Till MansmannFDP - Ermäßigter Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die vergangenen Jahre der Pandemie waren für uns alle eine wirklich große Herausforderung. In ganz besonderem Maße gilt und galt das für die Kunst- und Kulturszene, für die Gastronomiebranche und eben auch für die vielen Brauereien in unserem Land. Gerade wir Freien Demokraten haben das immer wieder zum Thema gemacht.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber jetzt vergesset ihr es!)
Wir haben immer wieder dafür geworben, die Bedürfnisse von Kunst und Kultur, der Gastronomiebranche und vielen weiteren, kurzum, von all dem, was uns das Leben schön macht, gerade auch in Pandemiezeiten in den politischen Fokus zu rücken. Bei Ihnen, liebe Kollegen von der Union, sind wir damit über weite Teile auf taube Ohren gestoßen.
(Michael Donth [CDU/CSU]: Wer hat es denn abgesetzt?)
Deswegen ist es gut und richtig, dass wir in den vergangenen Monaten gemeinsam mit unseren Ampelpartnern die Chance genutzt haben, hier echte Änderungen zu erreichen.
(Beifall des Abg. Armand Zorn [SPD])
Bei Ihnen von der Union hat sich dagegen leider auch mit dem Wechsel in die Opposition nicht so viel getan. Stattdessen gilt bei Ihnen das Motto: Immer, wenn man nicht so richtig weiterweiß, dann gründet man einen Arbeitskreis oder schlägt irgendeine Veränderung bei der Mehrwertsteuer vor.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nina Warken [CDU/CSU]: Einen „Arbeitskreis“? – Michael Donth [CDU/CSU]: Nein! Keine Veränderung! Das soll so bleiben!)
Ganz ehrlich: Diese wichtige Steuer hat Besseres verdient, als jede Woche als arme Sau durch die politischen Dörfer getrieben zu werden; der Kollege Klüssendorf hat das auch schon dargestellt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ein bisschen Planung darf schon dahinter sein.
Wir haben wirklich volles Verständnis dafür, die Nöte zu sehen, in die allen voran Sie als die Regierenden der letzten Legislaturperiode die Kulturszene, die Gastronomie- und Veranstaltungsbranche gebracht haben. Aber alle paar Wochen ein neues Bündel haushälterisch nicht abgesicherter Forderungen in den Ring zu werfen, das ist eben genau die Form nicht nachhaltiger Politik, die uns überhaupt erst in die Situation gebracht hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion?
Ja, gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege Mansmann, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wenn ich im Supermarkt um die Ecke Eier kaufe, um mir daraus ein Omelett zuzubereiten,
(Zuruf von der FDP: Wann haben Sie das das letzte Mal gemacht?)
zahle ich 7 Prozent Umsatzsteuer. Wenn ich aber zu der Erkenntnis komme, dass es aus technischen Gründen besser ist, wenn das Omelett jemand anderes zubereitet, und deswegen zum Café um die Ecke gehe und es dort vor Ort verzehre, muss ich ab 1. Januar 2023 wieder 19 Prozent Umsatzsteuer bezahlen, obwohl im Café Arbeitsplätze geschaffen werden für den Koch und für den Kellner. Die Frage ist also: Wie lösen Sie diesen Wertungswiderspruch auf? Wäre es nicht angebracht, dass die Dinge, die der Versorgung dienen, generell dem verminderten Umsatzsteuersatz unterfallen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf: Trüffel zum Beispiel?)
Kollege, das können wir schnell machen. Ich gebe Ihnen da recht – der Kollege Klüssendorf hat darauf hingewiesen –: Die Mehrwertsteuer ist wirklich eine Steuer, die überarbeitet gehört,
(Nina Warken [CDU/CSU]: Aber wann?)
wo man ganz viele solcher Widersprüche findet. Genau deswegen ist es falsch, jetzt wieder mit neuem Klein-Klein da ranzugehen.
(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Es kann sein, dass wir im Laufe des Jahres dazu kommen, dass wir diese Maßnahme noch mal überprüfen. Es kann sein, dass wir dann plötzlich wieder eng zusammenliegen. Aber in dem Zusammenhang, so, wie es jetzt gerade ist, ist es falsch.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage, von Frau Karliczek?
Nur zu.
Jetzt mal ganz im Ernst: Ihr Finanzminister erzählt überall, dass er das für richtig befindet und dass er das will. Wer ist denn hier in der Verantwortung, das jetzt umzusetzen? Wenn wir genau an dieser Stelle sagen: „Es wird jetzt Zeit, das umzusetzen“, dann fängt er erst an, darüber nachzudenken? Das ist ein komisches Gebaren eines Finanzministers, erst voranzupreschen und zu sagen: „Ich will das!“, und dann nicht zu wissen, wie es bezahlt werden soll. Irgendwas stimmt da nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nein, nein, Frau Kollegin Karliczek. Sie lösen jetzt zwei kleine Maßnahmen aus dem Ganzen heraus
(Nina Warken [CDU/CSU]: Die jetzt aber wichtig sind!)
und legen sie uns hier als einzelnen Antrag vor, in einer Zeit, in der wir gerade ganz große Entlastungspakete für die Bürger auf den Weg gebracht haben.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Die Sie versprochen haben!)
Ich finde, das ist einfach von der politischen Sortierung her nicht in Ordnung.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns am Ende auf diese Maßnahmen einigen. Ich bin gespannt, ob Sie dann uns zustimmen. Darauf bin ich wirklich gespannt.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Dann legt halt mal was vor!)
Ja, liebe Kollegen von der Union, auch bei der Biersteuermengenstaffel fordern Sie die Fortführung einer Maßnahme, deren Befristung Sie selbst doch beschlossen haben, als Sie noch an der Regierung waren. Da ich mich an die Entstehung dieser Regelung in der letzten Legislaturperiode noch gut erinnern kann, finde ich es hilfreich, das hier mal darzustellen. Sie schreiben, das sei damals ein Beitrag zur Bekämpfung der Coronafolgen bei den Brauereien gewesen. Seien wir doch ehrlich: Nicht Corona hat der Gastronomie und den Brauereien zugesetzt. Zugesetzt haben Sie ihnen mit scharfen Maßnahmen, deren Wirksamkeit wir gerade zu analysieren versuchen.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Das Zwischenergebnis ist nicht gerade schmeichelhaft für das Regierungshandeln in der letzten Legislaturperiode.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Leute, Leute! Wir haben Leben gerettet!)
Viele von uns haben Ihnen damals gesagt: Aber in die Biergärten an der frischen Luft kann man doch gehen! Darauf haben Sie gesagt: Das geht jetzt nicht! – Jetzt, wo die Biergärten offen sind, kommen Sie – zu dieser Zeit, wo wir riesige Pakete schnüren – mit dieser kleinen Maßnahme und wollen das Gesetz, was Sie damals beschlossen haben, abändern.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Ich habe gehört, Sie wollen das nicht, und der Finanzminister sagt, er will das! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Sie haben damals die ermäßigte Biersteuermengenstaffel in letzter Minute als Änderungsantrag 26 noch in Ihren Beschluss reingepfriemelt.
(Michael Donth [CDU/CSU]: Ja!)
Jetzt auf einmal gerieren Sie sich als Freund und Partner unserer weltweit einzigartigen und vielfältigen deutschen Brautradition.
(Michael Donth [CDU/CSU]: Richtig!)
Das ist ein Spiel auf dem Rücken dieser Tradition, das wir nicht mitspielen wollen. Auch wir von der Ampelfraktion sehen, dass die Kulturszene, die Gastronomie, die Veranstaltungsbranche, die Brauereien wieder richtig ans Laufen kommen müssen. Wir freuen uns jetzt auf die kommenden Sommerfeste, die an vielen Orten erstmals nach über zwei Jahren wieder stattfinden. Aber jetzt, wo alles wieder offen ist, wo alles laufen kann, kommt Ihr Antrag nicht zur richtigen Zeit.
Gerade bringen wir umfangreiche steuerliche Entlastungen im Gesamtvolumen von 45 Milliarden Euro auf den Weg. Lassen Sie uns die nächsten drei Monate erst einmal schauen, wie sie wirken. Bei vielen Maßnahmen kommt es auch darauf an, welche Verhaltensänderungen die Konsumenten vornehmen. Sie schreiben selbst, das solle „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“ geschehen. Da müssen Sie doch selber sagen: Dann ist doch jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Armand Zorn [SPD] – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Ich gehe davon aus, dass der Finanzminister weiß, was er da versprochen hat!)
Hätten wir Ihnen das heute so vorgelegt, hätten Sie gesagt: Im Einzelnen sind das interessante Vorschläge. Aber was ist das für ein Klein-Klein, was ist das für eine Flickschusterei? – Genau das Gleiche sagen wir Ihnen auch.
(Michael Donth [CDU/CSU]: Nein, nein! Wir hätten dem zugestimmt!)
– Das sagen Sie jetzt. Das werden wir dann sehen, wenn das vielleicht in dem Jahr noch mal kommt.
(Kerstin Vieregge [CDU/CSU]: Das können Sie nächste Woche mal ausprobieren, dann können wir das beweisen! Legen Sie uns nächste Woche einfach was vor!)
Ich halte es für durchaus möglich, dass wir darüber noch mal sprechen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Dann sehen wir, ob wir gemeinsam – vielleicht dann mit großer Mehrheit – doch noch mal Vorhaben auf den Weg bringen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit großer Freude stelle ich fest, dass Sie unglaublich wach und munter sind.
(Heiterkeit)
Für die CDU/CSU-Fraktion erhält jetzt das Wort die Kollegin Mechthilde Wittmann.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Jawoll!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536360 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Ermäßigter Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie |