12.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 34 / Tagesordnungspunkt 10

Simone BorchardtCDU/CSU - Arbeitsbedingungen in der Pflege

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Uns eint ein gemeinsames Ziel: den Pflegenden in Deutschland mehr Wertschätzung und Anerkennung zuteilwerden zu lassen und die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Denn früher oder später sind wir alle mittelbar oder unmittelbar davon betroffen. Wir haben zwar nicht alle Kinder, aber letzten Endes alle Eltern. Spätestens dann werden wir am eigenen Leib spüren, mit welchem hohen Einsatz Pflegekräfte sich um die Bedürftigen kümmern.

Ich selbst bin bestens mit der Situation vertraut, da ich direkt aus der Praxis komme. Auch ich weiß selbstverständlich, dass Applaus und Worte des Dankes nur ein kleiner Teil aufrichtiger Wertschätzung sind. Dadurch werden wir aber die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht annähernd verbessern. Der Pflegebonus führt auch nicht dazu, dass wir irgendeine unbesetzte Stelle besetzt bekommen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir schon beim ersten gesehen!)

Daher ist ein ganzheitlicher Blick auf die Pflege notwendig; viele Redner haben das auch schon vor mir gesagt. Wir müssen das Thema Pflege neu denken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die kirchlichen Einrichtungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil in unserer Pflegelandschaft. Insofern ist es nur folgerichtig, dass man auch kirchlich geführte Einrichtungen in geplante Veränderungsprozesse mit einbindet. Das gilt es anzuerkennen. Ideologisch motivierte Kritik ist hier völlig unangebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wollen mit Ihrem Antrag ein faktisches Vetorecht der kirchlichen Kommissionen streichen und führen an, dass das Veto der Caritas einen bundesweit allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Langzeitpflege verhindert hat. Diese Kritik ist für mich nicht nachvollziehbar. Faktisch hätte eine Zustimmung der Caritas nämlich bedeutet, dass die eigenen Beschäftigten schlechtergestellt worden wären; das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)

Und bei den Löhnen und Gehältern – auch das gehört zur Wahrheit dazu – bewegen wir uns auch in der Pflege teilweise mittlerweile in wirklich guten Dimensionen. Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr bekommen mittlerweile über 1 000 Euro Ausbildungsvergütung; das ist gut, und das ist richtig. Es reicht also nicht, immer nur nach mehr Geld zu schreien. Wir müssen uns hier an die Rahmenbedingungen und damit an die Arbeitsbedingungen heranwagen.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gürpinar aus der Fraktion Die Linke?

Nein, jetzt nicht. – Wenn wir jetzt auf das Thema PPR 2.0 schauen, kann ich nur sagen: Das Patientenwohl steht für uns als Union an erster Stelle; deswegen ist eine ausreichende Personaldeckung das A und O.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In den letzten beiden Wahlperioden haben wir mit dem Krankenhausstrukturgesetz und mit mehreren Pflegepersonal-Stärkungsgesetzen bereits wirksame Maßnahmen entsprechend auf den Weg gebracht. Wenn wir uns jetzt diesem Thema widmen, dann müssen wir auch registrieren, dass wir im medizinischen Bereich und besonders im stationären Bereich bereits jetzt eine Überversorgung haben – immer im Vergleich zu anderen Ländern. Das Problem des Pflegenotstandes ist daher auch teilweise hausgemacht und wird durch eine PPR 2.0 nicht gelöst werden.

Wir befinden uns heute in einem System, in dem Krankenhäuser alles an Personal, was mit dem Thema „Pflege am Bett“ zu tun hat, refinanziert bekommen. Das war damals ein wirklich guter Ansatz, den die Große Koalition gemeinsam beschlossen hat. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass dies zum Teil falsche Anreize auslöst. Das müssen wir wirklich auch selbstkritisch anerkennen.

Aber was bedeutet das für die Praxis? Die Entwicklung geht jetzt dahin, dass ausgegliederte Arbeiten wie Hauswirtschaft mittlerweile von Fachkräften gemacht werden, damit diese refinanziert werden; denn Fachkräfte am Bett werden refinanziert. Das müssen wir uns gedanklich vor Augen führen. Wenn ein Krankenhaus zusätzliche Pflegekräfte einstellt, kriegt es natürlich alles refinanziert. Das ist richtig. Nicht richtig ist, dass das Krankenhaus die Finanzierung bekommt, und zwar unabhängig von den wirklichen Bedarfen. Auch das gehört zur jetzigen Wahrheit dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt also keine Anreize mehr im System, Personal effizient einzusetzen. Aber da müssen wir wieder hin. Eine Lösung wäre, dass wir wieder DRGs einführen, die den Pflegeaufwand beinhalten, dass wir das Pflegebudget nicht separat vergüten. Ein weiterer wichtiger Ansatz ist die Abschaffung der Fachkraftquote in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern; denn auch Pflegehilfskräfte erbringen hervorragende Leistungen. Das muss anerkannt werden. Es gibt mittlerweile genug Regularien und Qualitätskriterien, die eine Erfolgskontrolle ermöglichen.

Wir werden natürlich auch in Zukunft jede Menge Pflegepersonal brauchen, wenn wir uns die demografische Entwicklung anschauen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Endlich mal ein richtiger Satz!)

Aber mit Geld alleine werden wir es nicht schaffen. Hier ist es wichtig, dass wir Bürokratie und Regulierungen abbauen und dem Pflegepersonal mehr Eigenverantwortung möglich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen ihm die Luft zum Atmen lassen; das ist wichtig. Weniger Regularien: Das sollten wir uns wirklich als Ziel setzen.

Ich danke Ihnen: Die geplante Umsetzung der PPR 2.0 steht zwar im Koalitionsvertrag der Ampel, aber mittlerweile hört man auch aus dem BMG, dass das nicht unbedingt die Lösung ist. Das ist zu begrüßen, und die CDU/CSU wird beide Anträge ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Borchardt. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ricarda Lang, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536063
Wahlperiode 20
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Arbeitsbedingungen in der Pflege
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