Michael GerdesSPD - Rentenanpassung 2022
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gesetzesvorhaben, das wir heute beraten, wird von vielen Menschen seit Langem herbeigesehnt, auch von mir. Und wir beschließen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur die Rentenanpassung, sondern auch Verbesserungen für sogenannte Rentnerinnen und Rentner im Erwerbsminderungsrentenbestand, also von Menschen, die von Anfang 2001 bis 2018 Erwerbsminderungsrente bezogen haben oder in Erwerbsminderungsrente gegangen sind und die bislang wenig von den Verbesserungen aus den Jahren 2014 und 2019 gespürt haben. Sie sind zum Teil mit erheblichen Abschlägen in die Rente gegangen, und deswegen ist es wichtig, dass wir neben den Verbesserungen, die wir für die Neurentnerinnen und Neurentner gemacht haben, jetzt auch an die Bestandsrentner herangehen und denen auch etwas zukommen lassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir korrigieren jetzt eine Gerechtigkeitslücke, die uns seit Jahren umtreibt und die für viele Betroffene nicht nachvollziehbar war und es bis heute nicht ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erwerbsminderungsrenten werden nicht freiwillig in Anspruch genommen. Sie werden dann beantragt, wenn jemand wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorzeitig aus seinem Berufsleben ausscheidet und nur unter großen Einschränkungen weiter arbeiten kann. Genau diese Menschen brauchen unseren besonderen Schutz und unsere Solidarität, die Solidarität der Versichertengemeinschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Insofern sind die geplanten Zuschläge mehr als berechtigt. Und es ist auch berechtigt, dass ebenso Menschen mit Alters- und Hinterbliebenenrente diese Zuschläge erhalten, wenn sie eine Erwerbsminderungsrente im dafür vorgesehenen Zeitraum bezogen haben.
Die Erhöhung für knapp 3 Millionen Menschen, über die wir heute reden, ist eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, und es ist richtig, dass wir dieses Vorhaben zügig – als eines der ersten – umsetzen. Allerdings – das muss ich auch sagen – gibt es noch einige Wermutstropfen dabei, etwa die Auszahlung des Zuschlags erst zum 1. Juli 2024. Das trübt die Freude und schmerzt mich persönlich auch; das kann ich Ihnen versichern. Aber die Umsetzung muss auch machbar sein und von der Rentenversicherung zuverlässig und fehlerfrei nach getesteten Verfahren realisiert werden können, sowohl wenn es um Einzelfallbearbeitungen geht als auch um die Programmierung von Daten. Nichtsdestotrotz werde ich mich, wird die SPD sich dafür einsetzen, dass wir den späten Beginn noch einmal überdenken und einen Ausgleich finden. Das werden wir im parlamentarischen Verfahren sicherlich noch diskutieren.
Einen anderen Punkt dagegen kann ich vorbehaltlos unterstützen, und das, meine Damen und Herren, ist die automatische Auszahlung. Wir wollen den teilweise betagten Betroffenen keine komplizierten Antragsverfahren mehr zumuten. Dabei profitieren wir aktuell von den guten Erfahrungen bei der Grundrente. Mein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an das Bundesarbeitsministerium! Und diesen Dank, finde ich, muss man auch mal aussprechen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Auf Anträge zu verzichten, ist nicht nur eine Frage des Respekts vor den Menschen, es ist auch ein Schutz vor zu viel Bürokratie, und vor allem ist es sozial gerecht. Denn vergessen wir nicht: Wir können alle in die Situation einer Erwerbsminderungsrente kommen.
Wir sprechen heute jedoch nicht nur über Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und ‑rentner, sondern auch über ein üppiges Rentenplus ab Juli dieses Jahres. Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer ungewöhnlich hohen Rentenanpassung, der höchsten seit fast 40 Jahren! Und das ist schon etwas: 5,35 Prozent Erhöhung in Westdeutschland und 6,12 Prozent in den neuen Bundesländern – oft gesagt hier, aber immer wieder gerne noch mal betont. Das ist im Übrigen auch mehr als ein einmaliger Zuschuss bei der Energiebeihilfe. Ende November, kurz nach den Koalitionsverhandlungen, lieber Herr Bundesminister Hubertus Heil, haben Sie selbst noch nicht mal gewagt, von solchen Zahlen zu sprechen. Umso höher müssen wir jetzt die kräftige Anhebung der Renten für 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner einschätzen, zumal in einer Zeit, in der diese Erhöhung angesichts von Inflation und internationalen Krisen dringend gebraucht wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dabei berücksichtigen wir den Nachholfaktor, der die Höhe der Renten zwar dämpft, aber für einen Ausgleich zwischen Löhnen und Rente sorgt. Die Renten folgen den Löhnen; das haben wir auch schon gehört. Dieses Prinzip haben wir 2021 aufgrund von Corona nicht eingehalten. Trotz des pandemiebedingten Einbruchs der Einnahmen – ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Kurzarbeit; übrigens ein gutes Instrument – haben wir im letzten Jahr keine Rentenkürzung durchgeführt. Dafür hat die Rentengarantie gesorgt, eine Garantie, die sich für viele Rentnerinnen und Rentner als wichtiger Anker erwiesen hat. Die Rentengarantie war in der Coronakrise das richtige Signal.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz – was für ein Wort! – ist jetzt, weitere Verbesserungen vorausgesetzt, das richtige Signal. Besser, meine Damen und Herren, wäre es aber, wenn es gar nicht erst dazu käme, dass Menschen Erwerbsminderungsrenten beziehen. Durch mehr und bessere Rehabilitation können Menschen länger gesund am Arbeitsmarkt bleiben. Lassen Sie uns auch daran arbeiten!
Herzlichen Dank. Glück auf!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Kai Whittaker.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536273 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Rentenanpassung 2022 |