13.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 35 / Tagesordnungspunkt 13

Uli GrötschSPD - Wehrhafte Demokratie gegenüber Extremismus

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn vielleicht zur Einordnung, Herr Throm: Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – und ich sage: das Gleiche gilt für Grüne und für Freie Demokraten – kämpfen nicht gegen rechts, um sich zu promoten, sondern sie kämpfen aus Überzeugung gegen rechts und gegen alle Feinde der Demokratie;

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Enrico Komning [AfD]: Gegen links auch?)

das möchte ich gesagt haben. Und ich hoffe, dass das auch auf Sie zutrifft.

Sie haben eben vom Misstrauen gegen den Staat und seine Institutionen gesprochen. Ich möchte Sie gern daran erinnern, dass wir erstens in unserer Geschichte diesen Staat schon mit unserem Leben verteidigt haben – im Gegensatz zu Ihnen und Ihren Vorfahren –

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist jetzt aber billig! -Zuruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU)

– stellen Sie das doch nicht in Abrede! – und dass wir zweitens in der Großen Koalition gemeinsam mit Ihnen acht Jahre lang alles dafür getan haben, um die Sicherheitsbehörden zu stärken. Und diesen Weg werden wir weitergehen. Ich erkläre Ihnen auch gleich, wie wir das tun werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Mike Moncsek [AfD]: Sozialdemokraten!)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie nach dem zweiten Absatz Ihres Antrags aufgehört hätten, zu schreiben, hätten wir ihm womöglich sogar zugestimmt.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber wenn man weiterliest, dann wird es geradezu gruslig in Ihrem Antrag, zumindest aus Sicht unserer Fraktion. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: die Speicherung von Daten über Kinder durch den Verfassungsschutz,

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Minderjährige! Das sind auch 17‑Jährige!)

ein alter – ich sage es nicht – Wunsch Ihrer Fraktion,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da geht es um Prävention und nicht um Ideologie!)

und die Straffung – so nennen Sie es – von Präventionsprogrammen; wir alle wissen doch, dass Sie de facto damit Kürzungen im Präventionsbereich meinen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir haben doch das Gegenteil gemacht!)

Außerdem wollen Sie – Sie haben es eben gesagt – am allerliebsten natürlich lebenslänglich die Speicherung von Daten zu Personen beim Verfassungsschutz und auch noch – absolut aus der Mottenkiste gegriffen – eine sogenannte Demokratietreueerklärung von denen, die Demokratiearbeit und Extremismusprävention in diesem Land leisten.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, das wollen wir wissen!)

Ihr Verhältnis zur Zivilgesellschaft – das sei hier gesagt – ist geprägt von Misstrauen, unseres von Dank, Anerkennung und Vertrauen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Oder Naivität! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Aber nicht gegenüber dem Staat!)

Das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir werden endlich das Demokratiefördergesetz beschließen und eine solide und dauerhafte Finanzierung sicherstellen. Ihnen sind Grundrechte bei den Befugnissen unserer Sicherheitsbehörden nur im Weg, ein Hindernis. Für uns sind die Grundrechte der Maßstab für alle Befugnisse.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union – Herr Throm, Sie haben es ja eben gesagt –, die größte Gefahr in diesem Land kommt von rechts. Ich finde, Sie sollten damit aufhören, das immer wieder zu relativieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist doch keine Relativierung! Machen Sie die Augen auf! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Sie relativieren alles! – Enrico Komning [AfD]: Wo denn? Das entspricht nicht den Fakten!)

Schauen Sie in die aktuelle PMK-Statistik des Bundeskriminalamtes! Wir haben auch in 2021 doppelt so viele rechte Straftaten wie linke, ausländische und islamistische Straftaten zusammen. Doppelt so viele wie alle anderen zusammen! Sie haben sicher die fast Verdreifachung der Straftaten in der Kategorie „nicht zuzuordnen“ vernommen. Wir wissen, dass sie zum großen Teil im Zusammenhang mit der Coronaleugnerszene und den Coronaprotesten stehen, die wiederum völkisches, antisemitisches und rechtsextremes Gedankengut pflegt.

(Beatrix von Storch [AfD]: Dummes Zeug! Das wissen Sie auch! Schwachsinn einfach!)

– Kein Wunder, dass Sie schreien, Frau von Storch. – Daher ist die Gefahr von rechts garantiert noch größer,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Beatrix von Storch [AfD]: Gott im Himmel! – Robert Farle [AfD]: Giftspritzen!)

als die PMK-Statistik dies derzeit abbildet.

Zu Ihrem gebetsmühlenartigen Vorwurf „zu viel gegen rechts und zu wenig gegen Islamisten“:

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das hat niemand vorgeworfen! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hören Sie doch mal zu, Herr Kollege, bevor Sie hier dummes Zeug erzählen!)

Wir haben aktuell 75 rechte Gefährder, also Personen, denen jederzeit ein rechtsextremistischer Terroranschlag zuzutrauen ist. Das Analysetool zur Einstufung der Gefährlichkeit ist beim Bundeskriminalamt übrigens erst seit ein paar Tagen im Einsatz; für Islamisten gibt es das schon – Sie wissen es – seit Jahren. Ich sage Ihnen: Wir haben Nachholbedarf im Kampf gegen rechts, und diese Koalition wird das leisten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Irre sind Sie!)

Es trifft sich gut,

(Zuruf des Abg. Robert Farle [AfD])

dass sie hier ist: Sozusagen als Beleg dafür hat die Bundesinnenministerin heute mit dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz das Lagebild „Rechtsextremisten, ‚Reichsbürgerʼ und ‚Selbstverwalterʼ in Sicherheitsbehörden“ vorgestellt. Bei 327 Bediensteten der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung festgestellt. Gemessen am dreijährigen Untersuchungszeitraum und gemessen an der Gesamtzahl von 355 100 Beschäftigten in den Sicherheitsbehörden ist das natürlich eine verschwindend geringe Zahl, was für mich durchaus der Beleg dafür ist, dass unsere Sicherheitsbehörden stabil auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist für uns keine neue Erkenntnis!)

Trotzdem: Jeder Verfassungsfeind zählt, erst recht in den Sicherheitsbehörden.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Verfassungsfeinde haben in den Sicherheitsbehörden nichts zu suchen. Deshalb ist es gut, dass es ein so konsequentes Vorgehen auch Ihrer Person, Frau Bundesinnenministerin, dagegen gibt und es auch ein konsequentes Vorgehen dieser Koalition und der ganzen Bundesregierung gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was gibt’s denn da zu klatschen? Ist doch nichts Neues!)

Den „360-Grad-Blick“, den Sie in Ihrem Antrag auch fordern, wenden wir gerade an. Wir haben das ja miterlebt. Das war 16 Jahre so ein bisschen aus dem Blick geraten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir waren uns unter den Demokratinnen und Demokraten – und das ist mir wirklich wichtig zu sagen – immer einig, dass Extremismusbekämpfung und Extremismusprävention die Grundpfeiler unserer wehrhaften Demokratie sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier an einem Strang ziehen, damit Demokratiefeinde nicht das Vertrauen in den Staat untergraben können.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Aber in alle Richtungen! In alle Richtungen!)

Wenn Sie diesen Konsens aufkündigen, indem Sie wie hier einen Generalverdacht gegen zivile Träger ins Spiel bringen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist doch kein Generalverdacht! Also, so ein Blödsinn!)

dann bewegen Sie sich als Volkspartei weg von der Mitte. Ich sage das auch mit Blick auf andere parlamentarische Eingaben von Ihnen. Fischen Sie nicht am rechten Rand! Werben Sie um Wählerinnen und Wähler in der Mitte der Gesellschaft!

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Genau das ist es!)

Bleiben Sie Volkspartei! Bleiben auch Sie stabil auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung!

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Diese Rede war eine einzige Unverschämtheit! Wirklich! Das ist unparlamentarisch!)

Nächster Redner für die AfD-Fraktion ist Steffen Janich, der heute seine erste Rede hier im Deutschen Bundestag hält.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536287
Wahlperiode 20
Sitzung 35
Tagesordnungspunkt Wehrhafte Demokratie gegenüber Extremismus
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