Angelika GlöcknerSPD - Inklusive Arbeitswelt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir beraten heute zum zweiten Mal über Anträge der Union und der Fraktion Die Linke zu dem, wie ich finde, doch sehr wichtigen Thema: Inklusion und Partizipation, Beteiligung von Menschen mit Behinderungen. Ich erkenne an, dass Ihre Anträge in Teilen durchaus wichtige Impulse setzen, und der Antrag der Union wurde auch viel gelobt.
Aber trifft der Antrag in seiner Gesamtheit wirklich die Erwartungen von Menschen mit Behinderungen? Ich habe viele Gespräche mit Menschen mit Behinderungen geführt, und ich will auf vier Punkte eingehen, die mir immer wieder genannt wurden und die ich jetzt in dieser Debatte noch gar nicht gehört habe.
Erstens. Menschen mit Behinderungen haben die Erwartung, dass sie selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden wohnen können. Für uns als Gesetzgeber bedeutet das, Wohnraum ohne Barrieren zu schaffen. Das gilt für Neubauten genauso wie für Bestandssanierungen. Ich bin daher sehr froh – ich will das noch einmal hervorheben –, dass wir in unserem Koalitionsvertrag wichtige Punkte vereinbart haben, wie wir Deutschland, unser Land, barrierefrei gestalten und insbesondere im Bereich Wohnen mehr Barrierefreiheit erreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jens Beeck [FDP])
Zum Vergleich: Im Antrag der Union findet sich kein Wort zu barrierefreier Wohnmöglichkeit; das wird nicht erwähnt.
(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Es geht um die inklusive Arbeitswelt!)
Zweitens. Menschen mit Behinderungen wollen auch mobil sein, Menschen mit Behinderungen wollen reisen. Wie funktioniert das momentan? Bei der Deutschen Bahn müssen sie sich 24 Stunden vorher anmelden. Ehrlich gesagt: Ich finde, das ist aus der Zeit gefallen. Es wird Zeit, dass wir da mehr für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen tun.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben das im Koalitionsvertrag vorgesehen; im Antrag der Union ist nichts davon zu lesen.
Drittens. Menschen mit Behinderungen – das wurde mehrfach erwähnt – wollen zu Recht eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt und – ja, das ist eindeutig – auch gute Löhne. Wir werden das Werkstattentgelt detailliert überarbeiten. Wir wollen kein Flickwerk, wie die Union es in ihrem Antrag vorgeschlagen hat. Und wir tun noch mehr. Ich will das noch mal erwähnen: Der Mindestlohn wird auch vielen Menschen mit Behinderungen nützen. Es geht ja an den Menschen mit Behinderungen nicht vorbei, dass wir ab Oktober den Mindestlohn anheben werden.
(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An jenen in den Werkstätten schon!)
Aber zu den Instrumenten „Budget für Arbeit“ und „Budget für Ausbildung“. Es ist sehr wichtig, dass wir diese Instrumente weiter ausbauen und weiterentwickeln. Sie haben es angesprochen, Herr Oellers: Betriebe sollen besser beraten werden. Es ist wichtig, dass Unternehmen diese Beratung erhalten. Auch das haben wir in unserem Koalitionsvertrag vorgesehen. Vielen Dank dafür, dass Sie diese Punkte übernommen haben!
Sie haben das BEM genannt. Ich habe es ausgeführt: Es ist wichtig, dass die Menschen im Arbeitsprozess bleiben und uns als Fachkräfte nicht verloren gehen. Deswegen ist es absolut notwendig, dass wir das BEM verbindlicher ausgestalten; und das werden wir tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Ich will aber noch auf etwas eingehen, worüber Sie überhaupt nichts gesagt haben.
(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Reden Sie doch über das, was wir gesagt haben!)
Es ist nun mal ein Faktum, dass es viele Betriebe gibt, die ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, obwohl sie Menschen mit Behinderungen beschäftigen müssen. Ich will Ihnen mal was sagen: Kein Wort dazu findet sich in Ihrem Antrag. In der letzten Wahlperiode haben Sie sich verweigert, eine vierte Stufe der Ausgleichsabgabe einzuführen. Sie haben einfach nicht den Mut, den Arbeitgebern, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, auch mal auf die Füße zu treten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben diesen Mut, und wir werden eine vierte Stufe der Ausgleichsabgabe einführen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Viertens will ich sagen, dass es total wichtig ist, dass Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen die Beratung und die Antragstellung bei den Behörden so einfach gemacht werden, wie es nur geht. Ich bin durch meinen Vater auch persönlich betroffen und weiß sehr genau, wovon ich da rede.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist einfach sehr, sehr wichtig. Wir haben mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes ja auch vorgesehen, dass Leistungen sozusagen aus einer Hand gewährt werden. Damit das Gesetz nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch funktioniert, ist es sehr gut, dass wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben, dieses umfassende Regelwerk zu evaluieren; denn nur so kann es vor Ort auch funktionieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Natürlich werden wir auch digitale Antragsverfahren auf den Weg bringen.
Auch das, was Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Linken, gesagt haben, ist alles richtig und wichtig. Aber insgesamt muss ich sagen: Unser Koalitionsvertrag ist weiterführend und ganzheitlich betrachtend. Deswegen werden wir Ihre Anträge ablehnen. Aber ich fordere Sie sehr gerne auf: Schließen Sie sich unseren Vorhaben an!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Der Kollege Hubert Hüppe hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536148 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Inklusive Arbeitswelt |