11.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 33 / Tagesordnungspunkt 4

Thomas SeitzAfD - Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. Par. 64 StGB

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Unterbringung nach § 64 StGB bedeutet, dass Straftäter mit Suchtproblemen zwangsweise in eine forensische Entziehungseinrichtung eingewiesen werden können. Vor allem bei hohen Haftstrafen bewirkt dies häufig eine frühere Entlassung.

Wie sieht also die Realität des Maßregelvollzugs aus? Allein im Zeitraum von 2002 bis 2019 hat sich die Zahl der Patienten mehr als verdoppelt, und der Anteil voll Schuldfähiger hat sich von 1995 bis 2019 fast verdreifacht.

Bereits Ende 2020 konnten die Zustände im Berliner Maßregelvollzug nur noch als katastrophal bezeichnet werden, was zu mehreren Brandbriefen an den Berliner Senat führte. Das Hauptproblem war Überbelegung. 2019 waren es im Durchschnitt 682 Patienten bei nur 523 genehmigten Betten, also gut 30 Prozent Überbelegung. Die Folge waren eine massiv zunehmende Gewalt gegen Mitarbeiter, ein sich verschärfender Personalmangel, Kündigungen und keine Bewerbungen mehr. Allein aus Berlin wurden für das Jahr 2019 rund 180 Angriffe auf Mitarbeiter in den Entziehungseinrichtungen gemeldet – von Körperverletzung bis zur versuchten Tötung.

Aktuell liegt dem Rechtsausschuss ein Brandbrief aus dem Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg vor. Die beschriebenen Probleme erinnern an Berlin. Die Zimmer sind mit bis zu vier Patienten in Stockbetten belegt. Man nimmt also Personen mit häufig psychischen Begleiterkrankungen neben der Sucht, mit einem regelmäßig gestörten Sozialverhalten und mit ausgesprochen niedriger Frustrationstoleranz jegliche Rückzugsmöglichkeit, was deren latente Aggressivität noch steigert. Weiter wird beklagt, dass offene Stellen nicht mehr besetzt werden; stattdessen steigen die Krankheitsausfälle beim Personal.

Es war deshalb dringend überfällig, dass im Herbst 2020 eine Gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt wurde. Den von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Gesetzentwurf greift nunmehr der Gesetzentwurf der Union auf.

Kern der vorgeschlagenen Änderungen ist im Wesentlichen, die Anordnungsvoraussetzung des „Hangs“ zu Alkohol bzw. Drogen enger zu fassen, indem künftig das Vorliegen einer Substanzkonsumstörung festgestellt werden muss. Weiterhin wird ein zwingender Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstat hergestellt. Es soll nicht mehr ausreichen, dass eine Tat im Rausch begangen wurde, sondern sie muss künftig jedenfalls überwiegend auf den Hang zurückzuführen sein. Zudem werden die Anforderungen an die Prognose eines Therapieerfolgs verschärft.

Das Ziel muss sein, die kontinuierlich angestiegene Zahl der in Entziehungsanstalten Untergebrachten deutlich zu senken – nicht, um das Geld für zusätzliche Therapieplätze zu sparen, sondern weil sich in den Einrichtungen derzeit zu einem erheblichen Teil Personen befinden, denen es an Therapiebedürftigkeit, Therapiebereitschaft oder mangels deutscher Sprachkenntnisse oder kultureller Unterschiede auch schlicht an der Therapiefähigkeit fehlt.

(Beifall bei der AfD)

Der Istzustand bedeutet nicht nur eine ungerechtfertigte Privilegierung von Straftätern, die hohe Kosten verursacht, sondern vor allem auch eine Beeinträchtigung der Therapiechancen für diejenigen, die wirklich einer Therapie bedürfen, motiviert sind und eine positive Prognose haben.

Soweit die Union abweichend vom Entwurf der Arbeitsgruppe auch eine Änderung von § 246a StPO anstrebt, lehnen wir dies ab. Um die Gerichte zu entlasten, will die Union die Verpflichtung zur Bestellung eines Sachverständigen einschränken. Bisher ist dies erforderlich, wenn das Gericht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erwägt, künftig nur noch, wenn es dies konkret erwägt. Das ist eine Regelung, die nach meiner Prognose weitgehend leerlaufen würde.

Soweit der Gesetzentwurf der Arbeitsgruppe folgt, begrüßen wir ihn, und wir sind gespannt, wann das Justizministerium einen eigenen Gesetzentwurf – und welchen – vorlegen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich erteile das Wort Canan Bayram, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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Electoral Period 20
Session 33
Agenda Item Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. Par. 64 StGB
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