Jens TeutrineFDP - Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Anmerkung nur zur AfD: Anstatt hier herumzunörgeln,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Genörgelt haben andere! – Hannes Gnauck [AfD]: Sie pöbeln doch rum hier!)
dass wir solidarisch mit den ukrainischen Geflüchteten sind, sollten Sie stattdessen mit den Putin-Freunden in Ihrer Fraktion reden.
(Hannes Gnauck [AfD]: Gibt es hier gar nicht!)
Denn der ist verantwortlich für die ukrainischen Geflüchteten, und nicht unsere Solidarität.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Da kann sich Die Linke gleich dazusetzen bei dem Gespräch!)
Im Gesetz – vielmehr möchte ich jetzt dazu kommen – geht es darum, dass in Deutschland 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche in Haushalten aufwachsen, die eine Grundsicherung nach SGB II empfangen, umgangssprachlich besser bekannt als Hartz IV. 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche! Für diese Kinder und Jugendlichen, für ihre Chancen im Leben, für ihre Zukunftsperspektiven sind zwei Tatsachen besonders demotivierend:
Die erste Tatsache ist, dass es laut einer Studie in Deutschland bis zu sechs Generationen dauert, bis Nachkommen einer Familie sich von einem niedrigen bis zu einem mittleren Einkommen hocharbeiten können. Fast zwei Generationen hinter dem OECD-Durchschnitt! In den skandinavischen Ländern sind es zwei Generationen. Der Traum von Aufstieg durch Leistung ist in Deutschland häufig nur eine Seifenblase.
Die zweite Tatsache, die diese 1,7 Millionen jungen Menschen in Haushalten mit SGB‑II-Bezug besonders demotiviert, ist, dass der Bildungserfolg in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch maßgeblich und viel zu stark vom Bildungsgrad der Eltern abhängt. Wenn es eine Schnittmenge gibt, die ich bei den Kindern von SGB-II-Beziehern zwischen geringer Qualifikation, geringem Bildungsgrad und SGB-II-Bezug finde, dann bedeutet das für diese Kinder und Jugendlichen eine Falle, nämlich dass sozialer Aufstieg viel zu häufig ein Traum bleibt, dass ihre Biografie im Sozialstaat stecken bleibt, weil sozialer Aufstieg durch Bildung nicht möglich ist, und dass die Abhängigkeit von Sozialleistungen viel zu häufig weitervererbt wird.
Hinzu kommt, dass eine weitere Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergeben hat, dass es bei Familien, die Kinder haben und im SGB-II-Bezug sind, doppelt so unwahrscheinlich ist, dass sie den SGB-II-Bezug verlassen. Also: Wenn ich keine Kinder habe, ist es doppelt so wahrscheinlich, dass ich selbst aus SGB II rauskomme. Kinder sind also auch noch eine Chancenbremse für die Erwachsenen, sich selbst aus dem Leistungsbezug herauszuarbeiten.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: In welcher Partei sind Sie? – Zuruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU])
Dann kam die Pandemie dazu und hat für diese jungen Menschen, für diese 1,7 Millionen jungen Menschen in Haushalten im SGB‑II-Bezug, noch dazu geführt, dass sie Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu finden, weil die Zahl der Ausbildungsverträge zurückgegangen ist.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Was ändern jetzt 20 Euro mehr im Monat daran?)
Zudem hat die Caritas erforscht, dass jedes dritte Kind psychisch auffällig ist und dass sich Bildungsungerechtigkeiten verschärft haben. Deswegen handeln wir in der Ampel jetzt auch für diese 1,7 Millionen Menschen, für Kinder und Jugendliche.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die Linksfraktion kann einpacken!)
Für diese entscheidet nämlich die Preissteigerung, die jetzt noch zu den Verschärfungen der Pandemie, zu den Chancenungerechtigkeiten, die ich vorhin schon erwähnt habe, hinzukommt, über das Gewicht der Brotdose in der Schulpause. Sie entscheidet darüber, ob ich als Kind in den Sommerferien ins Freibad gehen und einen Ausflug machen kann. Sie entscheidet darüber, ob ich es schaffe, mich rauszuarbeiten oder nicht und die Möglichkeit von sozialer Teilhabe habe.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist doch Unsinn!)
Ja, für einige sind 200 Euro mehr oder weniger lapidar. Für einige sind 20 Euro Kinderbonus nicht erwähnenswert. Für einige sind 100 Euro – noch mal ein Sofortzuschlag, den wir im übernächsten Tagesordnungspunkt behandeln – nicht entscheidend. Für eine vierköpfige Familie, ein Paar, das noch zwei Kinder hat, bedeutet dieses Entlastungspaket, das wir jetzt und zwei Tagesordnungspunkte später beschließen, aber 600 Euro Einmalzahlungen und jeden Monat noch mal 40 Euro zusätzlich. Für die bedeutet das: Freizeitmöglichkeit, ja oder nein?
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das hat ja keiner hier bestritten, Herr Teutrine!)
Ich weiß, es sind keine großen Sprünge bei den aktuellen Preissteigerungen möglich. Aber es ist trotzdem ein Beweis dafür, dass diese Ampel zeigt, dass wir genau diese jungen Menschen in den Blick nehmen, und es ist auch weiter wichtig, dass wir das machen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Aber warum bleiben Sie unter der Inflation? Warum bleiben Sie denn darunter?)
Wir werden – das ist eine Brücke zur Kindergrundsicherung – etwas machen, was Sie nicht gemacht haben – das haben wir heute auch schon gemacht –, nämlich die BAföG-Reform anstoßen. Das haben Sie in der Pandemie nicht gemacht.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden eine Kindergrundsicherung für die 1,7 Millionen Kinder und Jugendlichen einführen. Wir werden die Bildungs- und Teilhabepakete so reformieren, dass nicht nur 30 Prozent des Geldes für Nachhilfeunterricht und Sportverein bei den Kindern und Jugendlichen ankommen, sondern dass sie durch ein digitales Chancenportal 100 Prozent abrufen können. Das ist der Unterschied. Wir sind bereit, zu reformieren. Sie halten hier Reden in der Opposition, die nicht mit Ihrem Regierungshandeln in Einklang zu bringen sind.
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Hätten Sie eine dritte Hand, dann hätten Sie sich selbst gefilmt und das als Wahlkampfrede bei Instagram hochgeladen. Ich freue mich auf die weitere Debatte und auf den Beschluss.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Kollegin Jessica Tatti bekommt jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536104 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz |