29.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 32 / Tagesordnungspunkt 23

Franziska MascheckSPD - Impulse für Einzelhandel und Innenstädte

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr Kunst, mehr Kultur, mehr Soziales in die Innenstädte – ganz ehrlich: Großartig! Mein Herz geht auf! Wissen Sie, ich komme aus der Kreativwirtschaft und aus der sozialen Arbeit. Da ging es mir viel um die Entwicklung von Ortszentren, also Jugendarbeit, gemeinschaftliches Leben, Kunst und Kultur und besonders demokratisches Mitwirken. Die Einleitung Ihres Antrags und mein bisheriger Beruf haben also eins gemeinsam – wie Sie es schon gesagt haben –: endlich Leben in die Bude bringen. Großartig!

Doch die Vorschläge sind bekannt. Sie werden schon seit sehr langer Zeit von der progressiven Zivilgesellschaft eingebracht. Aber wo war die Union in den letzten 16 Jahren, um diese Punkte aufzugreifen? Städte, in denen das wirklich gut gelingt, sind progressiv regiert: Erfurt, Magdeburg, Chemnitz, Kiel, Mannheim. Die Liste könnte weitergehen.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hannover!)

Hohe Gewerbemieten und Immobilienpreise verhindern, dass mit Kultur und sozialen Orten endlich Leben in die Innenstädte kommt, dass eine Kita sich ansiedeln kann, dass Mehrgenerationenhäuser entstehen oder dass man kleine Räume für Kunst oder modernes Arbeiten mieten kann. Leider lassen Sie den Punkt Gewerbemieten in Ihrem Antrag völlig unbenannt. Wieder stellt sich mir die Frage: Wo war die Union in den letzten 16 Jahren, wenn es um die Regulierung von Gewerbemieten ging? Und wo ist die Union heute, wenn es darum geht, Kultur-, Kreativ- und Sozialwirtschaft zu unterstützen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Gleichzeitig schreiben Sie, dass Öffnungszeiten aufgeweicht werden und mehr verkaufsoffene Sonntage möglich sein sollen. Wenn jemand tatsächlich bei mir in der kleinen Stadt das passende Personal dafür finden würde, müsste es ja auch anständig bezahlt werden. Das können sich nur die großen Handelsketten leisten, und die gibt es schon zur Genüge in unseren Großstädten.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!)

Unseren Kleinstädten hilft das überhaupt nicht. Dabei müsste das Angebot unserer Innenstädte doch viel bunter und vielfältiger werden. Vielmehr würde es die Arbeitsbedingungen im Handel noch einmal verschärfen und verschlechtern und die Berufe noch unattraktiver für junge Menschen machen. Sie glauben doch nicht, dass sich durch längere Öffnungszeiten auch nur 1 Prozent vom Onlinehandel wieder zurückverlagert. Das haben Sie ja selbst in Ihrem Antrag so beschrieben, dass es ein Zurück nicht geben wird. Und jetzt versuchen Sie es irgendwie doch, aber, ich finde, etwas hilflos.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Sie schreiben, dass die Kommunen die Digitalisierung voranbringen sollen. Ich finde diese Forderung recht frech. Wenn ich mir die schwierige Personallage und die finanzielle Situation zum Beispiel meiner Stadt anschaue: Wie sollen denn gerade ländliche Regionen das alleine leisten? Bevor Sie von den Kommunen die Digitalisierung verschiedener Lebensbereiche einfordern, brauchen diese doch erst einmal eine stabile und schnelle Internetverbindung und dann auch das qualifizierte Personal. Und wo war die Union in den letzten 16 Jahren, wenn es um den Ausbau des Breitbands ging?

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich fürchte, Sie haben noch vieles aus Ihrer vorherigen Regierungszeit aufzuarbeiten.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Welche Partei hat denn in den letzten 24 Jahren in Deutschland am meisten regiert?)

Vor allem empfehle ich Ihnen, Ihren werten Parteikollegen in Sachsen mal von Ihren großartigen Ideen zu erzählen. Die erlebe ich nämlich auf kommunaler und auf Landesebene ganz anders.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ehrlicherweise: Ich hatte noch nie den Eindruck, dass der Union Städte besonders wichtig sind, abgesehen von ihrem Wert als Wirtschaftsstandort. Dass man dort gut und gerne und bezahlbar leben kann – irgendwie Nebensache. Hauptsache, die Wirtschaft siedelt sich an; der Rest wird dann schon. Aber sehen Sie: So rum funktioniert es nicht. Das können Sie überall beobachten: Erst kommen die Kreativen, werten die Quartiere auf, dann siedeln sich Geschäfte an, und dann profitiert davon die Wirtschaft.

(Zuruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])

Sie schreiben, dass die unionsgeführte Bundesregierung das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ angestoßen habe.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Vielen Dank für die Blumen!)

Sie vergessen dabei, was heute auch schon gesagt wurde, zu erwähnen – ganz sicher nicht mit böser Absicht –, dass dabei von Ihnen erst mal nur 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden und dann die SPD mit dem damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz den Betrag verzehnfacht hat.

(Beifall bei der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Was denn jetzt? Waren es gute Jahre oder schlechte Jahre? Ich komme nicht dahinter! – Gegenruf des Abg. Reinhard Houben [FDP]: GZSZ!)

Jetzt stellen Sie Forderungen an unsere Bundesministerin Klara Geywitz, dabei ist sie doch schon längst dran. Mit dem Beirat Innenstadt traf sie sich Anfang März 2022.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Hattet ihr jetzt was zu tun mit diesen Jahren, oder nicht?)

– Sie können gerne zuhören. – Mit den Kommunen wird sich die Ministerin im Juli 2022 zu diesem Thema austauschen. Die Innenstadtstrategie wird ständig weiterentwickelt.

Sie sehen, Ihr Antrag ist noch nicht ganz ausgereift.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Der Olaf Scholz hat doch früher schon regiert!)

Deshalb lade ich Sie ein: Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft der Innenstädte gestalten! Lassen Sie uns gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen mit dem Bus, dem Fahrrad oder der Bahn in die Innenstädte kommen! Lassen Sie uns daran arbeiten, kleinere Innenstädte interessanter und lebenswerter zu machen!

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Wo waren Sie eigentlich die letzten 16 Jahre?)

Ich bin gespannt auf die Debatten in den Ausschüssen.

Vielen Dank und ein herzliches Glückauf!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Enrico Komning von der AfD-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535807
Wahlperiode 20
Sitzung 32
Tagesordnungspunkt Impulse für Einzelhandel und Innenstädte
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