11.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 33 / Tagesordnungspunkt 4

Volker UllrichCDU/CSU - Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. Par. 64 StGB

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bereits vielzitierte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des § 64 Strafgesetzbuch hat ihren Bericht bereits zu Beginn dieses Jahres vorgestellt. Es ist jetzt vier Monate später, und es gibt noch keine Anzeichen für eine gesetzgeberische Aktivität. Warum haben wir also diesen Gesetzentwurf vorgelegt? Weil es die dringende rechtspolitische Notwendigkeit gibt, dass dieses Thema schnell bearbeitet wird,

(Beifall bei der CDU/CSU)

weil die Notwendigkeit besteht, dass wir es nicht auf die lange Bank schieben.

Weswegen? Die Zahl der Straftäter in Entziehungsanstalten ist erheblich gestiegen. Es waren in den 90er-Jahren noch etwa 1 500, jetzt sind es über 5 000 Menschen. Die Dauer der Unterbringungen steigt auf im Schnitt mindestens 18 Monate. Die Anzahl der voll schuldfähigen Personen beträgt über 60 Prozent. Deswegen sind folgende Fragen angebracht, und wir müssen sie beantworten: Behandeln wir in den Entziehungsanstalten noch die Richtigen? Werden die Mittel adäquat aufgewandt? Und schließlich: Ist die jetzige Praxis gerecht? Alle diese drei Fragen müssen wir mit Nein beantworten. Es gibt akuten Änderungsbedarf. Diesen umzusetzen, ist wichtig, und zwar zum einen für die Menschen, die tatsächlich einer Unterbringung bedürfen, um sich zu bessern, und um einen Schutz vor der Allgemeinheit zu leisten, und zum anderen für die Landesjustizverwaltungen und die forensischen Kliniken, die diese Aufgabe schultern müssen. Der Bedarf ist dringlich. Wir können nicht mehr zuwarten.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber warum haben Sie vorher immer lange gewartet, Herr Ullrich? Jetzt mal ehrlich!)

– Frau Bayram,

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, sorry!)

die Arbeitsgruppe hat ihren Entwurf am 13. Januar vorgestellt, und da hieß der Bundesjustizminister bereits Dr. Buschmann,

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! Ich habe es vergessen!)

und es gab nicht mehr eine von der Union getragene Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So ist es! – Stephan Thomae [FDP]: Jetzt wird endlich was daraus!)

Was wollen wir ändern? Zentral rechtspolitisch wird sein, dass wir den Begriff des Hanges präzisieren. Durch den Begriff des Hanges hat bereits jede Mitursächlichkeit, die irgendwie vorstellbar war, dazu geführt, dass § 64 StGB von den Gerichten gezogen worden ist. Wir wollen diesen Begriff – und das hat auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe so gesehen – durch den Begriff der Substanzkonsumstörung ergänzen. Das ist entscheidend.

Warum „Substanzkonsumstörung“? Das ist ein Begriff aus der forensischen Medizin. Er dient dazu, dass die Erkenntnisse der Forensik in die entsprechende Anordnung eingebettet werden, damit wir die Maßnahme künftig zielgenauer im Hinblick auf den konkreten Therapieerfolg verhängen können. Es geht darum, dass das Behandlungsziel ernsthaft erreicht werden kann und dass damit die Menschen die Maßnahme erhalten, die sie wirklich brauchen. Das Gesetz darf nicht dazu dienen, dass über den Umweg des § 64 StGB letztlich auch für schwere Gewalttäter die Halbstrafe erzielt wird, obwohl eigentlich mindestens eine Zweidrittelstrafe angemessen wäre. Das ist auch eine Frage von materieller Gerechtigkeit. Auch das wollen wir damit ändern.

Und – letzter Punkt – die Frage: Hat die Union noch zusätzliche eigene Vorschläge gemacht oder nicht? Ja, hat sie, in zwei Punkten. Zum Ersten: Wir wollen, dass die Sachverständigen nur bei konkreten Anlässen hinzugezogen werden, um Ressourcen zu sparen. Und zum Zweiten – der entscheidendere Punkt –: Bei einer Beschwerde wegen des Wechsels von Entziehungsanstalt zu Maßregelvollzug wollen wir auf die aufschiebende Wirkung verzichten. Es geht auch hier um die Ressourcen der entsprechenden Anstalten. Deswegen bitten wir, dass wir vor dem Hintergrund unseres Vorschlages schnell zu einer entsprechenden rechtspolitischen Umsetzung kommen. Die Sache ist dringlich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich erteile das Wort Heike Engelhardt, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

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