Roderich KiesewetterCDU/CSU - Nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich appelliere an uns und bitte darum, dass die nächsten Rednerinnen und Redner sich dem Thema widmen. Wir haben ganz viele Zuschauerinnen und Zuschauer.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
– Das ist falscher Beifall von der falschen Seite.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie sagen aber das Richtige! Das Rechte sozusagen!)
Wir sollten uns über die Zukunft unseres Landes unterhalten. Den Antrag der Antragsteller, um das gleich vorweg zu sagen, lehnen wir ab, weil sie Multilateralismus schlichtweg ablehnen, die Vernetzung unseres Landes, die unbedingt notwendig ist, als zu kompliziert bezeichnen. Damit ist das für uns kein Beratungsgegenstand.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lieber Herr Kollege Stegner, ich habe mir erhofft, dass Sie die Gelegenheit nutzen und in Ihrem Redebeitrag aus der Sicht der Sozialdemokratie darstellen, wie die Sozialdemokratie die nationale Sicherheitsstrategie sieht. Wenn Sie schon Helmut Schmidt und Willy Brandt ins Feld führen und die Entspannungspolitik ansprechen, dann führe ich ins Feld, dass es unter diesen beiden Bundeskanzlern nicht den 2‑Prozent-Anteil gab, sondern unter Willy Brandt 3,4 Prozent und unter Helmut Schmidt 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben wurden. Nehmen Sie sich das als Vorbild! 2 Prozent schaffen Sie ja schon nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Union sind der Bundesregierung sehr dankbar, dass sie das Thema „nationale Sicherheitsstrategie“ auf die Tagesordnung setzt. Wir sind nicht nur deshalb dankbar, weil es bei uns im Wahlprogramm stand, sondern auch deshalb, weil wir mit Blick auf unsere Bevölkerung, eine alternde Gesellschaft, und auf die Herausforderungen durch den Klimawandel, durch Dürren und Katastrophen, durch Migration und extreme Sicherheitsbedrohung durch den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands vor Aufgaben stehen, die wir nicht mehr mit dem Tagesgeschäft bewältigen können.
Wenn wir dann die knappen Ressourcen, die Deutschland hat, ohne Maß und ohne Ziel, einfach fallweise ausgeben oder verwenden, dann wäre das eine große Fehlinvestition. Wir erleben das gerade auch in der Debatte über die 100 Milliarden Euro und das 2‑Prozent-Ziel.
Aber das Thema „nationale Sicherheitsstrategie“ ist mehr. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie den Bundestag hier intensiv einbindet. Denn das oberste Ziel in der Verantwortung des Staates ist der Schutz unserer Bevölkerung vor äußerer Gefahr, vor inneren Gefahren, vor Bedrohungen, vor Pandemien und vielem mehr. Das ist der eigentliche Staatszweck. Das ist der Grund, warum sich Völker Staaten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Parlamente gegeben haben.
Wenn wir nun in einer alternden Gesellschaft sind, werden wir in einer ganz großen Ressourcenkonkurrenz sein. Dann wird es um die Frage gehen: Wo setzen wir die knappen Mittel ein? Deshalb brauchen wir eine nationale Sicherheitsstrategie, die Prioritäten beschreibt und daraus auch Fähigkeiten ableitet: Was wollen wir in welcher Weise erreichen?
Wir als Union sind bereit, die Regierung hier zu unterstützen. Ich bin froh, dass es ein Prozess ist, der die Bevölkerung, die Thinktanks, das Parlament, Institutionen und ausländische Partner breit einbindet. Aber wir sollten wenigstens vier Punkte betrachten, die unbedingt eingebaut werden müssen.
Das Erste ist der Schutz unserer Bevölkerung. Wenn wir Sicherheit breit definieren, geht es um soziale Sicherheit, um äußere und innere Sicherheit sowie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Das alles muss natürlich auf der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit aufbauen, damit wir die Gelder haben für innere, äußere und soziale Sicherheit. Dabei stehen wir in einer internationalen Konkurrenz, wo wir uns Partner und Wertschöpfungsketten suchen müssen, die uns nicht erpressbar machen – ich blicke auf China.
Zweitens brauchen wir eine Bundeswehr, die das außenpolitische Handeln unseres Landes verlässlich als Instrument von Smart und Hard Power unterstreicht.
Drittens brauchen wir eine strategische Kultur, die aus den abzuleitenden Fähigkeiten und den notwendigen Priorisierungen das ermöglicht, was die Außenministerin als „Diplomatie und Härte“ bezeichnet.
(Beifall der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben uns zu lange, gleich unter welcher Regierung, mit dem Narrativ beschäftigt, wir seien von Freunden und Partnern umgeben, und mit dem Narrativ – das klang leider an, Herr Stegner – „Wandel durch Handel, Wandel durch Annäherung, Wandel durch Verflechtung“. Wer sich in den letzten 20, 30 Jahren geändert hat, ist nicht Russland, sondern das sind wir. Wir haben uns durch billige Energie aus Russland, durch vergleichsweise günstigen Schutz aus den USA und durch billige Wertschöpfungsketten aus China abhängig gemacht. So wird es nicht weitergehen, weil wir in einer systemischen Konkurrenz mit China und Russland sein werden und die afrikanischen Staaten sehr genau schauen werden: Helfen wir der Ukraine? Helfen wir ihr, dass sie Teil der rechtsstaatlichen Ordnung wird, dass sie Teil der Europäischen Union wird, einer Friedensordnung? Oder lassen wir sie durch Zögern und Zaudern in ein Chaos stürzen, aus dem sie nicht mehr herauskommt? – Warum sollten sich afrikanische Staaten an die Seite der EU stellen und unsere regelbasierte internationale Ordnung verteidigen, wenn wir, wenn es darauf ankommt, nicht in der Lage sind, die Werte mit ihnen gemeinsam zu schützen und, wenn es sein muss, auch zu verteidigen?
Deshalb lassen Sie mich abschließend sehr deutlich einen Appell richten: Nutzen wir die nächsten Redebeiträge, aber auch die nächsten Debatten über die nationale Sicherheitsstrategie dafür, dass wir eine strategische Kultur in Deutschland entwickeln, beispielsweise jedes Jahr eine „Woche der Sicherheit“, wie wir auch eine Haushaltswoche haben, beispielsweise eine Evaluierung unseres außenpolitischen Handelns, das die Bundesregierung vorstellt, aber auch mit einem aufgewerteten Bundessicherheitsrat, der als Entscheidungsvorbereitungs- und Koordinierungsgremium der Regierung hilft, Interessen zu formulieren und Positionen zu erarbeiten in EU, NATO, OSZE und den Vereinten Nationen.
In diesem Sinne werbe ich dafür, dass wir eine breite, inklusive Debatte führen. Wenn die Bundesregierung es wünscht, werden wir das als Union intensiv unterstützen. Ansonsten machen wir eigene Vorschläge.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Kiesewetter. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Merle Spellerberg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536329 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie |