11.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 1

Steffen BilgerCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Mehr Lebensmittel produzieren statt Ackerflächen stilllegen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeslandwirtschaftsminister trifft Ende dieser Woche im Rahmen der G‑7-Präsidentschaft seine Kollegen aus den sieben führenden Industrienationen, und davon kann nur ein Signal ausgehen: Wenn durch den russischen Angriff auf die Ukraine dort weniger produziert wird und dadurch Hunger und Elend drohen, dann springen andere, allen voran die G 7, in die Bresche und produzieren mehr Nahrungsmittel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das klingt einfach, das klingt nach gesundem Menschenverstand und schlüssig, ist aber nicht selbstverständlich. Dies belegt Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ein ums andere Mal.

Während die EU‑Kommission als akute Krisenmaßnahme ausnahmsweise den Anbau sämtlicher Feldfrüchte auf ökologischen Vorrangflächen ermöglicht, die meisten EU‑Mitgliedstaaten dieses Instrument nutzen und alle Landwirtschaftsminister der Länder, außer denen der Grünen, das einfordern, lehnt Minister Özdemir das trotzdem ab.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Während bekannt ist, dass der ökologische Anbau im Vergleich zum konventionellen Anbau einen deutlich geringeren Ertrag pro Fläche liefert – bei Getreide ist es über ein Drittel weniger an Ernte –,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!)

hält es Minister Özdemir für nicht nötig, das Ziel von 30 Prozent Ökolandbau, das diese Regierung für das Jahr 2030 verfolgt, zumindest mal kritisch zu hinterfragen. Während wir als Opposition seit Wochen darauf hinweisen, dass sich in dieser außerordentlichen, nie dagewesenen Krisensituation eine pauschale Stilllegung von 4 Prozent der Ackerfläche, wie sie ab nächstem Jahr verlangt wird, mit den Erfordernissen der Realität beißt, mag Minister Özdemir darüber nicht einmal diskutieren, geschweige denn in Brüssel für eine Neubewertung eintreten. So, Herr Minister, werden Sie Ihrer Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr einseitig!)

Diese Zeit erfordert ein Innehalten, ein Hinterfragen der bisherigen Politik.

(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hinterfragen Sie mal Ihre ideologischen Glaubenssätze!)

Und wir sind ja eigentlich auch alle dazu in der Lage: der EU‑Kommissar, die meisten EU‑Mitgliedstaaten, die Landwirtschaftsminister der Länder, viele hier im Deutschen Bundestag in unterschiedlichen Fraktionen – nicht aber der Bundeslandwirtschaftsminister.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Ich sage Ihnen voraus: Diese Position wird sich nicht halten lassen, eben weil wir eine Verantwortung haben – nicht nur für Deutschland, sondern mit den guten Böden, mit den besten Anbaubedingungen in Deutschland und Europa auch für die ganze Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui!)

Und nein, wir spielen nicht die eine Krise gegen die andere aus.

(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Wir stehen zum Klimaschutz, zum Umweltschutz, zum Schutz der Biodiversität

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

durch die und vor allem mit der Landwirtschaft.

(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da passt der Vorschlag aber nicht!)

Keiner will sich davon verabschieden – nicht wir, nicht unsere Bauern und, ich nehme an, auch nicht Ihr Koalitionspartner FDP, der eine weitere Extensivierung des Landbaus ja auch nicht will. So habe ich Sie bei den letzten Reden hier im Plenum zumindest verstanden.

Wir alle haben uns die aktuelle Situation nicht vorstellen können, aber die Realität ist, wie sie ist. Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, sie steigen mitunter stark, und das bedeutet, dass Nahrungsmittel in anderen Regionen dieser Welt knapp werden. Hunger und Elend drohen gerade im Nahen Osten und in Afrika; die Bundesentwicklungsministerin hat kürzlich darauf hingewiesen.

Schon 2021 litten weltweit rund 200 Millionen Menschen unter Hunger, und der Krieg in der Ukraine wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Ein Weiter-so, als ob nichts wäre, ist zynisch, ist unethisch, ist in meinen Augen ausgeschlossen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, dass das anstehende G‑7-Treffen spannende, für manche Beteiligte auch schmerzhafte Erkenntnisse ans Licht bringen wird. Die bisherige G-7-Agenda von Cem Özdemir passt nicht mehr in die Zeit des Ukrainekriegs und sich weltweit verschärfender Versorgungsengpässe. Die Parteiagenda der Grünen in der Landwirtschaftspolitik ist nicht mehrheitsfähig – nicht in Europa und auch nicht im Kreise der G 7.

Jetzt, meine Damen und Herren, ist nicht die Zeit für halbphilosophische Betrachtungen von Klimaschutz, Ernährungssicherung und Frieden als neuem Dreiklang, wie sie der Bundeslandwirtschaftsminister gerne anstellt.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es geht um die Erhaltung von Lebensgrundlagen!)

Mir drängt sich der Verdacht auf: Da will einer ein ohnehin schon gewaltiges Problem mit möglichst vielen anderen verketten, um vielleicht vom eigenen Nichtstun abzulenken und der Einsicht aus dem Weg zu gehen, dass der eigene Kurs eben korrigiert werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nur das Ausmaß des Problems nicht verstanden!)

Genau hierfür wünsche ich dem Bundeslandwirtschaftsminister den nötigen Mut. Nur wenn er den hat und jetzt endlich die Ernährungssicherung in den Mittelpunkt seines Handelns rückt, dann kann er die Dinge auch auf G‑7-Ebene glaubwürdig vorantreiben.

Deshalb, Herr Minister: Lassen Sie die grüne Parteilyrik! Kommen Sie endlich in den Krisenmodus! Tun Sie das, was jetzt in dieser Zeit geboten ist, damit die von der Bundesregierung ausgerufene Zeitenwende in Ihrem Zuständigkeitsbereich nicht nur eine leere Worthülse ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts von ökologischer Lebensgrundlage verstanden!)

Das Wort hat die Kollegin Dr. Franziska Kersten für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7535904
Wahlperiode 20
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Mehr Lebensmittel produzieren statt Ackerflächen stilllegen
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