zur Hochzeit bis zu 19 000 Soldatinnen und Soldaten zeitgleich im Amtshilfeeinsatz. Das war eine grandiose Leistung. Und wir mögen uns nicht vorstellen, wie es in der Pandemiebekämpfung gewesen wäre ohne die Unterstützung der Soldatinnen und Soldaten. Aber, meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat andere Aufgaben. Die Amtshilfe ist subsidiär und für Krisenzeiten. Deswegen ist es gut, dass sie jetzt zu Ende gegangen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich ende mit dem Thema „Wahrnehmung in der Gesellschaft“. Es gibt jetzt eine hohe Aufmerksamkeit für die Bundeswehr. Das tut den Soldatinnen und Soldaten gut. Aber ich will noch einmal sagen: Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen Respekt, Anerkennung, Wertschätzung und Dank, aber sie brauchen vor allen Dingen ganz viel Interesse aus der Gesellschaft und auch aus dem Deutschen Bundestag. Der Bundestag hat Verantwortung für die Bundeswehr. Und deswegen freue ich mich in der nächsten Zeit auf viele gute Beschlüsse und Entscheidungen hier im Bundestag zur Stärkung und zur Unterstützung unserer Soldatinnen und Soldaten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich Ihnen, Frau Dr. Högl, als Wehrbeauftragte noch mal im Namen des ganzen Hauses für diesen vorgelegten Bericht danken. Dieser Dank gilt natürlich auch Ihrem Team und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Herzlichen Dank.
(Beifall)
Damit eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat zuerst die Bundesministerin Christine Lambrecht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 32 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2021 der Wehrbeauftragten |