18.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 3

Thomas SeitzAfD - Vereinbarte Debatte zum Thema Sterbehilfe

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Selbsttötung ist in Deutschland straflos, weil kein fremdes Rechtsgut verletzt wird. Damit ist grundsätzlich auch die Förderung der Selbsttötung straflos.

Im Jahr 2015 wurde deshalb mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eine Beihilfehandlung zum eigenständigen Delikt erhoben. Seit das Bundesverfassungsgericht 2020 diese Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hat, fehlt es jenseits des ärztlichen Standesrechts wieder an einer Regelung. Dies bedeutet Rechtsunsicherheit und die Gefahr von Auswüchsen. Der Gesetzgeber ist also gefordert, den assistierten Suizid zu regeln. Die Vorgaben haben Gesetzeskraft und sind eindeutig – Zitat –:

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben erstreckt sich auch auf die Entscheidung des Einzelnen, sein Leben eigenhändig zu beenden.

Und weiter:

... Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist ... nicht auf fremddefinierte Situationen wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände beschränkt. … Eine Einengung des Schutzbereichs auf bestimmte Ursachen und Motive liefe auf eine Bewertung der Beweggründe des zur Selbsttötung Entschlossenen und auf eine inhaltliche Vorbestimmung hinaus, die dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd ist.

Nach der Entscheidung darf der Einzelne selbst entscheiden, was sein Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit seiner Existenz ausmacht. Staat und Gesellschaft haben diese Entscheidung als Akt autonomer Selbstbestimmung zu respektieren.

Mit diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss die zu schaffende Regelung einen zumutbaren Weg zu einem selbstbestimmten Freitod eröffnen, was einen legalen Zugang zum Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital erfordert. Festzuhalten ist aber auch, dass kein Arzt oder Apotheker verpflichtet ist, an der Selbsttötung eines anderen mitzuwirken.

Gleichzeitig gebietet die Schutzpflicht für das Leben ein tragfähiges Schutzkonzept. Für einen freien Suizid bedarf es zunächst der Fähigkeit der freien Willensbildung und der Fähigkeit, auch nach dieser Einsicht zu handeln. Die Willensbildung muss frei von Beeinträchtigung durch Krankheit sein, vor allem durch akute psychische Störungen. Das ist gerade bei betagten und schwerkranken Menschen ein Problem, die oft unter Suizidgedanken infolge einer Depression leiden.

Weiter muss der Betroffene gut informiert sein, um auf einer soliden Beurteilungsgrundlage das Für und Wider realistisch abzuwägen. Dazu gehört insbesondere, dass er Handlungsalternativen zum Suizid erkennt, ihre jeweiligen Folgen bewertet und sich in Kenntnis aller erheblichen Umstände und Optionen entscheidet. Ebenso muss gewährleistet sein, dass sich der Betroffene frei von Zwang, Drohung, Täuschung oder sonstigen Formen der Beeinflussung für den Suizid entscheidet.

Die Regelung muss auch sicherstellen, dass der Entschluss, aus dem Leben zu scheiden, von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit getragen ist. Da nach den gerichtlichen Vorgaben je nach Lebenssituation unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis der Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit eines Selbsttötungswillens gestellt werden können, darf hier differenziert werden zwischen Menschen mit schweren oder fortgeschrittenen Erkrankungen einerseits und völlig gesunden Menschen andererseits. Alle diese Voraussetzungen sind selbstredend bei Kindern und Jugendlichen nicht gegeben.

Mit der Regelung des Suizids ist es aber nicht getan; denn je niederschwelliger der Zugang zu Palliativmedizin und Hospizdiensten ist, umso eher ist der Betroffene bereit, seine Situation auch ohne Suizid zu ertragen. Und vor allem bedarf die Suizidprävention ganz allgemein einer massiven Förderung. Denn eines darf nicht vergessen werden: Auch wenn der Suizid nicht strafbar ist, so hat doch jeder Suizid schwere Auswirkungen auf das gesamte Umfeld und ist immer auch eine Tragödie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat die Kollegin Dr. Petra Sitte aus der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Helge Lindh [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536421
Wahlperiode 20
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Thema Sterbehilfe
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