Jens BeeckFDP - Inklusive Arbeitswelt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Springer, ich freue mich zunächst darüber, dass Sie wenigstens in der 20. Wahlperiode auch für die AfD-Fraktion betonen, dass es ein wichtiges Thema ist, und dass Sie sogar in der Sache das eine oder andere Richtige gesagt haben. Aber wenn sich irgendeine Fraktion in diesem Hause für die Dinge schämen muss, die sie im Zusammenhang mit Inklusionspolitik schon veröffentlicht hat,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Was denn? Was denn?)
dann ist das nur Ihre Fraktion und keine andere hier in diesem Hause.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Deswegen: Die Stelle hätte man sich tatsächlich vielleicht sparen können. Sie waren in der 19. Wahlperiode auch schon dabei. Sie wissen, wovon ich rede.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wir wissen das nicht!)
Aber kommen wir zu den Anträgen der Linken und der Union, die sie zu den zentralen Fragen des inklusiven Arbeitsmarktes und der Partizipation eingebracht haben. Wir sind dankbar, dass Sie das getan haben; denn – das muss man mal sagen – bei der ersten Einbringung hier haben es nahezu alle Reden zu diesem Tagesordnungspunkt – ungewöhnlich genug – in den Youtube-Channel „Best of Bundestag“ gebracht. Wir waren alle ein bisschen erregt über die Frage, wo Sie Ihre Ideen eigentlich hernehmen und warum Sie die in den letzten 16 Jahren nicht umgesetzt haben.
Das haben wir jetzt aber hinter uns gelassen. Wir haben eine öffentliche Anhörung zu diesem Thema gemacht, was im Übrigen immer wieder gut ist. Das war nicht die erste; aber auch sie hat wieder Erkenntnisse gebracht. Wir nehmen noch einmal zur Kenntnis, dass die Fortschritte, die wir bis in die Jahre 2018/19 bei der Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt, die Teilhabebedarfe haben, gemacht hatten, durch die Coronapandemie einen deutlichen Rückschlag erlitten haben.
Deswegen stellt sich die Frage, wie wir den inklusiven Arbeitsmarkt in Deutschland nach vorne bringen, heute noch einmal anders als zuvor. Wir haben nach der Coronapandemie aktuell eine weitere Krise, mit der wir uns heute hier den ganzen Tag befasst haben und auch in der nächsten Woche befassen werden. Auch daraus erwachsen weitere Aufgaben; denn es kommen auch Geflüchtete mit Teilhabebedarfen und Behinderungen aus der Ukraine in unser Land. Auch da ist noch nicht alles gelöst. Wir werden uns auch mit vielen traumatisierten Menschen beschäftigen müssen.
Aber all diese Krisen ändern nichts daran, dass wir uns vorgenommen haben, in einer Fortschrittskoalition die Dinge anzugehen, die in den letzten Jahren liegen geblieben sind. Das werden wir umfassend tun, auch bei der Frage des inklusiven Arbeitsmarktes, und zwar das ganze Portfolio betrachtend. Das fängt an beim betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement und der Begleitung durch das Hamburger Modell, möglichst mit einer Stärkung der Schwerbehindertenvertrauensleute in den Betrieben, damit die Menschen, die noch bzw. schon im Arbeitsleben stehend zu einer Behinderung kommen, im Betrieb verbleiben können. Da haben wir deutlich Luft nach oben.
Das geht bei der Frage der Inklusionsunternehmen im ersten Arbeitsmarkt weiter. Wir haben uns darüber beim letzten Mal ausgetauscht. Sie schlagen vor, auf der europäischen Ebene etwas mit einer Mehrwertsteuerrichtlinie zu bewegen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart: Wir wollen eine umsatzsteuerliche Privilegierung in Deutschland festschreiben. – Das werden wir auch tun. Auf jeden Fall sind wir uns einig, dass wir die Inklusionsunternehmen deutlich stärken wollen, weil sie eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt sind.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und wir gehen weiter über die Frage der Modernisierung der Werkstätten bis hin zu den Möglichkeiten qualifizierterer Beschäftigung. Herr Oellers, Sie kommen aus dem Wahlkreis Heinsberg, wo eine sehr innovative Werkstatt tätig ist, die ich gerade auch besuchen durfte, wo das Potenzial, zu einer deutlich hochwertigeren Beschäftigung zu kommen, noch lange nicht ausgereizt ist und wo wir noch vieles zu tun haben, um das zu ermöglichen. Auch das werden wir tun, weil wir allen, die nicht in der Werkstatt verbleiben wollen, ermöglichen möchten, auf den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln. Allerdings darf das dann sozialversicherungsrechtlich kein Nachteil sein, wie das heute zum Teil noch der Fall ist.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch das müssen wir lösen.
Aber ebenso wollen wir denjenigen, die sich in der Werkstatt wohlfühlen und dort verbleiben wollen, die Perspektive geben, dort nach ihren Qualifikationen tätig zu werden, und diese sind häufig höher als das, was heute passiert. Wir wollen außerdem – auch das ist ein Päckchen, das wir gemeinsam aus der 19. Wahlperiode mitgenommen haben – das Werkstattentgelt so reformieren, dass es erstens nicht auf dem Mindestlohnniveau stehen bleiben muss und dass es zweitens so ist, dass man von seiner Arbeit, der Vollzeittätigkeit in der Werkstatt, leben kann. Auch das werden wir hoffentlich gemeinsam angehen.
Das alles geht nur in gemeinsamer Bündelung unserer Kompetenzen. Und wenn wir uns daran erinnern, dass die Inklusionspolitik auch in den letzten Wahlperioden diejenige war, bei der es häufig Einigkeit in diesem Haus gegeben hat, dann begrüße ich ausdrücklich, Herr Kollege Oellers, Herr Kollege Hüppe, dass – und das glaube ich tatsächlich – wir konstruktiv an diesen Themen arbeiten können, dass wir mit dem ernstgemeinten Angebot, das sich in Ihrem Antrag verbirgt, den Fortschritts- und Zukunftsgedanken aus dem Koalitionsvertrag, was aber offensichtlich auch von Ihnen gemeint ist, in den nächsten Jahren Wirklichkeit werden lassen. Ich freue mich an dieser Stelle auf diese Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536146 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Inklusive Arbeitswelt |