Falko DroßmannSPD - Jahresbericht 2021 der Wehrbeauftragten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Wehrbeauftragte Dr. Högl! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen der SPD-Bundestagsfraktion ganz herzlichen Dank für diesen 63. Bericht, den Sie uns vorgelegt haben.
Meine Damen und Herren, der uns vorliegende 63. Bericht der Wehrbeauftragten dieses Hauses zeichnet in guter Tradition ein objektives Bild des Zustandes unserer Streitkräfte und unserer Bundeswehrverwaltung, ein Bild, das frei ist von parteilichen Tendenzen, aber parteiisch ist für unsere Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigten. Wie jede vorherige Inhaberin und jeder vorherige Inhaber dieses wichtigen Amtes hat aber auch Eva Högl ihre eigenen Schwerpunkte gesetzt. Vor allem begrüße ich die besondere Betrachtung der Situation von Frauen in der Bundeswehr sowie den neuen Schwerpunkt der umwelt- und klimapolitischen Herausforderungen unserer Truppe.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ihnen, Frau Bundesministerin Lambrecht, danke ich ausdrücklich für die Schlüsse, die Sie aus diesem Bericht gezogen haben. Ich bin mir sicher, dass Sie diesen Bericht nicht nur als Sachdarstellung, sondern als Arbeitsauftrag verstehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn das ist er: ein Arbeitsauftrag. So wurde er in den letzten Jahren auch verstanden.
Führt man sich die Plenardebatten der letzten Jahre einmal zu Gemüte, finden wir auch den immer wiederkehrenden parlamentarischen Ablauf: Regierungsfraktionen loben das Ministerium, Opposition fordert endlich Konsequenzen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages richtet sich nach meinem Verständnis doch gerade nicht an das Bundesverteidigungsministerium, sondern an uns als Parlament.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das ist doch unsere Aufgabe, und es ist unsere Wehrbeauftragte, die uns über den Zustand, die besonderen Leistungen und Fehlentwicklungen unserer Bundeswehr, unserer Parlamentsarmee, berichtet.
Ich möchte an dieser Stelle – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – aus dem Plenarprotokoll der 93. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1955 zitieren. Dort sagt der großartige Sozialdemokrat Erich Ollenhauer nämlich:
Jede militärische Streitmacht ist nicht nur ein Teil der Exekutive, sondern sie schafft aus ihrem Wesen heraus ein Stück verfassungsrechtlicher Wirklichkeit neben der Exekutive, weil sie nach völlig anderen Grundsätzen aufgebaut wird als die zivile Verwaltung.
Und weiter:
Der demokratische Aufbau und die zivile Kontrolle sind daher nicht garantiert, indem die Militärs der Weisungsbefugnis des Verteidigungsministers
– bzw. der Verteidigungsministerin –
unterstellt werden und indem es die Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers gegenüber dem Parlament gibt.
Die Position der Streitkräfte – so sagt Ollenhauer – muss durch direkte Einwirkungsmöglichkeiten des Parlaments gesichert sein.
(Beifall bei der SPD)
Und, meine Damen und Herren, wenn wir den Begriff „Parlamentsarmee“ ernst nehmen, dann ist es doch unsere Aufgabe, die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Wie kommt es denn, dass unsere Streitkräfte derzeit in einem Zustand sind, der ein Sondervermögen überhaupt nötig macht? Liegt es nicht auch daran, dass wir es hier in diesem Hause in den letzten Jahren versäumt haben, den Streitkräften einen klaren Auftrag zu geben und sie entsprechend unserem Auftrag auch auszustatten? Wurde nicht stattdessen ohne langfristige Strategie eine Vielzahl von Waffensystemen mit der Folge beschafft, dass wir eine schier unübersichtliche Modellvielfalt haben und alles etwas können, aber viel zu wenig richtig?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle beklagen eine überbordende Bürokratie oder sprechen gar von Managementfehlern in der sogenannten Beschaffung. Aber sind es nicht wir, die die Regeln aufgestellt haben, dass auch noch jede Tube Schuhcreme in einem langen Verfahren öffentlich ausgeschrieben werden muss oder jede Erprobung neuen Materials erst während des Ausschreibungsverfahrens stattfinden darf? Und dann beklagen wir uns über zu lange Bearbeitungszeiten in der Bundeswehr? Sind es nicht wir, die den Bundesländern und Kommunen Personal für Bau und Sanierung militärischer Einrichtungen zur Verfügung stellen, nicht aber überprüfen, wofür dieses Personal tatsächlich eingesetzt wird? Sind es nicht wir, die über das StVG festgelegt haben, dass auch noch jeder Panzer, bei dem ein Blinker nicht richtig blinkt, vorübergehend stillgelegt werden muss? Sind es nicht wir, die zu Recht betroffen und erschrocken die Beispiele von Führungsversagen und Verletzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Kenntnis nehmen und Aufklärung und harte Maßnahmen fordern, ohne dass wir uns fragen, was die Ursachen sind?
Wie kann es denn sein, dass eine wachsende Anzahl von Soldatinnen und Soldaten gerade in Führungspositionen das Bild des Staatsbürgers in Uniform hinterfragen und einen Soldaten sui generis fordern oder sich hohe und höchstgestellte Offiziere nach Beendigung ihres Dienstes in rechtsradikalen Gruppen zusammenschließen und – mit hoher Pension – jene freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen, die sie vorher tapfer, also unter Einsatz ihres Lebens, verteidigen sollten?
(Stephan Brandner [AfD]: Wer macht denn so was?)
Einige Beispiele finden wir auch auf der rechten Seite des Hauses hier.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Unverschämtheit!)
– Sie können ruhig dazwischenbrüllen.
(Zuruf von der AfD: Das hätten Sie gerne!)
Aber, ganz ehrlich, ich bin seit mehr als 20 Jahren Offizier, und meine Haltung ist glasklar: Wer Funktionär in der AfD ist, ist weder als Offizier noch als Unteroffizier in der Bundeswehr tragbar.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nein, es ist die Aufgabe dieses Parlamentes, sich um ebendiese Fragen zu kümmern: um die Attraktivität des Dienstes; um die Frage, was in Afghanistan falsch gelaufen ist; um die Bezahlung der Soldatinnen und Soldaten, wobei wir uns natürlich auch darum kümmern müssen, dass die Zulagen aus der Dienstzeit der Soldatinnen und Soldaten auf das Ruhegehalt angerechnet werden, wie dies für andere Uniformträger des Bundes angekündigt wurde. Kümmern müssen wir uns auch um die Herausforderungen an militärische Führung, die Ausstattung, die die Durchführung unserer Aufträge erst ermöglicht, und die Innere Führung, um unser Land und unsere Freiheit als mündige Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verteidigen zu können und verteidigen zu wollen. Auch das ist Zeitenwende. Werden wir unserer Verantwortung als Parlament wieder gerecht!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU])
Nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion ist die Kollegin Serap Güler.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535789 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 32 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2021 der Wehrbeauftragten |