12.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 34 / Zusatzpunkt 5

Falko MohrsSPD - Aktuelle Stunde - Soziale Folgen eines Ölembargos - Schutzschirm für Ostdeutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen diese Debatte im Lichte des Überfalls von Putin, des Überfalls von Russland auf die Ukraine. Wir müssen über ein Embargo und über Sanktionen sprechen, weil es einen Überfall auf ein souveränes Land gegeben hat und nicht deswegen, weil irgendwer es hier mutwillig riskieren will, meine Damen und Herren. Das ist der Hintergrund dieser Debatte hier.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen die Debatte führen, weil es um die Zukunft und die Existenzen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der PCK-Raffinerie geht, weil es um die Zukunft und die Existenz einer Region geht. Wir müssen die Diskussion auch deswegen führen, weil wir uns in den vergangenen Jahren abhängig – allzu abhängig – von Energie aus Russland gemacht haben. Wir haben es, wenn wir jetzt aufs Öl schauen, in den letzten Wochen und Monaten geschafft, die Abhängigkeit drastisch zu reduzieren. Wir sind von einem Anteil von 35 Prozent von Öl aus Russland auf 12 Prozent heruntergekommen. Das ist das Ergebnis von Arbeit, von planvoller Arbeit, von verantwortungsvollem Agieren dieser Ampelkoalition, meine Damen und Herren. Das ist wirklich eine Erleichterung, wenn es um die Frage geht, wie wir die Abhängigkeit von russischer Energie reduzieren können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist – das will ich hier genauso deutlich sagen – eben auch die Folge von umsichtigem und verantwortungsvollem Agieren. Dazu gehören auch Sanktionen – ganz ohne Frage –, weil wir eben in dem Lichte des Angriffskriegs diese Aggressionen nicht durchgehen lassen können. Völlig klar ist auch – und das ist der Maßstab –: Wir ergreifen Sanktionen, die uns in Deutschland, die uns in Europa nicht härter treffen als Russland. Das ist unser Maßstab.

Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Sie können da ruhig den Kopf schütteln. Herr Kotré, ich weiß nicht, ob Sie sich an den peinlichen Moment für Ihre Fraktion erinnern, als wir im Wirtschaftsausschuss über die Sanktionen gesprochen haben. Ihre diesbezügliche Frage wurde ja auch schriftlich beantwortet.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da gibt es viele peinliche Momente!)

– Ja, es sind viele peinliche Situationen. – Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen: Als wir über die Sanktionen im Wirtschaftsausschuss gesprochen haben, war die Frage der AfD-Fraktion, wie wir denn Produkte aus Russland, insbesondere den Hummer, substituieren können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Maßstab und die Fragestellung der AfD: wie wir den Hummer aus Russland substituieren. Wir kümmern uns hier um die Energieversorgung für Deutschland und Europa insgesamt. Das ist unser Maßstab, meine Damen und Herren.

Wenn wir jetzt auf Schwedt schauen, dann reden wir über eine Raffinerie mit 1 200 Mitarbeitern. Insgesamt sind es 3 000 Menschen, die dort auf dem Gelände direkt oder indirekt beschäftigt sind. Das sind nicht bloß Zahlen, meine Damen und Herren. Das sind 3 000 Jobs und Existenzen. Es ist auch eine Frage der Zukunft einer ohnehin schon gebeutelten Region in Ostdeutschland. Und es ist auch eine Frage der Versorgungssicherheit von Berlin, Brandenburg und einem wesentlichen Teil von Mecklenburg-Vorpommern.

Meine Damen und Herren, für uns muss klar sein, in welchen Schritten wir die Frage eines notwendigen Ölembargos insbesondere für die Menschen in der Region, für die Menschen, die bei PCK beschäftigt sind, angehen:

Erstens. Wir brauchen Öl aus anderen Quellen. Über die Belieferung aus Rostock, über die Belieferung aus Danzig – vielen herzlichen Dank an die Regierung in Polen für ihre Solidarität –

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

sind wir in der Lage, die Versorgung von 70 Prozent des Öls, das in Schwedt raffiniert wird, sicherzustellen. Über 70 Prozent reichen uns, um den Betrieb dieser Raffinerie am Laufen zu halten.

Zweitens. Wir haben als Bund gesagt, dass wir die Verluste als Folge dieser reduzierten Menge ausgleichen werden. Das war übrigens, meine Damen und Herren, eine der Bedingungen, die wir als Bundesrepublik gestellt haben, um einem Ölembargo auf europäischer Ebene zuzustimmen: dass wir in der Lage sind, diese Verluste auszugleichen.

Drittens. Wir müssen die Frage der Eigentümerschaft, vielleicht sogar die Frage einer Treuhandschaft, dort regeln. Wir wissen, dass Rosneft als russisches Unternehmen, als Mehrheitseigentümer dieser Raffinerie natürlich null Interesse daran hat, unabhängig von russischem Öl zu werden. Deswegen ist es die dritte Aufgabe, die wir haben, die Eigentümerschaft dieser Raffinerie zu klären.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und der vierte Schritt, meine Damen und Herren, ist, dass wir Perspektiven aufbauen, dass wir die Raffinerie zukunftsfest machen.

Das sind die vier Schritte, denen wir uns verpflichtet fühlen und wo wir verantwortlich sind.

Meine Damen und Herren, wir haben die Entscheidung über das Embargo nicht leichtfertig getroffen.

(Zuruf von der AfD: Nein!)

Es ist eine Entscheidung aus übergeordneter nationaler Verantwortung der Souveränität der Ukraine und den Menschen dort gegenüber. Deswegen – in aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren – ist es auch eine Entscheidung, die wir insgesamt als Bundesrepublik Deutschland in Solidarität, in einer großen Verantwortung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der PCK-Raffinerie, mit den Kolleginnen und Kollegen in der Region auch tragen und verantworten müssen. Es ist keine Entscheidung gegen den Osten, es ist keine Entscheidung gegen die Region.

Herr Kollege.

Es ist eine Entscheidung, mit der wir souverän, verantwortungsvoll und solidarisch umgehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536088
Wahlperiode 20
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Soziale Folgen eines Ölembargos - Schutzschirm für Ostdeutschland
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