13.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 35 / Tagesordnungspunkt 29

Norbert KleinwächterAfD - Änderung des SGB II (Aussetzung der Sanktionen)

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Kollege Audretsch, was die Koalition wirklich vorhat, haben Sie ja gestern an dieser Stelle, an diesem Pult, wörtlich ausgesprochen:

Wir ermöglichen Millionen von Menschen, wenn sie zu uns kommen, ganz direkt in unsere Sozialsysteme zu kommen.

Das haben Sie gesagt.

(Annika Klose [SPD]: Oh, ist das billig!)

Und wenn die Bundesregierung das als Selbstauftrag versteht, dann kann ich auch durchaus nachvollziehen, warum sie sämtliche Schutzmechanismen unserer Sozialleistungssysteme aushebelt.

(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Sie haben das Gesetz überhaupt nicht kapiert!)

Die Ukrainer kommen direkt in Hartz IV,

(Annika Klose [SPD]: Wollen Sie sagen, die ukrainischen Geflüchteten kommen hierher wegen der Sozialleistungssysteme?)

die Vermögensprüfung ist ja ausgesetzt – Frau Kramme hat es erwähnt –, und jetzt geht es eben auch den Sanktionen nach Verstößen an den Kragen.

Das bedeutet nach Ihren Vorstellungen ganz konkret: Einem Leistungsempfänger, der beispielsweise eine geeignete Stelle ablehnt, passiert genau nichts. Wenn er ein Bildungsangebot ablehnt, dann passiert ihm nichts. Wenn er Vermögen bewusst beiseitelegt und verschleiert, dann passiert ihm nichts. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Ich finde es nicht in Ordnung, wenn in diesem Fall nichts passiert. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der AfD – Jessica Tatti [DIE LINKE]: Sie kennen sich nicht aus mit der Gesetzeslage!)

Und wenn ich mir dann anschaue, dass, wenn er einen Termin verschläft – Meldeversäumnis –, als Sanktion sein Hartz‑IV-Satz um 10 Prozent gekürzt wird, dann muss ich Ihnen sagen, Frau Kramme: Dann hat es Ihnen bei der Gesetzgebung ein bisschen das Maß verzogen; das ist nicht in Ordnung.

Werte Kolleginnen und Kollegen, unser Sozialsystem ist für die bedürftigen Menschen da, und das ist auch gut so und richtig. Ein Großteil der Sozialleistungsempfänger – sie machen das bei Gott nicht aus Spaß – sind auf die Hilfe des Staates angewiesen. Deswegen haben wir auch eine Verpflichtung diesen Menschen gegenüber, nämlich die Verpflichtung, unsere Sozialleistungssysteme langfristig tragfähig zu halten. Das ist der Auftrag an uns.

(Beifall bei der AfD)

Wenn wir über Sanktionen sprechen, dann müssen wir natürlich auch erwähnen, dass die Sanktionen, wie sie bisher existiert haben, oft auch ungerecht waren, gerade den bedürftigen Menschen gegenüber. Ihnen wurden Stellen angeboten, die ganz uninteressant waren; ihnen wurden Bildungsangebote unterbreitet, die völlig unnütz waren. Und wenn sie gesagt haben: „Nein, das bringt mir nichts“, dann wurden sie sanktioniert. Das ist das Ergebnis der Agenda 2010 von Schröder, von Rot-Grün gewesen. Das war falsch, und das müssen wir korrigieren.

(Beifall bei der AfD)

Aber im Umkehrschluss zu sagen: „Wir streichen jetzt mal alle Sanktionen.

(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Meine Fresse! Keine Ahnung und redet einen Stuss! Echt!)

Es ist uns egal, ob du dich bemühst; es ist uns egal, ob du dem Steuerzahler auf der Tasche liegst“, gefährdet nicht nur die Tragfähigkeit unserer Sozialsysteme, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch ein Hohn.

Das ist ein Hohn all denen gegenüber, die jeden Tag in der Früh um 5 Uhr aufstehen, zur Arbeit gehen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht alle stehen um 5 Uhr auf! Manche Menschen müssen Nachtschichten machen!)

am Abend todmüde heimkommen und am Ende des Monats auf dem Gehaltszettel – weil sie so hohe Steuern zahlen müssen – kaum mehr haben als derjenige, der Sozialleistungen bezieht, und die sich dann natürlich bei einer Sanktionsfreiheit ganz offen die Frage stellen: Sag mal, warum mache ich das eigentlich? – Es ist auch ein Hohn denen gegenüber, die gerne jeden Tag in der Früh um 5 Uhr aufstehen würden,

(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Das will keiner!)

die gerne zur Arbeit gehen würden, den bedürftigen Menschen gegenüber, die aus irgendwelchen Gründen, weil sie keine Stelle finden oder aus anderen Umständen, nicht arbeiten können.

(Beifall bei der AfD – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Sie Menschen gegeneinander ausspielen! Was fällt Ihnen ein?)

Es ist auch ein Hohn denen gegenüber, werte Kolleginnen von den Grünen, weil sie nämlich im Volksmund alle in einen Sack gepackt werden: die Bedürftigen und diejenigen, die ganz offen sagen: Och, ich krieg ja keine Sanktionen; ich bleibe jetzt mal auf meiner Couch und kiffe.

(Jens Peick [SPD]: Das ist bald legal!)

Das ist ein Hohn den bedürftigen Menschen gegenüber, meine Damen und Herren, wenn das passiert.

(Beifall bei der AfD)

Das Bundesverfassungsgericht hat uns nicht aufgetragen, alle Sanktionen auszusetzen oder abzuschaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns an die Verhältnismäßigkeit erinnert. Das bedeutet, dass Sanktionen gegenüber den Pflichtverletzungen verhältnismäßig sein müssen. Übrigens kann eine Ablehnung des Jobs auch eine komplette Kürzung bedeuten.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Würde des Menschen ist unantastbar!)

Deswegen sagen wir ganz offen, meine Damen und Herren: Wenn Sie Millionen Menschen ins Land holen wollen, Herr Audretsch, dann ist das der falsche Weg. Unsere Sozialsicherungssysteme haben nicht die Ressourcen, haben nicht die Kraft für Ihre Ideologie.

Haben Sie herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind gegen das Grundgesetz! – Gegenruf des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist ja nichts Neues!)

Der Kollege Audretsch wurde jetzt zweimal namentlich genannt, deswegen erlaube ich eine Kurzintervention. – Bitte schön.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536341
Wahlperiode 20
Sitzung 35
Tagesordnungspunkt Änderung des SGB II (Aussetzung der Sanktionen)
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