Peggy SchierenbeckSPD - Wehrhafte Demokratie gegenüber Extremismus
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Innenministerin Faeser! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde Sie jetzt überraschen: Ich stimme mit der CDU/CSU überein. Die Union hält in ihrem Antrag den Rechtsextremismus derzeit für die größte Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Und nicht nur ich stimme an dieser Stelle mit der Union überein, sondern die gesamten Fraktionen der SPD, der Grünen und der FDP. Das können Sie sogar nachlesen: Koalitionsvertrag, Seite 107, Zeile 3 587. Ich zitiere: „Rechtsextremismus ist derzeit die größte Bedrohung unserer Demokratie.“
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was ist jetzt daran so erwähnenswert?)
Die Zahlen zeigen eindeutig, dass die Fälle von rechtsmotivierter Kriminalität sehr hoch sind, höher als die durch linke, durch religiöse oder durch ausländische Ideologien motivierten Straftaten.
(Zuruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Die Zahlen zeigen auch, wie dringend es ist, gegen den Rechtsextremismus wirksam vorzugehen. Wenn die Zahl der von rechtem Gedankengut geprägten Straftaten doppelt so hoch ist wie die der von linkem geprägten, dann muss uns das doch allen zeigen, dass wir zuerst dagegen vorgehen müssen, dass wir uns erst damit beschäftigen müssen, dem Hass, der Hetze und der Gewalt von rechts Einhalt zu gebieten.
Verstehen Sie mich richtig: Jede Straftat ist eine zu viel, jede Gewaltanwendung ist eine zu viel, jede Gewaltanwendung ist zu verurteilen. Denn wir haben auch schon linksextreme Ausschreitungen gesehen, Bilder von vermummten Menschen, die Autos anzünden, um Systemkritik auszudrücken.
(Enrico Komning [AfD]: Nein, nicht wirklich!)
Das Anzünden eines Autos ist aber keine Systemkritik. Das ist erst mal Sachbeschädigung.
(Zuruf von der AfD: Das ist nicht so schlimm?)
Sachbeschädigung ist übrigens auch das Feld, in dem von links motivierte Täter/-innen sich am häufigsten betätigen.
Damit möchte ich zum nächsten Punkt kommen. Sachbeschädigung ist die Beschädigung einer Sache. Es wird etwas beschmiert, kaputtgemacht, angezündet. Das wird mit aller Konsequenz strafrechtlich verfolgt. Dennoch können wir diese Dinge reparieren.
Was wir nicht reparieren können, das sind die Angriffe auf die Seele, seien es fremdenfeindliche, antisemitische, islamfeindliche oder volksverhetzende Äußerungen, Äußerungen gegen die sexuelle Orientierung oder Identität. All diese Äußerungen hinterlassen Spuren in den Lebensbiografien von Menschen. Das sind Verletzungen und Wunden, die nicht sichtbar sind und die die Geschädigten oft ihr ganzes Leben lang mit sich tragen werden. Solche Äußerungen kommen in der Masse von rechts.
(Beifall des Abg. Helge Lindh [SPD])
Deswegen lohnt es sich, zu sagen, dass Rechtsextremismus nicht nur unsere Demokratie bedroht, sondern uns Demokratinnen und Demokraten bereits angreift. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Volksverhetzung sind häufig nicht so gut zu erkennen wie zum Beispiel ein brennendes Auto. Und genau deshalb, weil diese Angriffe auf die Demokratie so schwer zu erkennen sind, sollten wir mit aller Macht daran arbeiten, sie als erste zu verhindern.
Wir müssen mit aller Kraft den Aktionsplan gegen Rechtsextremismus umsetzen. Wir dürfen die Opfer von Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen nicht alleinlassen, und wir müssen Mandatsträger/-innen vor Angriffen schützen. Wir müssen eine demokratische Streitkultur fördern, die politische Bildung stärken und die Medienkompetenz steigern. Wir müssen die Hetze im Internet bekämpfen, Verschwörungsideologien entkräften und so der Radikalisierung vorbeugen.
(Mike Moncsek [AfD]: Macht einfach gute Politik!)
Wir müssen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten entwaffnen und rechtsextreme Netzwerke zerschlagen.
Wir müssen mit Sachverstand darangehen, Extremismus in jeder Form zu bekämpfen. Gefühle sind ein schlechter Berater, wenn es um nichts weniger geht als um unsere Demokratie. Wir brauchen mehr Erkenntnisse, wenn wir Extremistinnen und Extremisten effektiv bekämpfen wollen. Der periodische Sicherheitsbericht wird uns langfristig dabei helfen, Tendenzen und Ursachen zu erkennen und Lösungsansätze zu finden.
Ich habe zu Beginn meiner Rede den Koalitionsvertrag erwähnt und ausgeführt, dass die Koalition mit der CDU/CSU übereinstimmt. Es tut mir leid, wenn Sie den Eindruck gewonnen haben, dass wir uns nicht nur mit den dringendsten und größten Problemen beschäftigen. Der Koalitionsvertrag geht natürlich weiter. Ich zitiere: „Wir treten allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen entschieden entgegen – ob Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Linksextremismus oder jeder anderen Form des Extremismus.“
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sehr verehrte Damen und Herren, von 2005 bis 2021 war das Innenministerium in der Hand der Union,
(Beifall des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
die in ihrem Antrag selbst schreibt, dass die Zahl der Extremistinnen und Extremisten seit Jahren zunimmt. Anscheinend haben Sie viel zu wenig unternommen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Nun haben wir mit Nancy Faeser eine kluge und starke Frau, die mit Entschlossenheit und Fachkenntnis ihr Amt ausübt. Mit ihr gemeinsam werden wir als fortschrittsgewandte Koalition entschieden gegen jegliche Art von Extremismus vorgehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dem Antrag der CDU/CSU werden wir nicht zustimmen; er ist unzureichend.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Wirth, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Jetzt kommt was Substanzielles!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536297 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Wehrhafte Demokratie gegenüber Extremismus |