Takis Mehmet AliSPD - Inklusive Arbeitswelt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über diesen Antrag hier ja schon mal gesprochen, und ich hatte schon beim ersten Mal gesagt, dass dieser Antrag grundsätzlich ein Rundumschlag von zusammengewürfelten Vorschlägen und Forderungen ist, die teilweise wortgleich von Verbänden übernommen worden sind, auch mit denselben orthografischen Fehlern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion, wenn ich mich nicht ganz falsch erinnere, ist es so, dass wir sehr lange zusammengearbeitet haben. Ich denke an das Bundesteilhabegesetz; ich denke an die letzten Jahre.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie erinnern sich doch nicht so gerne!)
Sie fordern jetzt Dinge, bei denen man sich dann doch ziemlich wundert, warum das erst jetzt alles kommt. Im Übrigen war in der öffentlichen Anhörung sehr, sehr interessant, dass mindestens aus einer Selbstvertretungsorganisation sogar der Einwand kam, warum Sie ausgerechnet jetzt damit kommen. Das wundert doch ziemlich.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Vor allen Dingen die progressiven Punkte, die Sie in Ihren Forderungen haben, zeigen, dass Sie schon sehr lange mit uns zusammengearbeitet und den Wunsch nach sozialdemokratischer Inklusionspolitik haben.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)
Inhaltlich handelt es sich bei Ihrem Antrag zwar um eine Auflistung konkreter Maßnahmen zur Unterstützung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber wenn man dann doch konkret hinschaut, sieht man, dass überwiegend die Arbeitgeberperspektive eingenommen wird. Keiner der 20 Punkte enthält tatsächlich eine Verpflichtung für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz anzubieten. All jene Maßnahmen, welche verbindliche Vorgaben für Unternehmen beinhalten und die Stellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Behinderung wirklich stärken würden, werden hier schlicht und ergreifend ausgenommen.
Und wenn ich mir Ihren Antrag dann noch mal genauer anschaue, dann ist es ja so: In Ihrem Antrag stehen ganz viele progressive Forderungen. Ich denke jetzt an unsere Regierungskoalition, an das, was wir gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen und der FDP vereinbart haben. Ich muss Ihnen sagen, Herr Oellers: Ich freue mich auf Ihre Zustimmung in der Zukunft. Sie können ja nichts anderes machen, als unseren Anträgen in der Zukunft zuzustimmen;
(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben ja noch gar nichts vorgelegt!)
denn wenn Sie das nicht tun, dann machen Sie sich erst recht sehr, sehr unglaubwürdig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Legen Sie erst mal ein Gesetz vor, dann können wir weiterreden!)
In diesem Zusammenhang vielleicht noch ein kleiner Exkurs. Ich kann Ihnen eine sehr, sehr nette Lektüre empfehlen, etwas, das Sie unbedingt mal lesen sollten. Die Lektüre heißt „Mehr Fortschritt wagen“ von den Autoren SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, auch bekannt als Koalitionsvertrag. Deshalb mache ich noch ein paar wichtige Ergänzungen und nenne, was wir noch alles vorhaben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden die einheitlichen Ansprechstellen für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weiterentwickeln. Wir werden echte Teilhabe am Arbeitsleben durch die Einführung der vierten Stufe der Ausgleichsabgabe schaffen und diese Mittel zur Unterstützung und Förderung der Beschäftigung einsetzen und im Übrigen auch einiges ausprobieren müssen. Ich glaube, darum werden wir gar nicht herumkommen, um auch mal ein paar Projekte zu wagen.
Aber ich möchte es nicht nur bei Ihrem Antrag belassen. Ich habe mir natürlich auch den Antrag der Linken durchgelesen und mir noch mal genauer die Intention angeschaut. Herr Pellmann, es ist ja grundsätzlich so: Die Intention Ihres Antrages ist wirklich zu würdigen. Aber eins stört mich dann doch ziemlich – das hatte ich, glaube ich, schon gestern im Ausschuss erwähnt –: Mir ist da einfach zu wenig Fleisch am Knochen. – Wir können gerne gemeinsam daran arbeiten, dass mehr Fleisch an den Knochen kommt, wenn Sie dann künftig unseren Anträgen zustimmen.
(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Wenn sie gut sind!)
– Sie werden gut sein, keine Sorge.
Es ist selbstverständlich so, dass wir alle uns mehr Partizipation für Menschen mit Behinderung wünschen. Aber in dem Antrag gibt es halt sehr, sehr wenig Präzision. Deshalb freue ich mich, wenn wir dann in gemeinsame Gespräche gehen und vieles präzisieren können. Um aber Missverständnissen etwas vorzubeugen, empfehle ich auch hier noch mal die Lektüre „Mehr Fortschritt wagen“, um anhand dessen, was wir im Koalitionsvertrag ausgeführt haben, zu ein paar Erkenntnissen zu gelangen.
(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Da sind zu viele Leerstellen drin!)
Wir werden die Mittel des Partizipationsfonds erhöhen und verstetigen. Wir werden einen Sprachendienst in einem eigenen Bundeskompetenzzentrum für leichte und Gebärdensprache einrichten. Und vom Bundesprogramm „Barrierefreiheit“ hatte ich ja schon gesprochen.
Vielleicht noch mal zum Duktus der Inklusion bei uns in der Gemeinschaft – ich glaube, auch das hatte ich gestern erwähnt –: Wer macht denn die Inklusion? Kommt das aus der Gesellschaft? Oder machen das immer die Menschen mit Behinderung? Oftmals ist es so, dass die Menschen mit Behinderung immer auf die übrigen Mitglieder der Gesellschaft zugehen müssen. Es sind die Einrichtungen, es sind die sozialen Dienste, es sind die Freunde, die Eltern, die Inklusion machen müssen. Aber zu wenig kommt von den Unternehmen, zu wenig von den Vereinen. Die Intention müsste sein, dass Menschen mit Behinderung mitgenommen werden können. Da müssen wir ganz viel machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Zudem, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es so, dass man beobachtet: Was passiert mit diesen Ausgleichsabgabemitteln? Ich gebe Ihnen ein supergutes Beispiel aus Baden-Württemberg. Ich habe mir das heute noch mal kommen lassen, damit ich nicht Falsches erzähle; das will ich ja nicht. Wenn man sich das näher anguckt, dann sieht man: Es werden Mittel der Ausgleichsabgabe beispielsweise dafür eingesetzt, dass Wohnheime mit Mitteln nach § 24 Schwerbehinderten-Ausgleichsverordnung gebaut werden. Das muss man sich mal reinziehen. Und dann steht in den Förderbescheiden aus Baden-Württemberg – bestes Beispiel –: „Wohnheim für WfbM-Beschäftigte“, weil sie dann die Argumentation herleiten: Wenn in diesem Wohnheim WfbM-Beschäftigte wohnen, dann kann man die Ausgleichsabgabe für 24er-Wohnheime ausgeben. 24er-Wohnheime – bei aller Liebe, diese haben in diesem Zeitalter nichts mehr mit Selbstbestimmung zu tun – gehören weg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir werden immer solche Angebote brauchen; aber die Ausgleichsabgabe dafür einzusetzen, gehört sich nicht.
(Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Sören Pellmann [DIE LINKE] – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht gar nicht!)
Vielleicht muss man hier auch darauf hinweisen – Frau Präsidentin, ich bin sofort fertig –, dass wir noch mal die Evaluation des Bundesteilhabegesetzes angehen müssen. Dafür ist es umso wichtiger – weil das Länderangelegenheit ist –, dass wir in den Ländern soziale Mehrheiten haben. Umso mehr freue ich mich auf Sonntag und darauf, dass wir mehr soziale Mehrheiten zusammenkriegen.
Vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin immer eine Anhängerin engagierter Debatten; aber im Moment brauchen wir laut der Tagesordnung schon bis nach 1 Uhr nachts. Also: Versuchen Sie doch bitte, Ihre Redezeiten einzuhalten. Sie haben ja genug Minuten.
Es folgt für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Wilfried Oellers.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536142 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Inklusive Arbeitswelt |