Johannes FechnerSPD - Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. Par. 64 StGB
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den wesentlichen Elementen unseres Strafvollzuges gehört es, dass ein Straftäter, der zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, nicht einfach weggesperrt wird, sondern dass er eine Chance bekommt, sich zu bessern und sich zu resozialisieren. Und für suchtkranke Straftäter, die die Straftat, für die sie einsitzen, im Rausch begangen haben, sollen Gerichte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht – so die heutige Formulierung –, dass infolge des Hanges zu berauschenden Mitteln oder alkoholischen Getränken die Person weiter rechtswidrige Taten begehen könnte. Das zeigt: Wir geben Straftätern durch den Maßregelvollzug eine Chance, sich zu bessern. Das ist ein ganz wichtiges Element unseres rechtsstaatlichen Strafvollzuges, liebe Kolleginnen und Kollegen; das möchte ich gleich eingangs betonen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Bevor ich aber strafrechtliche Ausführungen mache, möchte ich einen, ich nenne es mal: urheberrechtlichen Hinweis geben. Denn man könnte ja, wenn man den Gesetzentwurf liest, die Rede des Kollegen Müller hört und auch die Pressemitteilungen liest, meinen, die Union hätte sich mit diesem wichtigen Thema beschäftigt und hätte Vorschläge erarbeitet.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Haben wir auch!)
Das ist ja gerade nicht der Fall.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Doch! – Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Das war doch gerade der Gegenbeweis!)
Was Sie hier präsentieren, das haben Sie abgeschrieben, das ist eins zu eins das Ergebnis der Kommission, die Ministerin Lambrecht eingesetzt hat.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nein, das ist falsch!)
Sie zeigt Interesse an diesem Thema, auch jetzt noch; sie ist anwesend.
Das, finde ich, ist schon eine schräge Nummer. Sie hätten doch wenigstens mit einem Satz mal sagen können, dass das die Vorschläge sind, die die Bund-Länder-Kommission erarbeitet hat. Ich lasse das mal so stehen, will aber die Gelegenheit nutzen, von dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle zu richten, die in dieser Kommission mitgearbeitet haben, die hier gute Vorschläge präsentiert haben, die wir diskutieren werden. Ganz herzlichen Dank!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Wir haben in der Tat das Problem, dass zu viele Straftäter durch Gerichtsbeschlüsse in Entziehungsanstalten untergebracht werden, die dort eigentlich gar nicht hingehören. Diese Straftäter nehmen denjenigen Straftätern dann die Plätze weg, denen dort eigentlich geholfen werden sollte. Deshalb müssen wir in der Tat dazu kommen, dass nur noch die behandlungsbedürftigen und auch behandlungsfähigen Straftäter in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden. Denn die Zahl der Unterbringungen hat sich in der Tat in den letzten Jahren deutlich erhöht, seit den 90er-Jahren vervierfacht, und auch die Aufenthaltsdauer hat sich deutlich erhöht. Das merke ich auch bei mir im Wahlkreis, Kollegin Engelhardt und Kollege Müller. Wir haben Einrichtungen, die aus allen Nähten platzen, und insbesondere diejenigen, die dringend Hilfe benötigen, für die es dieses Konstrukt des Maßregelvollzuges gibt, können sie nicht in Anspruch nehmen.
Das wollen wir ändern. Deswegen haben wir schon im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir den Maßregelvollzug modernisieren und reformieren wollen. Die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission, finde ich, bieten dafür wirklich eine sehr, sehr gute Diskussionsgrundlage:
In der Tat muss die Vorschrift im § 64 des Strafgesetzbuches präziser werden. Das Tatbestandsmerkmal des Hanges zu alkoholischen Getränken oder Suchtmitteln ist zu weit gefasst. Das müssen wir präzisieren.
Zu diskutieren ist auch der Vorschlag der Kommission, die Anforderungen an den erwarteten Behandlungserfolg zu erhöhen, das heißt, dass eine Anordnung zur Unterbringung nur dann ergehen darf, wenn tatsächliche Anhaltspunkte erwarten lassen, dass der Straftäter durch die Behandlung in der Entziehungsanstalt wirklich von seiner Sucht wegkommt.
Wir werden auch den Vorschlag der Kommission diskutieren, das Privileg der Halbstrafenaussetzung zu ändern. Heute kann die Strafe nach der Hälfte der Haftstrafe ausgesetzt werden, und die Klagen und jetzt auch die Hinweise der Kommission, dass das Anreize schafft insbesondere für Straftäter, die eine lange Haftstrafe bekommen haben, sich in den Maßregelvollzug zu bewegen, wollen wir auf jeden Fall auch diskutieren.
Darüber werden wir in der Ampelkoalition beraten, denn eines ist klar: Wir dürfen hier keine Fehlanreize dafür setzen, dass die falschen Straftäter den Straftätern, die wir behandeln wollen, die knappen Ressourcen in den Entziehungsanstalten wegnehmen.
(Beifall bei der SPD)
Ich finde, das lohnt sich. Wir freuen uns auf die Diskussion hier – auch dieses Gesetzentwurfs, der die Arbeit der Bund-Länder-Kommission zu Recht in die Öffentlichkeit rückt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat Thomas Seitz, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535932 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 33 |
Tagesordnungspunkt | Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. Par. 64 StGB |