Jan DierenSPD - Aktuelle Stunde - Soziale Folgen eines Ölembargos - Schutzschirm für Ostdeutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen in den demokratischen Fraktionen!
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Werte Zuschauer/-innen! Heute diskutieren wir über ein Embargo gegen russisches Öl als Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine. Ein Ölembargo ist natürlich ein Mittel der Auseinandersetzung mit Russland, aber es ist kein Mittel militärischer Gewalt. Es wirkt aber in beide Richtungen und hätte deshalb auch Folgen hier in Deutschland. Es gibt jetzt sehr unterschiedliche Einschätzungen dazu, wie und wie hart die Folgen für die Menschen in Deutschland wären.
Klar, wenn man nur auf das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland schaut, dann mögen die Folgen noch überschaubar scheinen. Aber wenn wir auf die Lebenswirklichkeit der Menschen in Ostdeutschland blicken, auf die Arbeitsplätze, die Familieneinkommen und die Spritversorgung dort, dann wird klar, dass die Folgen immens wären; das hat mein Kollege Carsten Schneider vorhin ausgeführt. In Ostdeutschland sind heute noch die Einkommen, die Renten und auch die Ersparnisse geringer als in Westdeutschland. Und in ganz Deutschland sorgen sich Menschen gerade um die Folgen des Krieges und der Inflation. Diese Sorgen sind verständlich; in Ostdeutschland sind sie es umso mehr.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abhängigkeit vom russischen Öl, die uns jetzt vor so große Herausforderungen stellt, steht sinnbildlich für unsere Abhängigkeit von fossilen Energiequellen überhaupt. Aus diesen jetzigen Herausforderungen können wir lernen und müssen wir lernen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn die Unsicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, die viele Menschen jetzt empfinden, gilt ja auch der Zukunft unserer Gesellschaft überhaupt und der Frage: Welche Antworten finden wir eigentlich auf die tiefen Umbrüche, die wir gerade erleben? Natürlich gibt es unvorhersehbare Ereignisse: Nicht jedes Unwetter, nicht jede Pandemie und nicht jeder Krieg sind vorhersehbar. Mit ihren sozialen Folgen müssen wir deshalb im Nachhinein umgehen.
Deshalb sind drei Dinge richtig. Es ist erstens richtig, dass wir hier im Bundestag ein erstes Entlastungspaket auf den Weg gebracht haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deshalb ist es zweitens richtig, dass wir ein zweites Entlastungspaket auf den Weg bringen und dass wir natürlich weiter darüber diskutieren, wie wir mit den sozialen Folgen umgehen, wenn wir auf Rentner/-innen und andere mit sehr geringen Einkommen schauen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deshalb ist es drittens auch richtig, dass wir jetzt und in den nächsten Monaten hier Projekte voranbringen, die die soziale Lage von Menschen dauerhaft verbessern: die Erhöhung des Mindestlohns, das Bürger/-innengeld, die Kindergrundsicherung, die BAföG-Novelle und noch so viel mehr.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das hilft Menschen überall, aber natürlich auch und gerade in Ostdeutschland.
Als Menschen sind wir lernfähig.
(Zuruf von der SPD: Die meisten!)
Wir können lernen, die Natur und ihre Gesetze zu verstehen, sie vorherzusagen und uns an sie anzupassen. Auch gesellschaftliche Entwicklungen, die wir vorhersehen, können wir heute gestalten, bevor sie ihre Folgen zeigen. Wir wissen doch jetzt, dass wir vor so tiefen gesellschaftlichen Umbrüchen stehen. Wir wissen um den Klimawandel. Wir wissen um den Wandel der Arbeitswelt, und wir wissen jetzt auch darum, dass die Welt, in der wir leben, nicht so sicher und friedlich ist, wie das viele geglaubt haben.
Auf diese Umbrüche brauchen wir solidarische Antworten. Es kann doch nicht sein, dass Energiekonzerne wie Shell mitten in der Krise 43 Prozent mehr Gewinn machen, während die Menschen an den Zapfsäulen verzweifeln.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es kann doch nicht sein, dass Vonovia 1,3 Milliarden Euro an seine Aktionäre und Aktionärinnen ausschüttet, während viele Menschen nicht wissen, wie sie im nächsten Monat die Miete zahlen sollen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ja, dann macht doch was!)
Es kann doch nicht sein, dass ein Dieter Schwarz mit Lidl sein Vermögen in der Pandemie allein um über 20 Milliarden Euro vermehrt, während gleichzeitig Menschen nicht wissen, ob sie bald noch ihre Lebensmittel bezahlen können.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marc Bernhard [AfD]: Dann tut halt mal was!)
Das kann kein solidarischer Umgang mit dieser Krise sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das können wir als Gesellschaft besser.
Den Wandel der Arbeitswelt können wir sozial gestalten, wenn wir das im Sinne der arbeitenden Menschen tun. Der Klimawandel ist eine soziale Frage, und wir können eine soziale Antwort darauf formulieren.
(Beifall bei der SPD)
Und wenn sich die bisherige Staatenordnung auflöst, dann kann unsere Antwort nur eine wirkliche Friedensordnung sein, die nicht auf Sand gebaut ist.
Das sind große Herausforderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen – größere als die, vor denen wir jetzt stehen. Wenn wir diese Menschheitsaufgaben bewältigen wollen, dann müssen wir aus den Herausforderungen jetzt lernen. Deshalb ist es richtig, dass wir heute über die sozialen Folgen eines Ölembargos für Menschen in Ostdeutschland reden, bevor sie eintreten.
Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier bald auch gemeinsam darüber sprechen, wie wir auf die gesellschaftlichen Umbrüche solidarische Antworten finden, solidarische Antworten, durch die Menschen nicht Angst und Unsicherheit empfinden, sondern in den Umbrüchen eine Perspektive auf ein gutes Leben sehen – in Ostdeutschland, in Westdeutschland und anderswo. Das ist unsere Aufgabe.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536096 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Soziale Folgen eines Ölembargos - Schutzschirm für Ostdeutschland |