Peter HeidtFDP - Nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Antrag der AfD ist inhaltlich schwach, widersprüchlich, rückwärtsgewandt und ist mit dem gewohnten nationalistischen Unterton versehen.
(Zuruf von der AfD: Na klar!)
Nicht ein einziges Mal habe ich in dem Antrag „EU“, „Vereinte Nationen“ oder „NATO“ gelesen. Am Anfang kritisieren Sie einen ressortübergreifenden Ansatz, und am Ende fordern Sie einen ressortübergreifenden Ansatz. Wahrscheinlich hat die erste Seite der Müller geschrieben, die zweite Seite der Meier – keine Ahnung, aber das ist nur noch grotesk.
Als Antwort auf die wachsenden Herausforderungen einer veränderten Weltordnung fordern ausgerechnet Sie eine ideologiefreie Strategie, die allein deutsche Interessen formuliert. Die AfD ist es doch, die sich ideologisch und programmatisch in den europäischen Rechtspopulismus einreiht.
(Beifall des Abg. Reinhard Houben [FDP])
Sie haben noch immer nicht begriffen, dass wir in einer vernetzten Welt leben und die globalen sicherheitspolitischen Herausforderungen nur gemeinsam lösen können.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Russlands völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine bedeutet eine geopolitische Zäsur mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die europäische Sicherheit. Es ist naiv, zu glauben, dass alles gut wird, wenn wir uns nur raushalten. Der AfD-Abgeordnete Gauland erklärte im Bundestag, nur ein Kompromiss könne den Krieg beenden; zu welchem Preis für Kiew, hat er nicht gesagt. Ein Kompromiss ist unmöglich, wenn die eine Seite sich die Vernichtung der anderen Seite zum Ziel gesetzt hat. Wie hätte ein Kompromiss zwischen Polen und Deutschland aussehen können, nachdem die Nazis in Polen eingefallen sind? Die Vorstellung, man müsse sich einfach nur ergeben und alles wird gut, ist Wunschdenken. Das Gegenteil ist der Fall. Außerdem würde die russische Gewalt gegen die Menschen in der Ukraine nicht aufhören, wenn sie sich ergeben würden. Butscha ist dafür exemplarisch der Beweis.
(Hannes Gnauck [AfD]: Von Ergeben hat niemand gesprochen!)
Nur eine militärisch starke Position wird die Ukraine in eine Verhandlungsposition bringen, in der ihr angesichts Russlands unmenschlicher Gewalt kein Nachgeben droht. Abgesehen davon, dass es nach meiner Auffassung eine moralische Verpflichtung ist, die Ukraine zu unterstützen, hat Putin bereits angekündigt, dass er Russland in der alten Größe wiederherstellen will.
Dass sich jetzt die AfD als eine Friedenspartei inszeniert, täuscht nicht darüber hinweg, dass sie alles andere als eine pazifistische Partei ist. Natürlich geht es gegen die USA, für Russland. Auch wenn man AfD und Linke zunächst einmal als etwas Unterschiedliches ansieht: Auf diese Position können sie sich immer einigen. Sie verlieren sich beide in ihrer kruden Russlandliebe. Hier bestätigt sich wieder einmal die Hufeisentheorie von Hannah Arendt.
(Hannes Gnauck [AfD]: Haben Sie den Antrag gelesen?)
Ihre Verurteilung des russischen Angriffs ist halbherzig. Ihre ganzen Anträge in diesem Parlament zeigen, dass Sie das Gegenteil dessen wollen, was Sie behaupten. Sie sind tatsächlich die fünfte Kolonne Russlands.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sagen Sie was zu Ihrem Koalitionspartner!)
Völlig undifferenziert wird teilweise russische Propaganda zum Besten gegeben. Der AfD-Landtagsabgeordnete Jörg Dornau postete in sozialen Medien: „Die Ukraine wird entnazifiziert!“ Ihre Haltung ist für mich blanker Zynismus.
Die Ampelkoalition hat in den letzten Wochen gezeigt, wie man auf einen solchen Angriff reagieren kann. Im Verbund mit unseren Partnern haben wir gemeinsam Hilfe beschlossen. Wir haben Sanktionen beschlossen. Wir liefern gemeinsam Waffen. Wir bilden gemeinsam aus und leisten humanitäre Hilfe. Die Tatsache, dass Finnland jetzt NATO-Mitglied werden will, zeigt, wie richtig unser Handeln ist und wie attraktiv die NATO ist. Voraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass alle Staaten der Europäischen Union zusammenhalten und dass wir mit der NATO ein starkes Bündnis kriegen.
Die Bundesregierung hat, wie schon im Koalitionsvertrag angekündigt und von der FDP bereits 2020 gefordert, eine nationale Sicherheitsstrategie in Angriff genommen. Es wird die erste nationale Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik Deutschland sein. Wir definieren Interessen, natürlich auch deutsche Interessen, aber es geht um die Wehrfähigkeit Deutschlands und die Anerkennung militärischer Macht als eines wichtigen Ordnungsfaktors in der internationalen Arena und einer entscheidenden Stütze von Diplomatie. Wir brauchen sie als Rüstzeug zur Orientierung in der Welt, wie sie nun einmal ist. Wir brauchen sie zur Verständigung über reale Bedrohungen mit unseren wichtigsten internationalen Partnern in der EU und in der NATO.
Ich habe an der Auftaktveranstaltung im Außenministerium teilgenommen. Die Außenministerin Annalena Baerbock hat dort ganz klar eine nationale Sicherheitsstrategie skizziert. Auf dieser Basis arbeitet jetzt die Ampelkoalition an einer konkreten Ausformulierung. Kollege Kiesewetter, wir sind bereit, Ihre Anregungen aufzunehmen, und wir können sehr offen über alle Forderungen diskutieren.
Statt also, wie Sie von der AfD es tun, den Multilateralismus zu verunglimpfen, müssen wir – im Gegenteil – daran arbeiten, ihn zu stärken und zu verbessern. Deutschland ist ein Nutznießer einer regelbasierten, liberalen Weltordnung. Gerade deshalb muss Deutschland Verantwortung übernehmen und eine Vorreiterrolle bei der Einhaltung internationaler Verträge und der Menschenrechte einnehmen. Wir werden in der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik Partnerschaften vertiefen, neue begründen und unsere Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte verteidigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nationalismus war das große Übel des 20. Jahrhunderts. Wir wissen, wo das hingeführt hat. Deshalb wissen wir auch, dass Nationalismus heute keine Antwort mehr sein kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächstes erhält das Wort für die SPD-Fraktion der Kollege Johannes Arlt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Hannes Gnauck [AfD]: Die SPD-Messlatte liegt ja tief!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536332 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie |