Joachim WundrakAfD - Nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie
Herr Präsident! Werte Kollegen! Nach diesem emotionalen Thema ein nüchternes politisches Thema. Seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten wird in Deutschland in Fachkreisen über das Thema der fehlenden nationalen sicherheitspolitischen Gesamtstrategie diskutiert. Das Thema erreichte in Krisenzeiten für kurze Zeit auch die Aufmerksamkeit der politischen Parteien und der Medien und verschwand dann regelmäßig wieder aus der Diskussion.
Strategische Realität war bis heute, dass Deutschland seine Energiepolitik nach Moskau, seine Wirtschaftspolitik nach Beijing und seine Sicherheitspolitik nach Washington outgesourct hat, und der Rest wird zumeist in Brüssel entschieden. Der deutschen Sicherheitspolitik mangelt es also bereits seit Langem an langfristigen nationalen strategischen Zielsetzungen, um dem Versprechen des Grundgesetzes an den deutschen Bürger nach Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand gerecht zu werden.
(Beifall bei der AfD)
Den aktuellen Herausforderungen einer sich dramatisch verändernden Weltordnung und einem immer härter werdenden internationalen Systemwettbewerb ist Deutschland daher zunehmend nicht gewachsen. Die Ursache hierfür ist auch das Fehlen einer langfristigen, realistischen, stringenten und ideologiefreien nationalen Strategie, die deutsche Interessen klar und deutlich formuliert. Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung vorgenommen hat, im ersten Jahr ihrer Amtszeit eine nationale Sicherheitsstrategie vorzulegen. Jedoch greift der Ansatz, den die Außenministerin bei der Auftaktveranstaltung zur Entwicklung einer solchen nationalen Sicherheitsstrategie vorlegte, deutlich zu kurz.
Eine nationale Sicherheitsstrategie zu erarbeiten, diese fortlaufend kritisch in der gesamten Bandbreite zu evaluieren und fortzuschreiben und vor allen Dingen deren Umsetzung zu überwachen und durchzusetzen, kann nicht die Verantwortung eines einzelnen Ressorts sein.
(Beifall bei der AfD)
Das muss unbedingt Chefsache werden. Die offensichtlichen Schwachstellen des Krisenmanagements im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg unterstreichen dies nachdrücklich.
Innen- und außenpolitische Sicherheitsentwicklungen lassen sich schon lange nicht mehr getrennt betrachten. Heutige und künftige komplexe Herausforderungen können nur bewältigt werden, wenn außen-, verteidigungs-, innen-, wirtschafts- und energiepolitische Dimensionen miteinbezogen und im wohlverstandenen nationalen Interesse angegangen werden.
(Beifall bei der AfD)
Denn tragfähige realpolitische Lösungen und strategische sicherheitspolitische Entscheidungen bedürfen eines weiten Blicks nach vorn sowie klar definierter nationaler sicherheitspolitischer Ziele. Liegt eine solche realpolitische Durchdringung der Weltsicherheitslage nicht vor, kann die Bundesregierung bestenfalls kurzfristig auf kritische Ereignisse reagieren. Wir kennen dieses Fahren auf Sicht aus den letzten Jahren zur Genüge. Mittel- und langfristig führt diese Politik jedoch zu weiterem Verlust an Handlungsspielraum in der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik und damit zu einer steigenden Abhängigkeit von anderen Mächten. Wir erleben dies gerade insbesondere in der gescheiterten Energiepolitik im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen äußerst schmerzhaft. Deutschland muss also in die Lage versetzt werden, den drohenden Abstieg im internationalen Konzert zu verhindern und seine nationalen Interessen, die dem Wohl der Bürger zu dienen haben, auch durchsetzen zu können.
(Beifall bei der AfD)
Vor diesem Hintergrund beantragen wir, umgehend den derzeitigen Bundessicherheitsrat zu einem ständigen, ressortübergreifenden nationalen Sicherheitsrat umzubauen und mit effizienten und schlanken Strukturen – nicht unbedingt nach amerikanischem, eher nach französischem und japanischem, aber auch österreichischem Vorbild – auszubauen.
(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Das ist eine interessante Mischung!)
Dieser nationale Sicherheitsrat setzt sich zusammen aus den für einen breiten Sicherheitsbegriff relevanten Ministern und wird vom Bundeskanzler geführt. Ein nationaler Sicherheitsberater, der direkt dem Bundeskanzler untersteht und dessen Stab im Kanzleramt angesiedelt ist, führt die täglichen Geschäfte dieses nationalen Sicherheitsrates. Er hat dazu auch Zugang zu den relevanten Informationen, insbesondere den jeweiligen Lagezentren aller betroffenen Ressorts.
Mit diesem Instrumentarium sollte die Bundesregierung in die Lage versetzt werden, präventive und langfristige Strategien zu entwickeln, in einer deutschen nationalen Gesamtsicherheitsstrategie zu institutionalisieren und dann auch umzusetzen. Um diese deutliche Stärkung der Position des Bundeskanzlers in der Exekutive demokratisch zu legitimieren, soll dazu ein geeignetes parlamentarisches Kontrollgremium eingerichtet werden.
Werte Kollegen, vor dem Hintergrund der zunehmenden Unsicherheiten und Risiken in der Welt bitte ich Sie, parteipolitische Überlegungen hintenanzustellen und unserem Antrag zuzustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der AfD)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie erleben jetzt einen historischen Moment. Ich erteile dem Kollegen Dr. Ralf Stegner, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Otto Fricke [FDP]: Was du alles machst! – Stephan Brandner [AfD]: Eher ein hysterischer als ein historischer Moment, glaube ich!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536325 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie |