12.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 34 / Zusatzpunkt 7

Joe WeingartenSPD - Ukraine-Krieg - Keine Ausbildung an schweren Waffen in Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bevor ich hier zu meiner Rede komme, will ich noch mal sagen, als welch außerordentliches Maß an Unverschämtheit ich es empfunden habe, unseren demokratischen Diskurs hier mit dem Sportpalast zu vergleichen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Pfui!)

Herr Kollege Gauland, Sie schwadronieren hier ab und zu vom Westfälischen Frieden. Erklären Sie diesem Haufen doch mal, was der Sportpalast war und wer Herr Goebbels war, damit so ein Unsinn hier nicht mehr vorkommt.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Stefan Keuter [AfD]: Mäßigen Sie sich lieber mal!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Krieg in der Ukraine berührt Deutschlands und Europas Sicherheitsinteressen. Der verbrecherische Überfall des Putin-Regimes hat aber auch zu einer Geschlossenheit des Handelns geführt, die die besten Zeiten Europas deutlich macht. Wir sind das Europa der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das gilt auch für die militärische Unterstützung. Die Ukraine bei der Selbstverteidigung zu unterstützen, ist durch die Rechtsordnung der Vereinten Nationen gedeckt und entspricht unserer Vorstellung vom Beistand freier Völker. Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern in der NATO stehen wir der Ukraine in ihrem Überlebenskampf bei. Wir tun das mit allen Waffen, die wir mobilisieren können. Dazu gehört auch die Panzerhaubitze 2000, die Deutschland und die Niederlande liefern – zu Recht; denn diese Waffe ist in der Lage, heimtückischen russischen Artillerieangriffen auf zivile und militärische Ziele massiv zu begegnen und diesen Terror einzudämmen.

Zu dieser Lieferung gehört logischerweise auch eine angemessene Ausbildung. Es wäre sinnlos, Waffen zu liefern ohne die notwendige Qualifizierung dazu. Das ist eine Frage der politischen Redlichkeit und Ehrlichkeit, und dazu steht diese Koalition.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Diese Koalition ist ein selbstgerechter Haufen, Herr Weingarten! Nichts anderes!)

– Haben Sie gerade einen Spiegel vor sich, weil Sie von „Haufen“ reden?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beifall der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Brandner [AfD]: Nein, ich rede von Ihnen!)

Zur politischen Ehrlichkeit gehört natürlich auch, festzuhalten, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Teilen unserer Bevölkerung Sorgen hervorruft, vor allen Dingen die Sorge, in den Krieg hineingezogen zu werden und durch Russland unmittelbar bedroht zu werden. Diese Ängste muss man ernst nehmen, aber man muss ihnen sachlich begegnen.

In meinem Wahlkreis, dem Naheland in Rheinland-Pfalz, liegt die Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein, wo heute ukrainische Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 ausgebildet werden.

(Beifall der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Brandner [AfD]: Das hat der Kollege Gnauck schon erwähnt!)

Das ist ein richtiger Schritt und Ausdruck der hohen militärischen Wertschätzung, die die Artillerieschule als Ausbildungsstätte des deutschen und des niederländischen Heeres genießt. Wir danken allen Verantwortlichen und allen Ausbilderinnen und Ausbildern für ihre Arbeit dort.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Frage, die mir von Menschen in meiner Heimatstadt Idar-Oberstein gestellt wird, bewegt natürlich viele Menschen in Deutschland. Werden wir jetzt zum Ziel russischer Angriffe? Wohin führt das alles? Wann hört dieser blutige Krieg endlich auf?

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Ich nehme diese Frage sehr ernst und weiß, dass unsere Koalition und der Bundeskanzler das genauso tun. Deshalb bin ich dem Bundeskanzler sehr dankbar, dass er zum Tag der Befreiung am 8. Mai dazu klare Antworten gegeben hat:

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Erstens. Es gibt keine deutschen Alleingänge.

Zweitens. Unsere eigene Verteidigungsfähigkeit bleibt erhalten.

(Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Drittens. Wir unternehmen nichts, was uns und unsere Partner mehr beeinträchtigt als Russland.

Viertens. Wir treffen keine Entscheidung, die die NATO in den Krieg hineinzieht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Deutschland und die NATO werden keine Kriegspartei, weder durch Waffenlieferungen noch durch die Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen Waffen. Aber wir geben Russland die Antwort, die der Kreml versteht: Wer Freiheit und Demokratie angreift, muss mit massiven Gegenreaktionen rechnen, wirtschaftlich und militärisch.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag der Linken ist vor diesem Hintergrund ein seltsames Dokument politischer Selbstgerechtigkeit. Er fügt sich ein in das Bild, das diese Partei seit Längerem bei diesem Thema zeigt: Endloses Herumgeeiere um die Schuldfrage Russlands,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch eine Unverschämtheit! Also dieser Satz ist eine Unverschämtheit! Schon im Antrag vor dem Krieg haben wir das verurteilt!)

eine peinliche Unterstützung für Putin durch einen Teil von Partei und Fraktion und der stetige Versuch, irgendeine Kriegsschuld der NATO herbeizukonstruieren, das ist Ihre Position,

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

und das in seltsamer Bruderschaft genau zu diesem Haufen, der uns eben hier alle beleidigt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zurufe von der AfD)

Wir können das gerne mal grundsätzlich diskutieren. Sie berufen sich, jedenfalls theoretisch, auf die geistigen Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung und des Sozialismus.

(Stephan Brandner [AfD]: Geifern Sie mal nicht so rum, Herr Weingarten!)

Wer aber dessen grundsätzliches Prinzip, die Solidarität für die Bedrohten und Schwachen, derart mit Füßen tritt, disqualifiziert sich dauerhaft selbst.

Herr Kollege.

Ihre Haltung zu Russlands Überfall ist ein Schandfleck in der Geschichte für alle, die sich in Deutschland jemals „links“ genannt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämtheit! Unsere Haltung ist eindeutig! Sie können es nicht verdrehen, nur weil Sie da am Rednerpult stehen!)

Herr Kollege, Sie müssten schon zum Ende gekommen sein.

Deswegen ist für uns völlig klar:

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Lassen Sie das! Lassen Sie das!)

Wir lehnen diesen Antrag ab.

Herr Kollege!

Er ist ein Tiefpunkt in der Diskussion um den Ukrainekrieg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Völlige Verdrehung ist unfair, Herr Weingarten! So ein Blödsinn!)

Herr Kollege Weingarten, bei allem Engagement und bei aller inhaltlichen Auseinandersetzung ist es, glaube ich, angebracht, Fraktionen in diesem Haus nicht als „Haufen“ zu bezeichnen; darum würde ich Sie bitten.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536172
Wahlperiode 20
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Ukraine-Krieg - Keine Ausbildung an schweren Waffen in Deutschland
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