13.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 35 / Tagesordnungspunkt 13

Linda TeutebergFDP - Wehrhafte Demokratie gegenüber Extremismus

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass unsere Demokratie wehrhaft sein muss nach innen und nach außen, das ist wahrlich noch offensichtlicher in diesen Tagen, als es eigentlich schon zuvor war. Das zeigt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Und das zeigen leider auch die neuesten Zahlen zur Politisch motivierten Kriminalität, die die Bundesinnenministerin uns in dieser Woche vorgestellt hat. Sie zeigen einen neuen Höchststand, und das in vielen Bereichen. In vielen Bereichen von Extremismus, in verschiedenen Phänomenbereichen Politisch motivierter Kriminalität.

Was wir nicht brauchen – das ist auch nicht anders als noch in den letzten Jahren –, ist irgendein Ranking oder Hierarchien, welche Art von Extremismus oder Kriminalität schlimmer oder weniger schlimm oder die größere Bedrohung sei. Wir brauchen den Rundumblick

(Zuruf von der AfD: Unsere Forderung!)

und das klare Eintreten des freiheitlichen Rechtsstaates gegen jeglichen Extremismus.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch gegen jede Form der Menschen- oder Demokratieverachtung. Es gibt keinerlei moralische Überlegenheit irgendeiner Ausprägung von Extremismus. Es kann übrigens auch für Menschenverachtung keinen Rabatt geben, weder kulturell noch für irgendein politisches Lager, wo immer wir sie wahrnehmen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders beschämen und besorgen müssen uns die auch erneut auf einem Höchststand befindlichen Zahlen antisemitischer Taten. Wir haben eine besondere Verantwortung dafür, dass jüdisches Leben in unserem Land sicher und selbstbestimmt stattfinden kann, und dafür, dass nicht wir uns das attestieren, sondern dass Jüdinnen und Juden selbst darauf vertrauen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb gilt – egal in welchem Gewand, egal in welcher Ausprägung –: Jede Form des Antisemitismus ist gleichermaßen inakzeptabel, und wir müssen ihm entschieden entgegentreten,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

als Rechtsstaat, als Gesellschaft und auch jeder und jede Einzelne von uns. Wo auch immer er uns in Gesprächen begegnet, müssen wir widersprechen. Wir müssen die gesellschaftlichen Türen gegen Antisemitismus, gegen menschenverachtendes Gedankengut fest verschließen, damit es auf reale Türen wie in Halle nicht ankommt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da finde ich übrigens einen seltsamen Kontrast zwischen dem aktuellen wirklichen Ernst der Lage einerseits und den alten Reflexen, die in dieser Debatte wieder auftauchen, andererseits. Ich will da zwei Beispiele nennen.

Zum einen, liebe Kolleginnen und Kolleginnen von der Union, ist das nicht der richtige Anlass für die altbekannten Forderungen. Natürlich muss der Rechtsstaat wehrhaft sein, und man muss auch sachlich über Befugnisse diskutieren können. Aber hier wie in anderen Bereichen gilt das Zauberwort unserer Verfassung – Verhältnismäßigkeit –, und daran hat sich nichts verändert.

(Beifall bei der FDP)

Zum anderen muss ich, weil eben neue Phänomene eher eine neue Nachdenklichkeit erfordern und nicht die alten Reflexe, auch zu den Kollegen der Linken wie Frau Renner sagen: Wenn wir neue, schwer einzuordnende Phänomene haben, dann finde ich es besser, dass das bei der Kriminalitätsstatistik offen kommuniziert wird, als wie Sie vorschnell Phänomene in alte Schubladen zu packen, weil das in Ihr Weltbild besser passt. Verschwörungserzählungen und vieles andere gibt es nicht nur in einem politischen Lager. Ich finde, das sollte uns eher nachdenklich machen. Sosehr die Sicherheitsbehörden gegen jeden, der den Staat delegitimieren will, klar vorgehen müssen, sollten wir über die Ursachen und die Motive gründlich nachdenken. Wir sollten nicht alles so, wie Sie es gerne möchten, in eine rechte Schublade packen, sondern die Komplexität der Phänomene wahrnehmen und beschreiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ebenfalls bedenklich – und die müssen uns besorgen – sind die erhöhten Zahlen bei Angriffen gegen Mandats- und Amtsträger. Hier müssen wir ganz klar sagen: Wer Repräsentanten unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates angreift, der greift uns alle an. Das ist keine Frage der politischen Opportunität. Wer Mandats- und Amtsträger angreift, der zeigt damit auch seinen mangelnden Respekt zum Beispiel gegenüber den Wahlentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger, die diese Personen legitimiert haben. Hierfür darf es kein Verständnis geben. Wir müssen glaubwürdig dafür einstehen, dass unsere freiheitliche demokratische Grundordnung so viele friedliche und legale Möglichkeiten bietet, sich politisch zu beteiligen. Da kann es auch keinen Blankoscheck für selbsternannte Aktivisten geben. Recht und Gesetz gelten für jedermann in unserem Land.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Frau Teuteberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Daseinsvorsorge für unsere Demokratie, das muss für uns auch bedeuten: Respekt vor dem Ehrenamt, zum Beispiel auch in politischen Parteien, und bessere Rahmenbedingungen für das Ehrenamt in unserem Land. Darauf kommt es an. Wir brauchen vieles mehr: Vorbeugung, Prävention, politische Bildung; dazu wird mein Kollege Stephan Seiter sprechen. Auch auf unser Verhalten in jeder politischen Debatte kommt es an, dafür, wie groß der Respekt für die politischen Institutionen in unserem Land ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat das Wort zu einer Kurzintervention die Kollegin Renner.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536293
Wahlperiode 20
Sitzung 35
Tagesordnungspunkt Wehrhafte Demokratie gegenüber Extremismus
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