29.04.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 32 / Tagesordnungspunkt 23

Hagen ReinholdFDP - Impulse für Einzelhandel und Innenstädte

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke der Union für den vorgelegten Antrag und auch dafür, dass sie selbstständig ihre Versäumnisse der letzten Jahre aufarbeitet. Das entlastet uns als jetzige Regierung von dieser Aufgabe.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir wäre das zu viel Seelenstriptease. Ich würde hier mit hochrotem Kopf und Schweiß auf der Stirn stehen. Sie haben versierte Redner geschickt, denen das nicht passiert ist; das ist gut. Dieser Antrag liest sich im Übrigen wie abgeschrieben aus unserem Koalitionsvertrag; denn da stehen ja die Versäumnisse Ihrer Regierungszeit drin und auch, was dieses Land jetzt braucht. Deshalb liest es sich genau so.

(Dr. Carsten Linnemann [CDU/CSU]: Dann können Sie ja zustimmen!)

Schade, dass Ihr Umdenken, wie es in dem Antrag geschrieben steht, erst jetzt kommt. Dieses Umdenken hätte auch nicht erst vor sechs Monaten erfolgen müssen; das hätte Ihnen schon vor Jahren einfallen können. Da, wo ich mich immer ins Internet einwähle, gibt es den Onlinehandel seit vielen, vielen Jahren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann macht das doch jetzt endlich!)

Herr Linnemann, Sie sagen, man solle die Verantwortung nicht wegschieben und die CDU-Landesminister seien vorbildlich. Herr Willsch hat gerade die Ladenöffnungszeiten angesprochen. In dem Antrag entdecken Sie ja Ihre Freude an der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten; selbst Sonntags- und Bäderregelungen werden angeführt. Ich komme aus einem Tourismusland. Mich kotzt es seit Jahrzehnten an, dass wir die Leute zum Geburtstag einladen und sonntags keine Torte hinstellen können. Ehrlich, ich habe damit ein Problem.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Backen!)

Jetzt zu Ihrer Verantwortung. Zu Recht machen sich die Gewerkschaften für das Personal stark. In meinem Bundesland ist es immer wieder die Union, die sagt: Der Kirchgang muss am Sonntag möglich sein. – Eine Story aus Bayern – ich glaube, in Bayern regieren Sie –: Dort gibt es ein geiles Modell, das sich „Josefs Nahkauf Box“ nennt. Total geiles Ding! Da wird Digitalisierung zusammengebracht und Arbeitskräftemangel verhindert. Das ist ein Laden, der ohne Personal funktioniert; aber er darf in dem von Ihnen regierten Bayern sonntags nicht öffnen. Ein Laden ohne Personal – sonntags verboten in Bayern! Das ist das wahre Wesen der Union.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage, auch wenn es mir auf der Seele brennt, nichts über den Lockdown und die Erkenntnisse, die Sie gewonnen haben; die haben Sie jetzt niedergeschrieben. Aber eine Sache muss ich erwähnen, weil das dem Fass den Boden ausschlägt, und zwar gehörig. Unter Punkt 13 Ihres Antrags greifen Sie einen Entschließungsantrag aus der letzten Legislatur dieses Hohen Hauses auf. Darin geht es um die Änderung der Baunutzungsverordnung für die Idee einer Durchmischung der Stadt, ein neues Zusammenleben in der Stadt. Da kämpfen Parlamentarier über alle Bänke hinweg jahrelang für etwas, wofür Ihr Minister Horst Seehofer – ein paar aus dem alten Kabinett sitzen ja noch hier – nie offene Ohren hatte.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Und CETA?)

Immer wieder hat das Ministerium abgeblockt. Fast alle Parlamentarier beschließen einen Entschließungsantrag, dass die Regierung aufgefordert wird, noch in der letzten Legislatur die Baunutzungsverordnung zu ändern. Seehofer macht alles, nur nicht das, was das Parlament will. Und Sie haben jetzt die Frechheit, sich hierhinzustellen und zu sagen: Die Änderung der Baunutzungsverordnung soll sofort umgesetzt werden. Natürlich steht das im Koalitionsvertrag; denn es ist ein richtiger Schritt, und wir werden das als Ampel auch machen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Und CETA?)

Aber so dreist hier aufzutreten, das lasse ich Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Seelenstriptease kommt ja noch etwas anderes. Das Wesen der Union verändert sich gerade; das müssen wir auch mal für alle, die Kommunalpolitik machen, deutlich sagen. Sonst war die Union immer eine Partei, die die kommunale Selbstverwaltung hochgehalten hat; das sind wir ja auch. Und jetzt lese ich in diesem Antrag, dass wir mit Ge- und Verboten in den Kommunen stark agieren sollen, am besten aus dem Bundestag heraus, und zwar zu gebührenfreien Parkplätzen. Ich habe nichts gegen gebührenfreie Parkplätze. Aber wenn wir jetzt anfangen, für jede Kommune Deutschlands im Bundestag über gebührenfreie Parkplätze zu diskutieren, dann muss ich sagen: Wer diese Idee hatte, der hat den Aufbau unserer Republik noch nicht verstanden und auch noch nicht, dass wir gute Kommunalpolitiker haben, die das für ihre Stadt in jedem Einzelfall bestens alleine entscheiden können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Ich freue mich. „ Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung“, hat mein Vater immer gesagt. Da hat er recht gehabt. Diese Selbsterkenntnis haben Sie jetzt gewonnen; dazu gratuliere ich Ihnen herzlich. Deshalb wird die Zusammenarbeit, was dieses Thema anbetrifft, in dieser Legislatur wahrscheinlich ganz wunderbar funktionieren. Sie werden allen Koalitionsanträgen in den nächsten Monaten zustimmen, wenn es darum geht.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, bedanke mich, dass ich diese tolle Rede halten konnte, und wünsche uns allen einen schönen Nachmittag.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Da schauen wir mal, ob das mit den Sozialdemokraten alles so schön klappt!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535815
Wahlperiode 20
Sitzung 32
Tagesordnungspunkt Impulse für Einzelhandel und Innenstädte
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